Reichsbürger-Debatte im Bundestag: Brandbeschleuniger für Hass

Der Bundestag hat über die Reichsbürger-Szene debattiert. Die AfD wurde hart angegangen und musste sich für verharmlosende Aussagen rechtfertigen.

Sebastian Hartmann am Rednerpult des deutschen Bundestages

Sebastian Hartmann (SPD) wendet sich in seiner Rede an die ganz rechten Sitze im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Es war eine hitzige Debatte mit Ansage: Aus aktuellem Anlass debattierte der Bundestag am späten Mittwochnachmittag in einer Aktuellen Stunde zur „Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten“. Neben der Forderung nach einer Verschärfung des Waffen- und Disziplinarrechts stand vor allem die AfD im Fokus.

Vor genau einer Woche wurde bei einer Großrazzia ein rechtsextremistisches Netzwerk aufgedeckt, das unter anderem den Umsturz der Bundesrepublik plante. „Wer behauptet, es sind Spinner, macht sich zum Teil des Problems“, sagte der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann und verwies dabei auf die öffentliche Verharmlosung seitens der AfD. Daran schloss sich die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic an. Ihre Ansage an die AfD: „Ihre Partei ist der Brandbeschleuniger genau dieser demokratiefeindlichen Bewegungen“.

Die AfD feuerte zurück. Gottfried Curio nannte die Razzia eine „Show“ vor geladenen Mediengästen, die die Regierungsparteien inszeniert und geplant hätten. Außerdem betonte er, dass die Demokratie nicht erzittern müsse angesichts der geringen Erfolgschancen für die Umsetzung des geplanten Umsturzes. Auch die CDU wurde von der Grünen-Abgeordneten Mihalic kritisiert: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass sie bei den Protesten der letzten Generation ganz schnell dabei sind, von einer Klima-RAF zu reden, aber jetzt, wo sie es mal mit echten Terroristen zu tun haben, schweigen sie Tage lang.“

Mihalic rief alle demokratischen Parteien dazu auf, sich geschlossen als „Brandmauer“ gegen die Gefahr von rechts und somit auch gegen die AfD zu stellen. Martina Renner von der Linken sagte, es sei kein Geheimnis, dass die extreme Rechte kein Phänomen der extremistischen Ränder sei, sondern ebenso aus der Mitte der Gesellschaft komme. Sie verurteilte, dass dies von den anderen Parteien die vergangenen Jahre größtenteils ignoriert wurde.

Schärferes Disziplinarrecht noch vor Weihnachten

Im Zuge der Debatte kündigte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) an, einen Entwurf für die Verschärfung des Disziplinarrechts noch vor Weihnachten vorzulegen. Verfassungsfeinde müssten schneller erkannt und aus dem Dienst entlassen werden.

Eine Woche ist es her, dass die Bilder der bundesweiten antiterroristischen Großrazzia die Nachrichten dominierten. In 11 Bundesländern, Österreich und Italien waren 3.000 Po­li­zis­t*in­nen im Einsatz, durchsuchten Häuser und nahmen Menschen fest.

Der Verdacht: Eine Vereinigung von Reichs­bür­ge­r*in­nen hätte einen Staatsstreich geplant und unter anderem einen Angriff auf den Bundestag geplant. Im Laufe dieser Woche wurden weitere Details bekannt. So wurden bei der Razzia mehr als 90 Waffen gefunden. Außerdem konnten die Fahnder zwei Feindeslisten sicherstellen. Aufgelistet waren unter anderem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Unionsfraktionsvorsitzender Friedrich Merz.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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