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Ende von Russlands Europarat-MitarbeitDesaster für Putins Kritiker

Kommentar von Barbara Oertel

Der Europarat galt selbst im Tschetschenienkrieg als Gesprächskanal. Jetzt will sich Russland zurückziehen – auch aus der Menschenrechtskonvention.

Auch in Russland demonstrieren Menschen gegen die Invasion in der Ukraine Foto: Dimitri Lovetesky/ap

W ohl denen, die weiter auf Verhandlungen mit Russland setzen. Das Moskauer Außenministerium hat jetzt angekündigt, sich von den Sitzungen des Europarates zurückzuziehen und die Institution zum Jahresende ganz zu verlassen. Damit fühlt sich Moskau auch nicht mehr an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

Die Begründung ist hanebüchen. Russland könne die „subversiven Aktionen der unfreundlichen EU- und Nato-Staaten nicht mehr mittragen, die die Organisation sowie den gemeinsamen humanitären und rechtlichen Raum zerstören“, heißt es in der Erklärung.

Aber hat der Europarat Russland nicht gerade erst die Vertretungsrechte im Ministerrat und der Parlamentarischen Versammlung entzogen? Stimmt. Nur war das die einzig mögliche Reaktion auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, der schon jetzt viele Zi­vi­lis­t*in­nen das Leben gekostet und über zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat. Andernfalls hätte sich der „Hüter von Demokratie“ vollends lächerlich gemacht.

Dabei war der Geduldsfaden des Europarates lang. 1996, noch während des ersten Tschetschenienkrieges, wurde Russland aufgenommen. Be­für­wor­te­r*in­nen argumentierten, über die Straßburger Organisation könne man auf Russlands Entwicklung Einfluss nehmen und das Land einhegen. Von wegen. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Ausbruch des Krieges in der Ostukraine 2014 wurde Russland das Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung entzogen – eine Entscheidung, die 2019 wieder rückgängig gemacht wurde. Die Türen blieben offen.

Doch nun könnten sie bald ganz zu sein. Das ist ein Desaster – vor allem für Putin-kritische Rus­s*in­nen, deren Menschenrechte massiv verletzt werden. Ihnen wird der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte künftig versperrt sein. Dabei wäre diese Option gerade jetzt so wichtig, wo Wladimir Putin auch dem eigenen Volk den „Krieg“ erklärt hat. Derzeit häufen sich Berichte, der Geheimdienst FSB mache auch vor Jugendlichen nicht Halt, die den Ukrainekrieg infrage stellen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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12 Kommentare

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  • Es ist richtig, dass mit dem Ausscheiden Russlands den Russinnen und Russen der Weg zum ECHR verschlossen wird. Auf der anderen Seite ist dieser de Facto aber auch heute nur eine theoretische Option, da Russland längst aufgehört hat, die Urteile des ECHR umzusetzen. Wäre es anders, wäre Nawalyn e.a. längst wieder frei.



    Aber die Menschen verlieren ihre Menschenrechte ja nicht dadurch, da sie mit ihnen geboren werden und nicht davon abhängen, dass man sie ihnen gewährt. Ob sie diese durchsetzen können hängt davon ab, ob der Staat sie respektiert. Und das tut Russland schon seit geraumer Zeit nicht mehr.

  • Ja, es wäre gut, wenn Russ*innen ihre Menschenrechte über den EGMR durchsetzen könnten –aber in den letzten Jahren hat Russland ja schon oft genug ein Urteil abgelehnt und nichts hat sich geändert, Selensky als prominentestes Beispiel.

  • Seltsame Überschrift. Putins Vasallen arbeiten auf allen Ebenen. Was ist da verwunderlich? Und Ukraine und Tschetschenien kann man ja nicht ansatzweise vergleichen. Das Leiden ist unermesslich.

  • Die Mitgliedschaft im Europarat ist mit dem Anerkennen der Befugnisse des EGMR verknüft. Natürlich kann Russland angesichts seiner Verbrechen in der Ukraine nicht Mitglied des ER bleiben, ansonsten könnte die gesamte Führungsclique um Putin zur Verantwortung gezogen werden.

  • Da Russland über Atomwaffen verfügt bleibt uns angesichts des Ukrainekriegs nur die komplette Abschottung gegenüber Russland. Der Krieg wird noch Millionen Tote fordern, die Ukraine wird so aussehen wie Tschetschenien oder Syrien. Deshalb muss Russland komplett isoliert werden und Europa muss ein militärisches Gegengewicht werden. Es wird lange dauern, das Verhältnis wieder zu verbessern, aber solange Putin an der Macht ist, kann es nur einen Weg geben, komplette Abschottung Russlands, KEIN Handel, wirtschaftliche Totalblockade.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich bin mir nicht sicher, ob Maximalforderungen ein guter Weg aus der gegenwärtigen Krise sind; eine "Totalblockade" Russlands wird es ohnehin nicht geben, bestenfalls eine westliche - und ein Russlands, das sich außenpolitisch ganz und gar nach Osten orientiert, ist nicht unbedingt vorteilhaft für uns. Auch wenn ein Teil der deutschen Öffentlichkeit das nicht hören will: es wird nötig sein, möglichst rasch wieder mit dem Kreml ins Gespräch zu kommen. Die moralischen Vorbehalte dagegen finde ich nicht glaubwürdig: wir haben sonst gute Beziehungen zu etlichen Staaten, deren moralische und völkerrechtliche Bilanz zu wünschen übrig lässt (einige davon sind sogar in der Nato...). Wieso also ausgerechnet im Umgang mit Russland kein Pragmatismus möglich sein sollte, leuchtet mir nicht ein.