Panzer für die Ukraine: Europäisches Leopard-Gewimmel

Mehr als 2.000 Leopard-2-Kampfpanzer gibt es in Europa. Doch ihr Potenzial zu aktivieren, ist schwierig.

Soldat lukt auf einem Panzer heraus

Ein slowakischer Soldat in einem Leopard-Panzer, übergeben von der deutschen Verteidigungsministerin Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Kommt der Leopard-2-Kampfpanzer oder kommt er nicht? In der Debatte um die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine schauen die europäischen Staaten auf unterschiedliche Bestände. Dreh- und Angelpunkt einer europäi­schen Leopard-2-Waffenhilfe ist Deutschland, das seine Flotte aktuell auf 328 Panzer ausbaut. Denn Berlin muss jedem Export von Nutzern dieses Panzers „made in Germany“ zustimmen.

Polen etwa ist ein Hauptnutzer mit 347 Panzern dieses Typs. Jedoch hat der Panzer bei den Polen keine Perspektive mehr. Bis vor Kurzem wollte Warschau seine Panzerwaffe noch über den deutschen Panzer stärken, doch Zukäufe kamen nicht zustande. Nun setzt Polen kurzfristig auf die Beschaffung gebrauchter US-amerikanischer Abrams-Panzer. Langfristig soll die Panzerflotte über eine Rüstungskooperation mit Südkoreas K2-Panzern ausgebaut werden. Die Möglichkeit zum Leopard-Verzicht öffnet somit Abgabepotenziale.

Doch schon die kleineren Ostflankenstaaten, die auf diesen Panzer setzen, haben andere Interessen. Ungarn, Tschechien und die Slowakei sehen ihre Leopard-2-Bestände dezidiert als Faktor eigener militärischer Ertüchtigung, um frei von „Feindtechnik“ zu werden und sich über westliches Gerät besser in Nato-Großverbände einzugliedern. Die letztgenannten Länder haben erst jüngst je 15 Leopard 2 über das sogenannte Ringtauschverfahren von Deutschland beschafft und dafür sowjetische Waffentechnik an die Ukraine abgegeben. Tschechiens Verteidigungsministerium sieht den Ringtausch als Sockelgeschäft, um künftig noch weitere Leopard 2 in der neuesten Konfiguration zu beschaffen.

Auch in Skandinavien ist das Leopard-2-Bild diffus. Norwegen wollte eigentlich bis Ende 2022 entscheiden, ob es weitere Leopard 2 im neuesten Rüststand A7 beschafft oder den südkoreanischen K2 wie Polen. Doch dann brach dazu ein Streit in der Armee aus. Der Befehlshaber der Streitkräfte, General Eirik Kris­toffersen, möchte auf die Panzer verzichten und dafür in weitreichendes Feuer wie Raketen­werfer investieren. Andere hohe Militärs sind dagegen.

Geschrumpftes Reservoir, dosierte Abgaben

In Finnlands Politik gibt es Sympathien für eine Unterstützung der Ukraine mit Leopard-2-Panzern. Dessen Armee hat immerhin 100 Leopard 2 A6 und 100 alte A4 in Depots. So äußerte sich zuletzt der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Parlament, Antti Häkkänen, positiv zu einer finnischen Lieferung an die Ukrai­ne. Allerdings nicht als Vorreiter, sondern als dosierte Abgabe im Fahrwasser der Großen wie Deutschland, sollte eine europäische Leopard-2-Versorgung für die Ukraine zustande kommen.

Diese Debatte ist inzwischen auch nach Dänemark geschwappt. Das modernisiert seine kleine Leopard-2-Panzerflotte gerade auf den neuesten Rüststand A7, hat aber mit einer Miniflotte von 44 Panzern keinen Raum für Abgaben. Schweden verfügt noch über 120 Leopard 2 der mittleren Entwicklungsstufe A5. An die 160 alte A4 Schwedens gingen einst zurück an die deutsche Industrie. Ein geschrumpftes Reservoir für Leopard-Geschäfte der letzten Jahre, wie die Ringtäusche.

Spanien prüfte im vergangenen Jahr, von seinen eingelagerten circa 100 Leopard-2-Panzern A4 einige an die Ukraine abzugeben. Doch deren technischer Zustand ist so schlecht, dass ­Polen einst auf einen Ankauf samt Instandsetzung verzichtete. Als aktive Flotte weist Military Balance immerhin noch 219 Leopard 2E für Spanien aus.

Die großen Leopard-2-Flottenbesitzer im Nato-Verbund Griechenland und die Türkei sind ein besonderer Schwachpunkt für eine Abgabe von Leo­pard-Panzern an die Ukraine. Denn die beiden Länder betreiben ihre Rüstung großteils gegeneinander. Kein Jahr vergeht ohne Drohungen der Nachbarn gegeneinander, die um Einfluss im Mittelmeer ringen. Athen sondiert mit Leopard-2-Produzent Krauss-Maffei Wegmann zurzeit die Modernisierung seiner Leopard 2 auf den neues­ten Rüststand A7.

Die Türkei betreibt eine aggressive Sicherheitspolitik gegenüber ihren arabisch-kurdischen Nachbarn, mit Interventionen in den Irak und Syrien, wofür sie ihre Leopard 2 einsetzt. Wie Polen kooperiert die Türkei mit Südkorea, mithilfe von dessen K2-Technologie will sie einen eigenen Kampfpanzer „Altay“ herstellen. Doch dessen Serienreife verzögert sich.

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