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Russische KriegsflüchtlingeLieber ins Exil als an die Front

Gastkommentar von Fjodor Krascheninnikow

Jeder Mann, der Russland verlässt, ist ein Soldat weniger im Krieg gegen die Ukraine. Europa muss sich für die Kriegsdienstverweigerer stark machen.

Keiner soll mehr durchkommen: Die für russische Flüchtende geschlossene Grenze nach Polen Foto: Adam Warzawa/dpa

D ie westlichen Länder geben riesige Summen für Militärhilfe an die Ukraine aus – und das zu Recht. Leider kann Putin nur auf dem Schlachtfeld besiegt werden, und es gibt keinen anderen Weg, wenn sich der ganze Albtraum in einigen Jahren nicht an einem anderen Ort wiederholen soll. Jetzt wurde die Mobilisierung in Russland ausgerufen, denn Putin hat zwar ausreichend Rüstung und Munition für einen langen Krieg, aber nicht genug Soldaten.

Die reguläre Armee hat bereits schwere Verluste erlitten, und die Rekrutierungskampagne für Freiwillige brachte nicht viel. Putin braucht nicht Tausende, sondern Zehn- oder gar Hunderttausende neuer Soldaten. Die Schwachstelle Putins ist eindeutig das Personal. Je weniger Soldaten an der Front sind, desto geringer ist der Druck auf die ukrainische Armee. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass russische Männer bei jedem Versuch, der Mobilisierung aus dem Weg zu gehen, unterstützt werden müssen.

Fjodor Krascheninnikow

ist 1976 in Almaty geboren, oppositioneller russischer Publizist und Politologe. Nach seiner zweiten Verurteilung wegen „Beleidigung der Staatsgewalt“ 2020 verließ er Russland und lebt jetzt in Litauen.

Deserteuren, Überläufern und Kapitulierenden jetzt zu helfen ist nicht weniger wichtig, als Waffen an die Ukraine zu liefern. In einer solchen Situation sollte man die Grenzen zu Russland offen halten für alle, die nicht in Putins Krieg ziehen wollen. Schließlich ist jeder Mann, der Russland verlässt, ein Soldat weniger an der Front. Man kann die Ängste der an Russland angrenzenden Länder verstehen.

Junge Männer fliehen vor der Mobilisierung, und ihre Konzentration in Polen, Lettland, Estland und Finnland kann die örtlichen Gemeinschaften verängstigen. Aber es ist möglich, die Durchreise dieser Männer in südeuropäische Länder oder in Länder außerhalb der EU zu organisieren, die bereit sind, sie aufzunehmen. Nicht alle, die ausgereist sind oder jetzt ausreisen, wollen Russland für immer verlassen.

Ihr Ziel ist es, die Mobilisierung und den Krieg zu überleben, ohne ein Krimineller, ein Krüppel oder eine Leiche zu werden. Die westeuropäischen Staaten sollen ihren Einfluss geltend machen, um das verfehlte Visumverbot aufzuheben.

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20 Kommentare

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  • Humanitäre Visa für Deserteure, die aus dem Kriegsgeschehen fliehen sind eine gute Idee. Sehr schräg finde ich, sie quasi als Kriegsinstrument, ähnlich Waffenlieferungen einzustufen und nur Deserteuren feindlicher Armeen anzubieten. Kriegsdienstverweigerung und die Aufnahme von Deserteuren, die andernfalls staatliche Verfolgung erleiden gehören zu den universalen Menschenrechten, diese Rechte haben alle Menschen und man hat sie festgechrieben, um genau das zu verhindern: dass Menschen nach selektiven Interessen oder Ideologien ausgewählt und menschlich und die anderen, die nicht ausgewählten, unmenschlich behandelt werden.

  • Dass Ersatzgestellungen für gefallene, verletzte, demoralisierte oder erschöpfte Soldaten durch die nachrückenden Reservist:innen aus der Kreml-Sicht nötig sind, wundert nicht. Das Leben des Einzelnen ist in der Armee eine Zahl. Schon zu Friedenszeiten gab es Probleme mit "friendly fire" - bis hin zu Abschüssen von Fluggeräten, wie offenbar auch in diesem Krieg.



    //



    www.derstandard.de...laenger-schweigen/

  • Nicht jeder Syrer ist automatisch ein Gegner Assads oder irgendwelcher Islamistenbanden, trotzdem wurden und werden Syrer massenhaft in der EU aufgenommen, damit sie nicht zum Kriegsdienst gezwungen werden können.



    Mir scheint, die EU mißt in Bezug auf russische Bürger mit zweierlei Maß.

  • Bereits die ersten Tage der Aushebungspraxis zeigen:



    "Teilmobilmachung" ist einfach ein putinscher Euphemismus, wie "Spezialoperation". Es handelt sich um eine Generalmobilmachung, deren Zielziffer vermutlich deutlich höher ist als die öffentlich verlautbarten 300.000. Die Novaya gazeta spricht mit verweis auf Informanten aus der Präsidentenadministration von 1,2 Mio.



    Um diese Zahlen zu "liefern", mobilisieren die Wehrämter jeden, der nicht bei drei auf dem Baum ist. Die Einberufenen werden schnellstmöglich an die Front geschickt. 1000 mobiliserte Männer aus dem Lipeker Gebiet befinden sich z.B. laut Aussage von Angehörigen seit gestern auf dem Weg in die Ukraine.



    Der einzige Weg, sich dem zu entziehen ist es, das Vorladungsschreiben nicht entgegenzunehmen bzw. Vorladungen ins Wehramt nicht zu folgen. D.h. untertauchen, kündigen, sich krank melden, bei Verwandten/Freunden untertauchen, ins Ausland gehen. Oder hohe Bestechungssummen zahlen, wenn man das Geld hat.



    Das jemand der Vorladung folgt, im Wehramt seinen Einberufungsbefehl ausgehändigt bekommt und sich mit diesem dokumentarischen Beweis die Grenze überschreiten oder sich in ein Flugzeug setzen kann, um Asyl zu beantragen, ist völlig utopisch.



    Die deutsche Aussage, man werde Deserteure aufnehmen, ist deshalb bigott, und kostet nicht viel. Selbst eine liberale Visumspraxis der EU würde nicht viel ändern, 90% aller Russen haben überhaupt keinen Reisepass.



    Die meisten der bislang etwa 250.000 Ausgereisten (Zahlen des FSB) sind nach Georgien und Kasachstan gegangen.



    Georgien will gerüchtehalber seine Grenze heute schließen, Kasachstan (bislang) nicht, dort werden Männer aber bereits von den russischen Grenzern zurückgewiesen. Wahrscheinlich macht Russland selbst in Kürze seine Grenzen zu.



    Die wenigen Männer, die es raus schaffen, müssten vorbehaltlos aufgenommen werden, einziges Kriterium: Männlich, zwischen 18 und 60. Ich fürchte, dass wird in der EU nicht durchsetzbar sein.

  • Typisch deutsch wäre es, wenn es am Ende mehr Hilfsbereitschaft für russische Kriegsdienstverweigerer gäbe als für geflüchtete Ukrainer...

    • @Suryo:

      Wie stellen sie sich denn das vor ?



      Geflüchtete Ukrainerinnen (sind meist Frauen) erhalten H4 bzw Bürgergeld und dürfen sofort arbeiten. Mehr Hilfe geht doch wohl kaum ?

      • @Dschou:

        Ich meine das eher moralisch-politisch.

  • Finnland schließt bereits die Grenzen, wodurch die "Fahnenflucht" der betroffenen russischen Männer erschwert wird. Offenbar sind Russen als Krieger gegen eigenen Willen in der Ukraine für Finnland und andere EU-Staaten noch immer mehr willkommen als als Geflüchtete!

    • @PolitDiscussion:

      Nö, es geht schlicht darum, keine verdeckten Agents provocateurs einreisen zu lassen. Und bei der Menge ist das schlicht nicht ordentlich machbar.



      Putin weiss immer wieder die Naivität zu nutzen, wie sie von Ihnen demonstriert wird.

  • Jeder Kriegsdienstverweigerung sollte aufgenommen werden, ohne Ausnahme und völlig unabhängig davon, aus welchem Land er kommt. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht.

  • "Lieber ins Exil als an die Front"-?-



    Nachweislich sollen Ukrainer ähnliches denken wenn man sie auf ihre Kriegswilligkeit hin anspricht.



    taz.de/Kriegsdiens...-Ukraine/!5881494/

    • @Lästige Latte:

      Nachweislich haben die ukrainischen Streitkräfte weitaus weniger Probleme mit der Kampfmoral als die russischen - denn sie wissen, wofür sie kämpfen.

      Sie wissen das natürlich auch, aber sie können es einfach nicht lassen, die Ukraine zu verunglimpfen, in dem Sie sie als "auch nicht besser als Russland" darstellen. Was schlicht nicht stimmt, die Ukraine ist sehr viel besser als Russland.

      • @Suryo:

        Also haben Sie den Artikel der Taz-Autorin "Peggy Lohse" überhaupt nicht gelesen?-Anders kann ich mir Ihre Antwort nicht erklären. (?)



        Ich habe gar nicht die Absicht, irgend jemanden zu "verunglimpfen", wieso sollte ich so etwas wollen. Die Leidtragenden auf beiden Seiten erwecken nunmal mein Mitgefühl. Ich veröffentliche in meinen "Kommentaren" nunmal exemplarische Berichtsausschnitte die einen nachdenklich machen können. Weil ich mich nicht blindlings auf nur einen Seite einschwören möchte.

        • @Lästige Latte:

          Bislang ist offenkundig noch kein Ukrainer auf die Idee gekommen, in einem Einberufungszentrum um sich zu schießen. Und Szenen wie aus Dagestan sind aus der Ukraine auch nicht bekannt. Überhaupt gab und gibt es in der Ukraine keine Proteste gegen die Einberufung - anders als in Russland.

          Und das ist ja auch logisch. Die Russen werden schließlich sinnlos von einem blutgierigen Faschisten für seine Großmachtträume verheizt. Die Ukrainer kämpfen um ihre Freiheit und ihr Leben.

          • @Suryo:

            -?-Überhaupt gab und gibt es in der Ukraine keine Proteste gegen die Einberufung-?-



            Warum dann weiß zB Taz-Journalistin Peggy Lohse folgendes zu berichten: "Wer nicht kämpfen will, gilt in der Ukraine dieser Tage als Persona non grata. Kriegsdienstverweigerung ist eine Straftat. Es gibt eine Online-Petition, in der sich ein Rechtsanwalt gegen die aktuelle Praxis der Mobilisierung aussprach: Innerhalb weniger Tage wurde sie 27.000 Mal unterzeichnet." usw. usf.

            • @Lästige Latte:

              Ganz andere Größenordnungen als in Russland, wo das Regime dem Volk bislang vorgegaukelt hatte, das man vom Krieg nicht tangiert werden würde.

              Auf die Frage der Motivation und Moral gehen Sie nicht ein, weil Sie die Antwort kennen. Welche Motivation zum



              Kampf außer Angst vor Strafe, Sold und Beute aus Plünderungen hat denn ein russischer Soldat? Welche Motivation hat so gut wie jeder Ukrainer, Soldat oder Zivilist?

              • @Suryo:

                Es ging mir doch hier nur darum, das "Überhaupt keine " nicht so ohne weiteres schlucken zu wollen. Das mit der "ganz anderen Größenordnung" mag ja sein.

      • @Suryo:

        "Nachweislich" - da bin ich mir nicht so sicher.

  • Wem in Russland Haft oder Schlimmeres drohen, weil er an Putins Vernichtungskrieg nicht teilnehmen will, kann in der EU Asyl beantragen. So sieht es das Völkerrecht vor, und so sollte die EU verfahren. Das heißt aber nicht, dass sämtliche russischen Männer im wehrfähigen Alter, die einen EU Staat betreten, automatisch ein Willkommensvisum bekommen sollten. Einzelfallprüfung ist ratsam, weil nicht jeder wehrfähige junge Russe automatisch auch ein Gegner des Putinfaschismus oder Anhänger der Demokratie ist.