Linke Geschichte

Die Polizei hat die Räume des Alternativradios RDL durchsucht. Schon seit seinen Anfängen steht der Sender im Visier der Polizei

Andreas Reimann, Geschäfts­führer von Radio Dreyeckland, vor der Redaktion in Freiburg Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Von Peter Nowak

Der 17. Januar 2023 wird für die Mit­ar­bei­te­r*in­nen des linken Freiburger Senders Radio Dreyeckland (RDL) wohl noch länger im Gedächtnis bleiben. Am frühen Morgen gegen 6.30 Uhr stand die Polizei mit einem Staatsanwalt vor den Wohnungstüren der beiden RDL-Redakteure Andreas Reimann und Fabian Kienert. Sie präsentierte einen Durchsuchungsbefehl und beschlagnahmte Computer, Handy und andere Datenträger. Wenig später standen Polizei und Staatsanwaltschaft auch in den Räumen des Senders RDL. Dort verzichteten sie ­allerdings auf die Beschlagnahme von Computer und Datenträgern, nachdem sich Fabian Kienert als Autor des inkriminierten Artikels vom 30. Juli 2022 zu erkennen gab, der Anlass für die Durchsuchung war. In diesem Artikel wurde über die Einstellung des Verfahrens gegen die linke Internetplattform Indymedia-Linksunten berichtet. Sie war im August 2017 wenige Wochen nach den teilweise militanten Protesten gegen das G8-Treffen in Hamburg vom Bundesinnenministerium wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten worden. Im Sommer letzten Jahres wurden alle Ermittlungsverfahren gegen die fünf Personen eingestellt, die von der Justiz beschuldigt wurden, Indymedia-Linksunten betrieben zu haben. Doch die linke Plattform blieb verboten. Dafür hatten Unbekannte auf der Domain ein Archiv eingerichtet, in dem Texte der inkriminierten Webseite dokumentiert sind.

Der Link auf dieses Archiv im RDL-Artikel war der Anlass für den Durchsuchungsbeschluss, der bereits Mitte Dezember 2022 vom Amtsgericht Karlsruhe ausgestellt wurde. Nach deren Lesart hat sich der Autor des Artikels zum Sprachrohr der „verbotenen Vereinigung Indymedia-Linksunten“ und damit eines Verstoßes gegen das Vereinsverbot schuldig gemacht. Fabian Kienert erklärte gegenüber der taz, dass er im letzten Jahr eine Vorladung der Polizei erhalten hatte, um zum Vorwurf des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz Stellung zu nehmen. Er habe den Termin nach Rücksprache mit Ju­ris­t*in­nen nicht wahrgenommen. „Ich verspürte kein Bedürfnis, mich über meine redaktionelle Arbeit mit dem Staatsschutz auszutauschen“, erklärte Kienert.

Weder er noch sein Kollege Andreas Reimann haben in ihrer langjährigen Arbeit seit den 1990er Jahren für den Sender eine solche Polizeimaßnahme erlebt, versicherten sie der taz. In Erinnerung geblieben ist beiden ­Journalisten aber ein Ermittlungs­verfahren nach Paragraf 129a – Bildung terroristischer Ver­einigungen – Mitte der 1990er Jahre. Dieses war gegen den Sender eingeleitet worden, weil dieser damals den in der linken Szene beliebten Song „Hey, Rote Zora“ gespielt hatte. Der Name erinnerte nicht nur an eine beliebte weibliche Märchenfigur sondern auch an eine damals noch aktive militante feministische Gruppe. Das Verfahren wurde aber eingestellt, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen war.

1988 sendete RDL mit einer legalen Frequenz und wurde zum Pionier der Bewegung der Freien Radios

Geht man allerdings weiter in die Geschichte des Senders zurück, stößt man auf zwei weitere polizeiliche ­Razzien. Damals handelte es sich ­allerdings noch um einen Piraten­sender ohne offizielle Frequenz, der sich Radio Fessenheim nannte. Damals wollte der rechtskonservative Ministerpräsident mit NS-Vergangenheit Hans Filbinger bei Freiburg das Atomkraftwerk Wyhl errichten. Es bildete sich eine Opposition aus ­Win­ze­r*in­nen und Land­wir­t*in­nen aus der Region und der linksalternativen Szene Freiburgs. Der Sender wurde zu deren Sprachrohr. Bald gab es in Freiburg auch zahlreiche Hausbesetzungen, über die die Sender häufig berichtete. Ab 1988 sendete RDL mit einer legalen Frequenz und wurde zum Pionier der Bewegung der Freien Radios.

Innerlinke Konflikte wurden in den letzten Jahrzehnten auch schon mal mit Besetzungen der Senderäume ausgetragen, so während des Golfkriegs 1991, als israelsolidarische Linke gegen Interviews protestierten, die mit antisemitischen Stereotypen argumentierten. Bis heute hat der Sender in Freiburg und Umgebung eine stabile Unterstützung. Das zeigte sich in den letzten Tagen nach der Durchsuchung. Es kam zu zahlreichen Solidaritätserklärungen. Menschen kamen direkt beim Sender vorbei, um den Mit­ar­bei­te­r*in­nen ihre Unterstützung auszusprechen. Auf mehreren Kundgebungen wurde in Freiburg gegen die Polizeimaßnahme protestiert.