Überwachung von kurdischen Vereinen: Der unauffindbare Erlass
Daten über kurdische Vereine landen seit 1994 automatisch beim Verfassungsschutz. Den zugrundeliegenden Erlass findet das Innenministerium nicht mehr.
Der Vorgang beleuchtet ein bisher kaum bekanntes Sonderrecht für ausländische Vereine, deren Daten an mehreren Stationen gesammelt und weitergegeben werden.
Es beginnt auf lokaler Ebene. Seit den 1960er Jahren müssen Ausländervereine den Behörden Namen und Anschrift ihrer Vorstandsmitglieder sowie die Satzung mitteilen. Als Ausländerverein gilt ein Verein, wenn er überwiegend ausländische Mitglieder hat. Vereine mit Mitgliedern aus EU-Staaten gelten nicht als Ausländervereine.
Ebenfalls seit den 1960er Jahren geben die örtlichen Behörden all diese Daten an das Bundesverwaltungsamt in Köln weiter. Dort entstand so über Jahrzehnte vermutlich ein „Ausländervereinsregister“ mit derzeit rund 14.700 Einträgen. Geregelt ist das in der Durchführungsverordnung zum Vereinsgesetz von 1966.
Papierakten, die sich nicht digital durchsuchen lassen
Der Nutzen dieses Ausländervereinsregisters ist allerdings beschränkt. Es besteht auch heute noch im Wesentlichen aus Papierakten. Es kann deshalb zum Beispiel nicht digital nach bestimmten Namen durchsucht werden. Die Linke hatte 2020 beantragt, die „Diskriminierung von Migrantenorganisationen“ zu beenden. Doch der Antrag wurde im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD abgelehnt.
Erst seit Kurzem ist bekannt, dass die Daten aller kurdischen Vereine seit 1994 vom Bundesverwaltungsamt sofort an das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) weitergegeben werden.
Allein in den vergangenen drei Jahren wurden Daten zu 209 kurdischen Vereinen übermittelt. Der damalige parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), erklärte dies 2019 für „unverzichtbar“, um Tarnvereine der seit 1993 in Deutschland verbotenen militanten kurdischen Arbeiterpartei PKK zu entdecken.
Zugrundeliegender Erlass ist verschwunden
Die Bundesregierung spricht von „Spontanübermittlungen“. Tatsächlich beruht dieses Vorgehen jedoch auf einem Erlass des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 1994. Allerdings: „Der erfragte Erlass aus dem Jahr 1994 ist leider derzeit nicht auffindbar“, schrieb Innenstaatssekretär Mahmut Özdemir (SPD) vorige Woche an die Linken-Abgeordnete Akbulut.
Auch die gesetzlichen Grundlagen, die Özdemir angibt, passen nicht. So dürfen laut Gesetz Informationen ans BfV übermittelt werden, die verfassungsfeindliche Bestrebungen „erkennen lassen“. Dass ein Verein kurdisch ist, lässt derartiges aber gerade nicht erkennen. Akbulut hält die Weitergabe für „rechtlich und politisch völlig inakzeptabel“.
Besonders heikel ist, dass Verfassungsschutz und BKA ihrerseits solche Daten wieder an mindestens einen ausländischen Nachrichtendienst weitergegeben haben, vermutlich an einen türkischen Dienst. Genaueres ist aber nicht bekannt. „Eine Freigabe durch den ausländischen Nachrichtendienst liegt nicht vor“, so die Bundesregierung im April.
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