Klimafreundliche Investments: Angst vor „wokem“ Kapitalismus

In den USA versuchen rechte Kräfte, das Label für ökologische und soziale Geldanlage zu verbieten. Sie fürchten einen „woken“ Kapitalismus.

Eine Tankstelle

Sarasota, Florida: Ob Firmen weiterhin in Öl und Gas investieren oder in ESG soll ihnen überlassen bleiben Foto: John Marshall Mantel/imago

CHIANG MAI taz | Zwischen dem Klima- und dem Finanzsystem gibt es viele Wechselwirkungen. So müssen die globalen Finanzströme umgeleitet werden, damit genug Mittel für die Investitionen in den Klimaschutz zur Verfügung stehen. Passiert das nicht, können physische Klimaschäden oder eine ehrgeizigere Klimapolitik für Firmen zum Risiko werden.

Das beunruhigt insbesondere die Zentralbanken, die in vielen Ländern an Offenlegungspflichten für solche Risiken arbeiten. Viele Investoren wollen zudem wissen, was mit ihrem Geld passiert. Dazu werden Wertpapiere auf drei Faktoren geprüft: die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Geschäfts­tätigkeit einer Firma und deren Gouvernanzsystem. Diese drei Faktoren werden mit dem Kürzel „ESG“ zusammengefasst und machen einen immer größeren Teil des Markts aus. Im Jahr 2020 hatte ein Drittel aller ausstehenden Papiere ein „ESG-Label“, Papiere im Wert von 35 Billionen US-Dollar.

Die Kritik an der plötzlichen ESG-Begeisterung kommt dabei aus zwei grundverschiedenen Lagern: Die einen befürchten ein „Greenwashing“ und wollen die Kriterien der vielen verschiedenen ESG-Label verschärfen. Zumindest in den USA gibt es aber noch ein zweites Lager: Die Republikaner in immer mehr Bundesstaaten versuchen, die Berücksichtigung der ESG-Faktoren bei Anlageentscheidungen zu verbieten. Sie fürchten einen „woken“ Kapitalismus, also eine Welt, in der Firmen Positionen der Demokratischen Partei etwa bei der Homoehe oder eben beim Klimaschutz unterstützen.

Mittlerweile gibt es in 18 der 50 Bundesstaaten Anti-ESG-Gesetze. Diese fallen in zwei Gruppen: In manchen Staaten wird staatlichen Pensionsfonds verboten, bei ihren Investitionsentscheidungen die ESG-Kriterien mitzuberücksichtigen. Und in anderen Staaten ist es staatlichen Stellen gleich ganz verboten, Geschäfte mit „woken“ Finanzmarkt­akteuren zu machen.

Der Anti-ESG-Effekt

Dazu zählt etwa der größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock. Dessen Chef, Larry Fink, schreibt jedes Jahr einen Brief an die Chefs der Firmen, in die Blackrock investiert hat. Im vergangenen Jahr ging er dabei auch auf die Diskussion über den „woken“ Kapitalismus ein: „Beim Stakeholder-Kapitalismus geht es nicht um Politik. Es geht nicht um eine soziale oder ideologische Agenda. Er ist nicht ‚woke‘.“ Und dann führte er aus, was das aus Klimasicht bedeutet: „Jedes Unternehmen und jede Branche wird sich durch den Übergang zu einer Welt mit Netto-null-Emissionen verändern. Die Frage ist: Werden Sie führen oder werden Sie geführt werden?“

Aus Sicht der Regierung in Texas sind solche Überlegungen Häresie für den Chef einer großen Firma. Aus diesem Grund ist es staatlichen Institutionen in Texas nun verboten, mit Blackrock und einigen anderen Großanlegern Geschäfte zu machen. Das führte zum Exodus von fünf großen Käufern von Anleihen von Texas und seinen Gemeinden – mit erstaunlich hohen Kosten.

Die öffentliche Hand hat nun weniger potenzielle Abnehmer für ihre Schuldscheine und sie muss daher höhere Zinsen zahlen. Eine Studie aus dem letzten Jahr hat diesen Effekt beziffert: Wenn die texanischen Anti-ESG-Gesetze beibehalten werden, müssen die dortigen Steuerzahler in Zukunft im Jahr 416 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Zinskosten tragen. Das entspricht einer Zinserhöhung um 0,14 Prozentpunkte auf die ausstehenden Schulden im Wert von 298 Milliarden Dollar. Für Symbolpolitik bei einem Kulturkampfthema ist das erstaunlich teuer.

Die Anti-ESG-Welle erscheint aber noch aus einem anderen Grund erstaunlich: Auch die Wähler der Republikanischen Partei selbst sind gegen die Verbote. Eine Umfrage unter gut 1.200 US-Wählern kommt dabei zu einem eindeutigen Schluss. „Der Konsens unter diesen Wählern war, dass Unternehmen selbst entscheiden sollten, wie sie ihre Mittel verwenden, und wenn Unternehmen in ESG-Initiativen investieren wollen, sollten sie dies ohne staatliche Einmischung tun dürfen“, heißt es im Fazit der Erhebung. Früher galt diese Position mal als konservativ.

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