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Verschärft gegen scharfe Waffen

Bei den Razzien rund um die Reichsbürgergruppe wurden rund 90 Waffen gefunden. Innenministerin Faeser will Gesetze verschärfen – doch es gibt Widerstände

Eine Halb­automatische unterm Weihnachtsbaum? Der Erwerb von Kriegswaffen soll schwieriger werden Foto: Volker Derlath

Aus Berlin Konrad Litschko

Die Gefahr durch die vergangene Woche festgenommenen Reichsbürger war wohl größer als bisher bekannt. Bei Durchsuchungen wurden rund 90 Waffen aufgefunden, von Schuss- bis Stichwaffen. Das trug die Bundesanwaltschaft im Rechtsausschuss des Bundestags am Montag laut Teilnehmenden vor. Einige Beschuldigte sollen bereits im April auf einem bayrischen Schießstand trainiert haben – teils unter Klarnamen. Zudem habe man habe eine dreistellige Zahl an „Verschwiegenheitserklärungen“ gefunden. In Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen war bereits mit der Bildung von „Heimatschutzkompanien“ begonnen worden.“

„Die Gefahr war real, es gibt keinen Grund zur Entwarnung“, sagte der FDP-Innenexperte Sebastian Fiedler der taz. Auffällig waren auch die hohen Geldbeträge, welche die Beamten auffanden: Sie sollen auf 400.000 Euro in bar und 6 Millionen Euro in Goldbarren in einem Schließfach gestoßen sein. Wofür das Geld gedacht war, sei noch zu klären.

Bei den Razzien waren 25 Beschuldigte aus dem Reichsbürger- und Coronaverharmlosermilieu festgenommen und weitere 27 durchsucht worden – darunter der Adelsnachfahre Heinrich Prinz Reuß, die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sowie mehrere einstige und aktive Soldaten und Polizisten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung und Putschpläne vor, samt Sturm auf den Bundestag.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drängt seitdem auf zwei Gesetzesvorhaben, die sie bereits im Frühjahr in ihrem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus angekündigt hatte. Als Erstes soll eine Verschärfung des Disziplinarrechts her, um extremistische Beamte schneller aus den Behörden zu entfernen – wie etwa die nun beschuldigten Polizisten. Der Gesetzentwurf soll noch diese Woche in die Ressortabstimmung gehen, erklärte Faesers Sprecherin.

Ziel ist es laut Entwurf, dass beschuldigte Beamte, statt langwieriger Disziplinarklagen zu erwarten, gleich suspendiert oder gar entlassen werden dürfen – die Entscheidung würde dann im Nachgang von Gerichten geklärt. Die Behörden erhielten damit die Möglichkeit, sämtliche Disziplinarmaßnahmen selbst auszusprechen. Zudem soll nun eine Verurteilung für Volksverhetzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe, statt bisher einem Jahr, bereits zum Verlust der Beamtenrechte führen.

Das Vorhaben hatte zuletzt für Diskussionen gesorgt, weil Faeser von einer „Beweislastumkehr“ gesprochen hatte. Das klang, als hätten Beschuldigte dann aktiv nachweisen müssen, dass sie verfassungstreu sind – was etwa unter Polizeigewerkschaftern prompte Kritik auslöste. Faeser korrigierte sich nun aber.

Vom Justizministerium von Marco Buschmann (FDP) hieß es zu den Plänen nur, bisher liege kein Gesetzentwurf vor. So lange warte man mit einer Bewertung. Der Beamtenbund begrüßt dagegen das Vorhaben. „Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, erklärte ihr Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach. Für eine Entfernung aus dem Dienst brauche es tatsächlich „einen straffen zeitlichen Rahmen“ und einheitliche Maßstäbe. Klar aber sei, dass Beamte „nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus ihrem Amt entfernt werden dürfen“. Auch die Gewerkschaft der Polizei gibt sich nun aufgeschlossen. Eine Beweislastumkehr hätte man nicht mitgetragen, sagte ein Sprecher der taz.

„Die Gefahr war real, es gibt keinen Grund zur Entwarnung“

Sebastian Fiedler, FDP-Innenexperte

Faeser drängt zudem auf eine Verschärfung des Waffenrechts. So wurden seit 2016 gut 1.050 Reichsbürger entwaffnet – immer noch 500 aber besitzen nach Behördenkenntnis legal Waffen. Auch diese Gesetzesverschärfung soll laut Fae­ser „in Kürze“ in die Ressortabstimmung gehen. Nach taz-Informationen ist hier vor allem ein engerer Informationsaustausch zwischen Waffen- und Sicherheitsbehörden geplant und auch mit Gesundheitsbehörden, wenn es um psychische Krankheiten von Waffenbesitzern geht. Das ist durchaus heikel – denn Gesundheitsdaten sind besonders geschützt. Zudem will Faeser ein Verbot kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen erreichen.

Tatsächlich liegt der Gesetzentwurf nach taz-Informationen bereits seit einigen Wochen vor – bisher aber blockiert ihn die FDP. „Reichsbürger müssen konsequent entwaffnet werden“, sagte FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle der taz. „Das lässt aber das geltende Waffenrecht schon zu. Einer Verschärfung bedarf es nicht – eher einer besseren Ausstattung der Waffenbehörden, um das geltende Waffenrecht auch anzuwenden.“

Die Grünen unterstützen dagegen Fae­sers Waffenvorstoß. Eine Gesetzesverschärfung sei sinnvoll, sagte ihr Rechtsexperte Helge Limburg am Montag.

Als Drittes will Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch zusammen mit Faeser den Gesetzentwurf für das Demokratiefördergesetz ins Kabinett einbringen, mit dem zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Extremismus engagieren, langfristig abgesichert werden sollen. Kritik kommt indes aus der Zivilgesellschaft. Die bisherigen Pläne seien „ernüchternd“, erklärten zuletzt mehrere Verbände wie die Amadeu Antonio Stiftung. Die lang versprochene Planungssicherheit und eine neue Kultur der Zusammenarbeit seien bisher nicht in Sicht.