Mitglied über Synodalversammlung: „Macht der Bischöfe wirkt weiter“
Im Synodalen Weg waren keine Betroffenen sexualisierter Gewalt stimmberechtigt. Gregor Podschun von der katholischen Jugend fordert ein Umdenken.
taz: Herr Podschun, nach dreieinhalb Jahren ist das Reformprojekt Synodaler Weg zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Wie blicken Sie auf die fünfte Synodalversammlung zurück?
Gregor Podschun: Ich habe ein sehr durchwachsenes Gefühl zur vergangenen Versammlung. Es wurden einige gute Texte beschlossen. Dass es endlich auch offiziell Segensfeiern für homosexuelle Paare geben soll, ist ein großer Fortschritt. Das entlastet auch viele Seelsorger*innen. Auch dass der Handlungstext zur geschlechtlichen Vielfalt beschlossen wurde, ist großartig, weil das bedeutet, dass endlich Menschen, die trans Personen oder nonbinär sind, anerkannt werden in der katholischen Kirche. Das ist ein erster Schritt gegen die bestehende Diskriminierung. Zugleich wurden aber viele Texte beschlossen, die nur Prüfaufträge enthalten und die so weichgespült wurden, dass sie letztendlich gar keine Bedeutung mehr haben und keinen richtigen Fortschritt enthalten. Daran hat man sehr deutlich gesehen, wie die Machtsysteme der Bischöfe wirken und dass der Synodale Weg es nicht geschafft hat, diese zu durchbrechen.
Der Synodale Weg hatte das gemeinsame Entscheiden in der katholischen Kirche zum Ziel. Ist er damit gescheitert?
Ich glaube, man muss den Gesamterfolg differenziert betrachten und schauen, woran man diesen misst. Der Synodale Weg hat in einer breiten Öffentlichkeit sichtbar gemacht, wie Menschen von ihrer Kirche denken und wie sie diese gestalten wollen. Aber in dem Kernpunkt, wo der Synodale Weg seinen Anfang fand, nämlich nach der Missbrauchsstudie, die die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt gezeigt hat, da sind wir gescheitert. Genau den Risikofaktor von fehlender Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche haben wir nicht bearbeitet und beseitigt. Das lässt uns als katholische Jugendverbände ratlos zurück, was wir mit dem Blick auf die Missbrauchsaufarbeitung in diesem Punkt tun können.
33 Jahre alt, ist Bundesvorsitzender des Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und wohnt in Düsseldorf. Er wird am Synodalen Ausschuss teilnehmen.
Bei der Synodalversammlung in Frankfurt wurden die Handlungstexte „Maßnahmen gegen Missbrauch von Frauen“ und „Prävention sexualisierter Gewalt, Intervention und Umgang mit Tätern in der katholischen Kirche“ mit einer großen Mehrheit verabschiedet. Ist das kein Erfolg?
Inhaltlich sind das wichtige Texte, aber leider sind sie nicht so gut geschrieben und beinhalten viel zu wenig Maßnahmen. Also beispielsweise wird als einzige Maßnahme gegen Täter, die Priester sind, Therapien genannt. Da kann der Eindruck entstehen, dass nach einer Therapie ein Wiedereinsatz von Tätern in der katholischen Kirche möglich sein sollte. Das steht nicht explizit drin, aber kann herausgelesen werden. Dieser Text vermischt an vielen Stellen Prävention, mit Intervention, mit Aufarbeitung, die nicht vermischt werden sollten. Ich glaube auch, dass Maßnahmen gegen Täter an anderer Stelle festgelegt werden müssen. Das müssen die Bischöfe an Ordnungen und Regeln festhalten, die jetzt schon gültig sein sollten. Alle Texte zur sexualisierten Gewalt, die der Synodale Weg beschlossen hat, bleiben innerhalb des geltenden Kirchenrechts. Das heißt, wir kommen nicht aus den Strukturen und dem System heraus und es gibt nicht mal Texte, die fordern, dass wir das Kirchenrecht überschreiten. Das ist wirklich viel zu schwach.
Es gab auch die Kritik, dass Betroffene sexualisierter Gewalt nicht als stimmberechtigte Delegierte in der Synodalversammlung dabeiwaren.
Es gibt das Gerücht, dass in der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz darüber abgestimmt wurde, ob Betroffene in die Synodalversammlung berufen werden. Da gab es wohl eine knappe Mehrheit dagegen. Warum, kann ich nicht sagen. Aber es zeigt durchaus, wie die Macht der Bischöfe gegenüber den Betroffenen ausgenutzt wird. Betroffene sind ja als Gäste auf der Synodalversammlung, sie hätten Zeit, ein Stimmrecht wahrzunehmen und haben das auch eingefordert. Sie wurden trotzdem von der Deutschen Bischofskonferenz nicht ausgewählt, daran teilzunehmen. Das ist fatal und zeigt, dass die Stimme der Betroffenen immer noch nicht so gehört wird, wie sie das einfordern. Das muss sich dringend ändern.
Nun kommt der Synodale Ausschuss. Sind dort Betroffene sexualisierter Gewalt vertreten?
Ja, aber das ist eher Zufall. Es gab keine vorgesehenen Plätze für Betroffene sexualisierter Gewalt. Der Synodale Ausschuss wurde aus drei Gremien zusammengesetzt. Einmal die 20 Menschen, die auf der Synodalversammlung gewählt wurden, die 27 Diözesanbischöfe und 27 Menschen, die vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt wurden. Eine Person ist zugleich betroffene Person und ZdK-Mitglied. Das heißt, institutionalisiert haben Betroffene keinen Platz im Synodalen Ausschuss.
Sie kritisieren also die Zusammensetzung des Ausschusses?
Ja, insbesondere auch in zwei weiteren Punkten: die fehlende Abbildung von Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit. Das Ironische ist: Der Synodale Weg hatte den Beschluss gefasst, dass der Synodale Ausschuss geschlechter- und generationengerecht zusammengesetzt werden sollte. Da hat sich niemand dran gehalten. Wir jungen Menschen hatten uns dafür beim ZdK eingesetzt. Aber weder das ZdK noch die Bischofskonferenz hat das umgesetzt. Das ist womöglich ein Hinweis darauf, wie mit anderen Beschlüssen des Synodalen Wegs umgegangen werden wird. Auch im Synodalen Ausschuss wird das Machtsystem der Bischöfe weiterwirken. Wir sind weiterhin von den Mehrheiten der Bischöfe abhängig. Zugleich gibt es gerade kaum eine Alternative, wenn sich junge Menschen für ihre Kirche einsetzen und sie verändern wollen. Wir wollen mit unserer Stimme die Machtsysteme sichtbar machen und zeigen, was schiefläuft. Deshalb gehen wir in den Synodalen Ausschuss.
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