Beschäftigte im öffentlichen Dienst: Das leidige Tarifrundenspiel

Die Forderungen der Gewerkschaft im öffentlichen Dienst sind bekannt. Die Arbeitgeberseite könnte Warnstreiks verhindern – tut es aber nicht.

Nancy Faeser umarmt einen Polizisten in grell-grünem Anorak, der mit seinen Kollegen von der Gewerkschaft vor dem Kongreßhotel steht

„Rückgrat des Staates“: Nancy Faeser zum Auftakt der Tarifverhandlungen am Dienstag in Potsdam Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Da kann man nicht widersprechen: „Die Inflation frisst den Menschen ein Loch ins Portemonnaie“, so beschreibt Verdi-Chef Frank Werneke die Problemlage. Selbstbewusst fordert die Dienstleistungsgewerkschaft daher bei den am Dienstag begonnenen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen die höchste Lohnsteigerung seit Jahrzehnten: 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro im Monat – damit auch Ge­ring­ver­die­ne­r*in­nen eine wirkliche Gehaltssteigerung haben.

Ob sich die Gewerkschaft damit durchsetzen kann, ist offen. Fest steht: Überraschend sind die Forderungen nicht. Sie sind seit Oktober vergangenen Jahres bekannt.

Doch die Arbeitgeberseite – namentlich die beiden Sozialdemokratinnen, Bundesinnenministerin Nancy ­Faeser als Verhandlungsführerin für den Bund und für die Kommunen, die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge – legt zum Verhandlungsauftakt kein eigenes Angebot vor. Erwartbar verliefen die ersten Gespräche am Dienstag also ergebnislos.

Es mag sich eingebürgert haben, dass die Arbeitgeberseite bei Tarifverhandlungen bis zur letzten Verhandlungsrunde nichts anbietet – das macht es aber nicht richtiger. Wenn man seit Oktober die konkreten Forderungen kennt, kann man Ende Januar auch ein Angebot vorlegen und nicht erst im März. Das wäre eine vorausschauende Politik, die Bür­ge­r*in­nen und den Fachkräftemangel ernst nimmt. Da dies nicht passiert ist, wird es zwangsläufig Warnstreiks geben.

Darunter leiden die Beschäftigten, die sich etwa als Pflegekräfte ihren Pa­ti­en­t*in­nen verpflichtet fühlen – sowie Kranke, Eltern, im Grunde also die ganze Gesellschaft. Denn Warnstreiks im öffentlichen Dienst von Bund und Ländern betreffen 2,5 Millionen Menschen in Hunderten Berufen – von Er­zie­he­r*in­nen über Verwaltungsangestellte bis hin zu Müllwerker*innen.

Der Bund sollte ohne zeitlichen Verzug ein eigenes Angebot machen, damit verhandelt werden kann. Wenn Innenministerin Faeser glaubhaft vermitteln will, dass sie im öffentlichen Dienst „das Rückgrat unseres Staates“ sieht, sollte sie das leidige Tarifrundenspiel unterlassen.

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Schreibt seit 2017 für die taz und arbeitet seit 2020 als Redakteurin bei der taz. Studierte Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Anglistik sowie Kulturjournalismus in Berlin und Essen.

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