G7-Gipfel in Elmau: Protest und Polizei wappnen sich

Vor dem G7-Gipfel in Elmau warnt Innenministerin Nancy Faeser vor „gewaltbereiten Chaoten“. Der Gegenprotest hofft dagegen auf bunte Demonstrationen.

Zwei Polizistinnen reiten an einem Hubschrauber der Bundespolizei vorbei

Ob mit Pferden oder im Helikopter: Die Polizei wird beim G7-Gipfel omnipräsent sein Foto: Angelika Warmuth/dpa

BERLIN taz | Tausende gegen globale Ungerechtigkeit und Klimakrise – so erhoffen es sich Ak­ti­vis­t:in­nen für den Samstag in München. „Mit einem großen, bunten Demonstrationszug durch die Münchner Innenstadt fordern wir eine gerechtere G7-Politik“, erklärt am Montag Uwe Hiksch von den Naturfreunden, der den Protest angemeldet hat. Unterstützt wird er von einem Bündnis aus 15 verschiedenen Gruppen und Verbänden, darunter die Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ke­r:in­nen von Attac, die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor sowie die Umweltgruppen Greenpeace und der BUND.

Sie wollen das Vorwort zum G7-Gipfel sprechen: Am Sonntag treffen sich die Staats- oder Regierungschefs der „Gruppe der Sieben“ im Luxushotel Schloss Elmau, 100 Kilometer südlich von München – am selben Ort wie schon vor sieben Jahren, als Deutschland das letzte Mal G7-Gastgeber war.

Umweltschützer Hiksch hofft auf eine breite Teilnahme am Protest in München, auch „mit Kinderwagen oder Rollator“. Der harte Kern der verschiedenen Bewegungen wird aber auch die Reise ins kleine Elmau antreten. Oder besser: so nah ran an Elmau wie möglich, also ins nahegelegene Garmisch-Partenkirchen. Dort richten Protestgruppen ab Donnerstag ein Camp unter dem Motto „Stop G7“ aus.

Das Gebiet ist schon jetzt eine Hochsicherheitszone. Seit Sonntag ist ein 16 Kilometer langer Zaun um das Hotel geschlossen, ein Zugang nur noch mit Akkreditierung möglich. Bereits seit einer Woche sind auch punktuelle Grenzkontrollen wieder eingeführt, um laut Sicherheitsbehörden „potenzielle Gewalttäter“ aufzuspüren. Und in Garmisch-Partenkirchen ist bereits aus Containern ein Gefangenenlager mit 150 Plätzen errichtet. 18.000 Polizeikräfte sollen den Gipfel schützen.

Faeser lobt „herausragende“ Vorbereitung der Polizei

Am Montag machte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor Ort ein Bild von der Lage, beide besuchten eine Lagebesprechung. Faeser lobte anschließend die „herausragende“ Vorbereitung der Polizei, eine „Meisterleistung der Sicherheitsarchitektur“.

Am Wochenende wurde es indes bereits heikel. Auf dem linken Onlineportal Indymedia tauchten interne Polizeidokumente vom G7-Gipfel 2015 auf – Sicherheitsbehörden bestätigten die Authentizität. Wer hinter dem Leak steckt, ist bisher unbekannt. Für die Polizei kommt es aber zur Unzeit, denn ihre Taktik dürfte diesmal ähnlich wie 2015 sein.

In den Dokumenten wurden vorgesehene Zahlen der Polizeikräfte benannt, auch Namen der Einsatzführer samt Handynummern oder Funkkanäle. Aufgeführt wurde, wie Sperrzonen vor allem rund um das Tagungshotel mit „lückenloser Kontrolle“ gesichert werden sollten. Oder mit welchem Erkennungswort sich Zivilkräfte auszuweisen hatten („Zauneidechse“) oder auf einen Anschlagsfall reagiert würde („Schneesturm“). Die Polizeikräfte wurden angewiesen, kommunikativ und „deeskalativ“ aufzutreten. Denn: Es werde eine „nahezu allgegenwärtige Dokumentation polizeilicher Maßnahmen“ durch Medien und private Handyvideos geben.

Gewarnt wurde in den Unterlagen dagegen vor dem Gegenprotest. Möglich seien Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, Blockaden von Zufahrtswegen, Störungen von Veranstaltungen und „gewaltsamen Auseinandersetzungen von Demonstranten mit der Polizei“. Gewaltbereite Störer sollten deshalb „frühzeitig identifiziert“ und Gewahrsamnahmen für sie geprüft werden. Gesucht werden sollte auch nach Erd- und Baumdepots, selbst der Umgang mit Protestclowns wurde thematisiert.

Die Schreckensszenarien von 2015 lösten sich am Ende in Luft auf: Die Teilnehmerzahlen an den damaligen Protesten blieben überschaubar. Bis auf eine kurze Straßenblockade blieb alles im angemeldeten Rahmen.

Herrmann und Faeser reagierten gelassen auf die geleakten Polizeidokumente. Der CSU-Mann erklärte, die Polizei werde diesmal sicher vieles ähnlich wie 2015 machen – „aber auch vieles anders“. Auch Faeser betonte, der Leak habe „keinen Einfluss“ auf den aktuellen Einsatz.

Nur 50 Protestierer dürfen in Sichtweite des Hotels

Herrmann hatte zuletzt jedoch bereits erneut vor „gewaltbereiten Chaoten“ beim Gegenprotest gewarnt. Und auch Faeser betonte am Montag, der Gipfel müsse gewaltfrei ablaufen. „Das Demonstrationsrecht hat Grenzen“, warnte sie. „Bei Gewalt werden wir sehr konsequent einschreiten.“ Eine konkrete Gefährdungslage gebe es zwar bisher nicht, aber die Protestmobilisierung in der linken Szene steige, so Faeser. „Wir sind auf jedes Szenario eingestellt und habe gewaltbereite Chaoten und Linksextremisten im Blick.“

Bisher allerdings sind Krawalle nicht in Sicht, die Mobilisierung zu Gegenprotesten bleibt überschaubar. Streit gibt es noch über die Demonstrationen rund um das Tagungshotel. Am Sonntag wollen Gipfelgegner mit rund 1.000 Teilnehmenden in Garmisch-Partenkirchen protestieren. Tags darauf soll ein Sternmarsch zum Hotel führen. Laut dem Stop-G7-Bündnis sollen die Ak­ti­vis­t:in­nen aber nicht bis zum Tagungsort vorgelassen werden. Nur eine 50-köpfige Delegation solle für eine halbe Stunde in Hör- und Sichtweite protestieren dürfen – und nur nach Vorlage der Personalien in Polizeibussen dorthin gelangen.

Das Stop-G7-Bündnis nennt das „eine unglaubliche Beschneidung unserer Versammlungsfreiheit“. Man werde „wie Schwer­ver­bre­che­r:in­nen in Polizeiwägen“ vorgefahren. Dennoch beuge man sich, um Auftritte internationaler Red­ne­r:in­nen auf der Kundgebung zu ermöglichen. Der zuständige Landkreis äußert sich bisher nicht zu den Protestauflagen, weil die Gespräche mit den Ver­an­stal­te­r:in­nen noch liefen.

Auch das Protestcamp hing lange in der Schwebe, bevor es vergangene Woche nach einem dreimonatigen Verfahren für 750 Teilnehmende genehmigt wurde. Das Camp gehöre für die Ak­ti­vis­t:in­nen zur freien Meinungsäußerung dazu, sagte Elisabeth Koch (CSU), Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen. „Das respektieren wir.“

Gipfelprotest fokussiert ökologische Fragen

Inhaltlich hat sich der Gipfelprotest in den vergangenen Jahrzehnten erweitert. Während es früher vor allem um die sozialen Folgen der globalisierten Weltwirtschaft ging, stehen jetzt auch die ökologischen Folgen im Fokus. „Die G7-Staaten haben die historische Verantwortung für die Klimakrise“, heißt es im Aufruf von „Stop G7“.

Hauptleidtragende seien aber die Menschen im Globalen Süden, denen bei Entscheidungen der G7 „die Stimme geraubt“ werde. Die Ak­ti­vis­t:in­nen fordern einen Schuldentausch: Die finanziellen Schulden der armen Länder gegen die ökologischen Schulden der reichen. Die Konsequenz: „Verarmten Ländern müssen ihre Schulden erlassen werden, damit sie ihre fossilen Rohstoffe im Boden lassen und ihre Transformation zur Nachhaltigkeit finanzieren können“, so der Aufruf.

Auch Fridays for Future Deutschland unterstützt diese Forderung und will den Freitags-Klimastreik diese Woche unter dem Motto „Debt for Climate“ veranstalten, also „Schulden fürs Klima“. „Wer Frieden will, muss schneller raus aus fossilen Energien“, meint Greenpeace-Campaignerin Gianna Martini. „Daher sollten die G7-Staaten einen festen Zeitplan für den Ausstieg aus den Fossilen vorlegen: Bis 2030 raus aus Kohle und Verbrennungsmotoren, bis 2035 Schluss mit Gas – dies wäre ein starkes Signal für eine krisensichere Zukunft.“

Aber auch die für den Gipfelprotest typischen globalisierungskritischen Forderungen gibt es noch. „Die G7 setzt auf ein gescheitertes Wachstumsmodell, das sie dem Rest der Welt aufzwingen. Die Folge ist soziale Spaltung – weltweit“, kritisiert Roland Süß von Attac Deutschland. „Um die multiplen Krisen global zu lösen, brauchen wir einen Multilateralismus jenseits nationalstaatlicher Logik, der dem Globalen Süden entscheidenden Einfluss gibt.“

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