EU-Korruptionsskandal: Den eigenen Saustall ausmisten

Der Skandal um Ex-Parlamentsvizepräsidentin Kaili ist Wasser auf den Mühlen Putins. In Ländern, die auf einen Beitritt hoffen, wirkt er demoralisierend.

Plenarsitzung des EU-Parlaments

Wer hat da Dreck am Stecken? Plenarsitzung des EU-Parlaments in Straßburg Foto: Yves Herman/reuters

Der Korruptionsskandal um die ehemalige EU-Parlamentsvizeprä­siden­tin Eva Kaili, der immer weitere Kreise zieht und zu einem ersten Geständnis führte, ist derzeit der Aufreger schlechthin. Zwar gibt es immer wieder Politiker*innen, die den Hals nicht voll bekommen und sich ihre PR-Handlangerdienste vergolden lassen. Dass sie vor allem mit korrupten Autokratien, wie Katar oder auch Aserbaidschan, ins Geschäft kommen, liegt in der Natur der Sache.

Imagepflege gegen Cash – eine Win-win-Situation für beide Seiten. Doch die Außenwirkung solch krassen Fehlverhaltens ist schlichtweg desaströs. Und sie ist Wasser auf die Mühlen von Leuten wie Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die der „moralisch verrotteten dekadenten“ EU nichts sehnlicher wünschen als einen baldigen Niedergang.

Einen nicht minder großen Flurschaden richten derartige kriminelle Machenschaften jedoch auch in Ländern an, die sich Hoffnungen auf einen EU-Beitritt machen. Der ist nicht umsonst zu haben, und die Liste der Hausaufgaben ist lang. In der Regel gehören dazu umfassende Justizreformen nebst messbaren Fortschritten beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption.

Auch der Südkaukasusrepublik Georgien attestiert Brüssel hier noch Nachholbedarf. Tbilissi ging im vergangenen Juni bei der Beförderung zum Kandidaten für einen EU-Betritt, anders als die Ukraine und die Re­pu­blik Moldau, leer aus. Bei der Zeugnisvergabe verstieg sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übrigens zu der Aussage, es gebe kein besseres Signal der Hoffnung für die Bevölkerung der drei Staaten.

Wozu sich noch anstrengen

Vor dem Hintergrund der jüngsten Enthüllungen klingt das wie ein schlechter Scherz – vor allem für die Geor­gie­r*in­nen, die mit viel Engagement für einen Wandel in ihrem Land arbeiten. Wozu sich weiter anstrengen, wenn nicht einmal Brüssel selbst seinen Ansprüchen genügt? Diese Doppelmoral lässt keine Hoffnung entstehen, sondern Frust und Enttäuschung. Dazu passt dann auch die jüngste Entscheidung der EU, Bosnien und Herzegowina zum Kandidaten zu küren.

Auch hier ist Korruption kein Fremdwort. Eine Erweiterung als geopolitisches Instrument, um Russland auf dem Westbalkan in die Schranken zu weisen, wiegt jedoch schwerer. Immerhin: Die Causa Kaili hat die Erkenntnis befördert, dass die Europäische Union nicht umhinkommt, ihren eigenen Saustall gründlich auszumisten. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat umfassende Reformen angekündigt, um gegen Korruption vorzugehen.

Dies ist ein überfälliger Schritt, um nicht noch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verspielen. Und es ist vielleicht auch ein Hoffnungsschimmer für Länder wie Georgien.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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