Studie über Arbeitssucht: Lasst uns Spiel­ver­der­be­r*in­nen sein

Jede zehnte erwerbstätige Person ist arbeitssüchtig. Anstatt das offen zu problematisieren, wird die ungesunde Einstellung zum Job weiter idealisiert.

Eine Person mit einem roten Eimer auf dem Kopf

Lasst mal die „freiweilligen“ Überstunden sein Foto: imago

Jede zehnte erwerbstätige Person in Deutschland ist arbeitssüchtig. Das zeigt eine aktuelle Studie der Technischen Universität Braunschweig. Wenig verwunderlich sind insbesondere Selbstständige und Führungskräfte betroffen. Wie wär's, wenn wir das nicht nur beim Scrollen zur Kenntnis nehmen?

Lasst uns radikal über Gesundheit am Arbeitsplatz sprechen. Lasst es uns endlich offen problematisieren, wenn die Chefin wieder weit nach Feierabend anruft, nie richtig frei macht und ständig erreichbar ist. Lasst uns statt: „Krass, wie du das immer alles schaffst“, schnöde sagen: „Für eine 50-Stunden-Woche wirst du hier nicht bezahlt, du bezahlst sie mit deiner Gesundheit.“ Lasst uns Spiel­ver­der­be­r*in­nen sein.

In einer Leistungsgesellschaft klingt Arbeitssucht viel zu harmlos. Das sind eben sehr engagierte Menschen, die ihren Job gerne machen. Workaholics. Das Krankheitsbild dahinter ist nicht so lustig: Migräne, Schwindel, Schlafstörungen. Arbeitssucht gipfelt oft im Burnout. Aber wir sind Meis­te­r*in­nen darin uns einzureden, dass die Alarmsignale des Körpers andere Gründe haben. Bestimmt was Falsches gegessen. Bestimmt nur die Hormone.

Wir lesen lieber Protokolle über Leute, die während der Arbeitszeit kiffen, Serien schauen, sich einen faulen Lenz machen. Nicht immer so niederschmetternde Themen wie Burnout thematisieren. Alkohol- oder Drogensüchtige versuchen, ihren Konsum vor ihrem Umfeld eher zu verheimlichen. Arbeitssucht hingegen wird in manchen Branchen gepriesen und mit Boni belohnt.

So langweilig es klingen mag: Man unterschreibt einen Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Stundenanzahl nicht grundlos. Der Vertrag garantiert uns wichtige Rechte. Wenn die FDP fordert, dass wir „unbürokratisches mobiles Arbeiten“ brauchen und sie die „starre Zeiteinteilung inklusive fixer Ruhezeiten“ abschaffen will, dann sollten wir aufhorchen. Arbeitsschutzgesetze gibt es, um die Gesundheit von Ar­beit­neh­me­r*in­nen zu schützen.

Doch wer sich selbst ausbeutet, dem hilft kein Gesetz. Und wer abhängig ist, erkennt vielleicht das Problem nicht. Deshalb sollten sich alle anderen auflehnen. Lasst mal die „freiweilligen“ Überstunden sein. Und gebt anderen Dingen als nur der Arbeit die höchste Priorität.

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Schreibt seit 2017 für die taz und arbeitet seit 2020 als Redakteurin bei der taz. Studierte Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Anglistik sowie Kulturjournalismus in Berlin und Essen.

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