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Elon Musk hat Twitter gekauftMusk überweist die 44 Milliarden

Twitter hat die Übernahme bestätigt und den Kurznachrichtendienst von der Börse genommen. Den Chefposten will Elon Musk haben.

Als „chief twit“, „der Chef von Twitter“, bezeichnete sich Elon Musk schon Mittwoch auf seinem Account Foto: Dado Ruvic/REUTERS

„Der Vogel ist befreit worden“, tweetete der Multimillionär Elon Musk am Freitagmorgen (deutscher Zeit). Die vom Gericht verordnete Frist für die Übernahme des Kurznachrichtendiensts lief am Freitag aus. Kurz nach 6 Uhr in San Francisco (GMT-7), kurz nach 15 Uhr deutscher Zeit, hat Twitter den Vollzug der Übernahme bestätigt. Auch die US-Wertpapieraufsicht (SEC) wurde von Twitter über den Rückzug von der Börse informiert. 44 Milliarden Dollar (44,2 Mrd Euro) hat Musk überwiesen. Musk hat Twitter nun tatsächlich gekauft.

Mehrere Nachrichtenagenturen und US-Medien, wie dpa und Washington Post, berichteten am Donnerstag und Freitag davon, dass Musk bereits Mitglieder auf der Chefetage gefeuert habe. Konzernchef Parag Agrawal, Finanzvorstand Ned Segal und die leitende Rechtsberaterin Vijaya Gadde seien entlassen worden. Laut Bloomberg möchte Musk nun selbst erst mal den Chefposten übernehmen.

Als „Chief Twit“, also „der Chef von Twitter“, bezeichnete sich Elon Musk schon Mittwoch in seiner Selbstbeschreibung auf seinem Twitter-Account. Den großen Einzug bei Twitter inszenierte Musk dann am Donnerstag: Er teilte mehrere Beiträge, unter anderem ein Video, in dem er ein Waschbecken in die Twitter-Zentrale trug.

Botschaft an die Werbung

Am Donnerstagnachmittag veröffentlichte er dann auf Twitter einen Brief an Wer­be­kun­d*in­nen, in dem er sagte, dass er die Plattform gekauft habe – und warum. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch noch keinerlei Bestätigung von Twitter für den Kaufabschluss.

„Der Grund, warum ich Twitter gekauft habe, ist, dass es für die Zukunft der Zivilisation wichtig ist, einen digitalen Marktplatz zu haben, auf dem eine große Bandbreite an Meinungen auf eine gesunde Art diskutiert werden kann, ohne dass sie sich in Gewalt wandelt.“ Aktuell gäbe es eine große Gefahr, dass Soziale Medien in sehr rechte und sehr linke Echokammern zersplittern, die mehr Hass erzeugen und „unsere“ Gesellschaft spalten würden. Twitter dürfe aber trotzdem kein Ort werden, an dem „alles gesagt werden kann ohne Konsequenzen“. So Tesla-Chef Musk.

Zudem bekräftigte der Unternehmer, er habe Twitter nicht gekauft, um Geld zu machen. Danach pries er die Vorteile von Werbung auf der Plattform. „Es ist grundlegend wichtig, Twitter-Usern Werbung zu zeigen, die für ihre Bedürfnisse so relevant wie möglich ist. Werbung mit niedriger Relevanz ist Spam, aber hoch-relevante Werbung ist tatsächlich Inhalt.“ Ausgehend von dieser Äußerung lässt sich mutmaßen, dass Musk die Werbung noch mehr an den Usern ausrichten möchte – was besonders durch noch genauere Sammlung und Auswertung von nut­ze­r*in­nen­-be­zo­ge­nen Daten geschehen müsste.

Musk versucht mit dieser Nachricht offensichtlich, Wer­be­kun­d*in­nen zu beruhigen. Denn Twitter gehen wohl die aktivsten Use­r*in­nen verloren. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Twitter-interne Dokumente, dass die sogenannten Heavy User, also jene Nutzer*innen, die sich sechs- bis siebenmal pro Woche einloggen und drei bis vier Tweets (oder auch mehr) absetzen, wegbrechen würden. Sie machen zwar weniger als 10 Prozent aller Nut­ze­r*in­nen aus, generieren aber 90 Prozent der Inhalte. Zudem könnte Twitter für Wer­be­kun­d*in­nen weniger attraktiv geworden sein, weil sich die Interessen der aktivsten englischsprachigen Use­r*in­nen in den letzten zwei Jahren verschoben hätten: weg von Sport und Unterhaltung, die sich gut für Werbung eignen, hin zu Kryptowährung und expliziten Inhalten wie Nacktheit und Pornografie.

Twitter-Telenovela

Dem Twitter-Verkauf vorausgegangen war eine monatelange Telenovela: Im April 2022 hatte Musk den Twitter-Aktionär*innen 53,20 US-Dollar je Aktie angeboten. Erst kurz zuvor hatte er einen Sitz im Verwaltungsrat von Twitter kurzfristig ausgeschlagen – vermutlich, weil Mitglieder maximal 15 Prozent der Aktien halten dürfen und eben nicht das ganze Ding.

In den darauffolgenden Verhandlungen veränderte sich der Preis immer wieder, doch als er gerade sicher schien, entschied sich Musk doch noch um. Grund dafür: Laut Musk hat Twitter ihm nicht genau gesagt, wie viele Fake-Accounts es auf der Plattform gibt. Doch weil bereits vereinbart worden war, dass die Partei, die den Deal aufkündigt, eine Milliarde Dollar Strafe zahlen muss, klagte Twitter gegen Musk – und der direkt zurück. Der Prozess, der am 17. Oktober hätte stattfinden sollen, war dann allerdings wohl doch Druck genug für Musk. Anfang Oktober ruderte er zurück, sagte, er wolle nun doch kaufen. Auch Twitter bestätigte, dass es verkaufen wolle: „Es ist die Absicht des Unternehmens, diese Transaktion abzuschließen.“

Free Speech oder Hass und Hetze?

Der Kauf von Twitter durch Elon Musk ist hoch umstritten. Der Tesla-Chef bezeichnet sich selbst als „Free Speech Absolutist“, ist der Meinung, dass alle Meinungen auf der Plattform einen Platz finden können und sollten. Bereits im Mai erklärte Musk, dass er Ex-Präsidenten Donald Trump zurückholen möchte, wenn er erst mal Chef ist. Der ist bisher lebenslang von Twitter ausgeschlossen, weil er Verschwörungserzählungen über Wahlbetrug verbreitet, Corona heruntergespielt, seine Unterstützung für die gewaltvolle Erstürmung des Kapitols ausgedrückt und generell Hass gesät hatte. Trump jedoch, der inzwischen sein eigenes, rechtslastiges bis rechtsextremes Netz „Truth Social“ bespielt, hatte eine Rückkehr auf Twitter zumindest im Frühjahr noch ausgeschlossen.

Auch Twitter hat immer wieder Probleme mit Hetze. Ein Beispiel dafür im deutschsprachigen Raum ist die Gewalt, die sich gegen Lisa-Maria Kellermayr richtete, eine österreichische Ärztin, die auf Twitter über eine Demonstration von Ver­schwörungs­ideo­lo­g*in­nen berichtete und daraufhin besonders auf Twitter, später dann auch im Analogen bedroht und attackiert wurde. Am Ende suizidierte sie sich.

Zwar gibt es auf Twitter die Möglichkeit, Inhalte und Accounts zu melden, jedoch wird dieses Meldesystem immer wieder als kompliziert kritisiert. Zudem schockte Musk vergangene Woche mit der Aussage in der Washington Post, als Chef 75 Prozent der Stellen bei Twitter streichen zu wollen. Darunter sind vermutlich auch tausende Stellen von Moderator*innen, was dazu führen könnte, dass Hass-Kampagnen noch weniger eingedämmt werden. Zudem vermuten Expert*innen, dass auch die Datensicherheit der Use­r*in­nen betroffen sein könnte. Sollte Musk diesen Schritt wirklich gehen, aber auch, wenn er „nur“ ein „Willkommen“ gegenüber Men­schen­has­se­r*in­nen ausspricht, wird das immense Auswirkungen auf Gewalt bei Twitter und im Analogen haben.

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17 Kommentare

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  • Twitter kann nur besser werden.

    • @Rudolf Fissner:

      Jetzt nicht mehr.

  • Dass E. Musk Twitter übernommen hat ist ein fundamentaler Tabubruch. Nicht der Erste dieser Art, aber vermutlich der bislang Größte.

    Der Tabubruch besteht darin, dass sich die "Wirtschaft" (in direkter Weise) aus der Politik AUSNAHMSLOS herauszuhalten hat.



    Und dass Twitter auf die politische Meinungsbildung von VIELEN Menschen starken Einfluss hat, wird niemand bestreiten können.

    Deshalb ist dieser Kauf auf maximal zu verurteilen. UND sollte die EU



    E



    N



    D



    L



    I



    C



    H



    die Regeln hinsichtlich der "sozialen Medien" so verschärfen, dass die Fortführung der politischen fake-news-Beeinflussung von MILLIONEN MENSCHEN über diese Kommunikationsplattformen nicht weiter möglich ist.

    Meine These: Ohne Facebook würde D. Trump nicht Präsident geworden sein. (Und dieser Typ hatte den US-Atomkoffer unter seiner Kontrolle).

    Wünschenswert wäre, dass sich aus den genannten Gründen die Menschen von Twitter (UND CO.) in Gänze verabschieden, um solch demokratiegefährdenden Bündnissen nicht weiter Vorschub zu leisten.

    ;-)

    • @tazeline:

      Wie trennen sie denn Zensur vom Schutz der Allgemeinheit?

      Strengere Regeln können immer umgangen werden, so, wie sie Missbraucht werden können.

      Bislang hat hier niemand eine ausgewogene Lösung präsentiert.

      Mir persönlich erschiene es am sinnvollsten, die Wirtschaft aus dem Internet zu verbannen.



      In die Politik mischt sie sich ein, seit es Gesellschaftliche Strukturen gibt.

      Im Internet ist es erst in den letzten 10 Jahren so richtig schlimm geworden.

      So lange sich im www Geld im großen Stil verdienen lässt, mittlerweile unterstützt durch diverse Alltagshelfer wie Smartphone und Alexa, wird es auch weiterhin Negative Entwicklungen geben.

      Der Hass ist nur ein unerwünschtes Nebenprodukt, so lange es die Gewinne nicht schmälert, wird es billigend in Kauf genommen oder sogar gezielt gefördert.

    • @tazeline:

      Volle Zustimmung. Gut erkannt.

  • Er kolportiert ja gerne ihm gehe es um 'free speech' (wobei er darunter versteht mit dreister 'False balance' Tweets aus dem demokratischen, zivilgesellschaftlichen Umfeld gleich zu behandeln mit abgründigen, absurden & menschenfeindlichen Hasstweets.

    Sein tatsächlicher 'record' in Sachen 'free speech', vor allem, wenn es um eigene Profitinteressen seiner Unternehmen geht, sieht eher düster aus (z.B. wenn sich Interessenvertretungen/Betriebsräte seiner abhängig Beschäftigten bilden wollen) wird in diesen Tweets sehr schön entlarvt:

    "twitter.com/Joshua...hT3bGPYdi8uAw&s=19"

  • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler

    Fluchtreflex? Die taz ist auch auf Alternativen Plattformen wie Diaspora pod.geraspora.de/u/taz und Mastodon mastodon.social/@tazgetroete vertreten. Wer da mischen möchte, einen Server kann man sich hier suchen: fediverse.observer/

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Free Twitter! Yeah!

  • „chief twit“ ist auch absichtlich selbstironisch gemeint, man könnte es mit „Obertrottel“ oder „Chef Trottel“ übersetzen.



    Ansonsten hat Musk schon öfter in seinen Unternehmen demonstriert, dass er mit Recht auf Meinungsfreiheit exklusiv seine meint, nicht die anderer über ihn oder seine Unternehmen. Da er nun den Medienkanal besitzt, den er sonst nur missbraucht hat, dürfte klar sein, dass Twitter zu „The World according to Musk“ werden wird, obsessiver Micromanager, der er ist. In der Spitze werden nur yes-men übrig bleiben, ohne eigene Initiative. Seine Fans und die VT-Gemeinde werden es lieben - die Frage ist nur ob es der Rest auch tut, insbesondere die Werbepartner. Twitter könnte mehr und mehr zu einer fringe VT-Klitsche werden, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. Muss man beobachten, ob die Klicks bringende Prominenz abwandert, oder ob die Plattform noch mehr Leute in den Kaninchenbau lockt und die USA (und andere Länder) weiter spaltet. „Ye“ und Trump werden ziemlich sicher wieder dort auftreten und ihren xenophoben Stuss verbreiten dürfen - die Reichweite werden sie sich nicht entgehen lassen im Namen vermeintlich freier Rede unter Musk.

  • Eine Blamage. Ein Turbokapitalist hat gewonnen

  • Twitter wird hauptsächlich immer eine Plattform für Aktivisten und Journalisten bleiben. Ich kenne keinen aus meinem Bekanntenkreis der auf Twitter ist. Wozu auch. Da Text statt Bild im Vordergrund steht ist Twitter für Influencer/Promis irrelevant. Die Jugend ist durch TikTok auf Videos geeicht, wodurch auch für sie Twitter uninteressant ist. Die Querdenker haben Telegram und das "normale Volk" ist und bleibt auf Facebook. Daher wird Twitter nie eine Geldmaschine mit Milliarden von Nutzern. Ich glaube das ist auch der Grund warum Musk Twitter ursprünglich quasi nur geschenkt haben wollte. Den Kauf jetzt macht er nur weil er gerichtlich gezwungen wird.

  • Es wäre ein uneingeschränkter Segen für die Menschheit, wenn Twitter in der Bedeutungslosigkeit verschwände.

    Für Musk ist es allerdings erst mal kein schlechter Tausch, auch wenn er pro Aktie zu viel bezahlt hat. Twitter ist zwar wie praktisch alle Tech-Unternehmen gnadenlos überbewertet, aber nicht mal ansatzweise so überbewertet wie Tesla. Musk konnte mit diesem Kauf einen beträchtlichen Teil seiner Tesla-Anteile liquidieren, ohne einen Kurssturz zu provozieren, schließlich "musste" er ja verkaufen, obwohl er "nicht wollte." Vor dem Hintergrund, dass etablierte Auto-Hersteller sich immer mehr in Teslas Revier breitmachen und schon bald besser verarbeitete, ausgereiftere Fahrzeuge die kalifornischen Stromer vom Thron stoßen werden, ist das ein sinnvoller Schachzug.

  • Naja...



    "Vogel befreit" oder Pandoras Schachtel herunter gefallen.



    Ist die Schachtel noch heil?

  • Es ist ein erschreckender Trend in den USA, wieviele wichtige Medien da nacheinander von den Tech-Bros aufgekauft werden.

  • ♪ "Ich mach mir die Welt, so wie sie mir gefällt" ♪



    Unter Pipi Langstrumpf mag das noch lustig gewesen sein, aber unter Elon Mask halte ich es für Brandgefährlich, die größte Informations- und Meinungsplattform der Welt in die Hand des reichsten Mannes der Welt zu legen.

  • Man sollte sich nicht täuschen lassen.

    Elon Musk arbeitet seit Jahren daran, Einfluss über monopolartige Anteile an Infrastruktur zu erlangen. dazu gehören Spaxe-X und Starlink genauso wie Twitter.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Sonntagssegler:

      Twitter ist Infrastruktur? 🎈🎅🎃