Romantik am Valentinstag: Revolutionäres Potenzial der Liebe

Linken Queers fällt es schwer, sich unironisch positiv zu romantischer Liebe zu verhalten. Dabei ist queere Liebe immer widerständig.

viele Luftballons in Herzform

Am 14. Februar ist Valentinstag Foto: Faisal Mahmood/reuters

Für mich war der Valentinstag immer der schlimmste aller kommerziellen Feiertage. Der 14. Februar steht für mich für heteronormativen, kapitalistischen, pärchenzentrierten Kitsch. Das ist der Tag, an dem Ehemänner einen hässlichen Blumenstrauß und ein noch hässlicheres Stück Schmuck für ihre Frau kaufen, die sie das restliche Jahr über betrügen und ausbeuten. Auch jenseits von Hetero-Konstellationen verbinde ich den Tag mit Unbehagen. Pärchen-Content auf Social Media wird nicht cuter, weil er homo ist. So weit, so pessimistisch.

Wenn ich an der obersten Schicht meiner Abneigung lang genug kratze, löst sich der graue Film des Kapitalismus, der Hetero- und Paarnormativität wie bei einem Rubbellos. Was bleibt, ist Liebe. Auch sie löst im ersten Augenblick mein Abgrenzungsbedürfnis aus. Liebe, das ist so romantisch, so emo, irgendwie cringe. Obwohl als Kind mein größtes Idol Sailor Moon war, die Kriegerin für Liebe und Gerechtigkeit, bin ich in einer Welt aufgewachsen, in der wir für Gefühle bestraft werden. Nur eine kleine Bandbreite unserer Emotionen wird gesellschaftlich als angemessen erachtet, der Rest ist zu beseitigen, mit einem nassen Tuch wegzuwischen wie starkes Make-up, das uns zu Mädchen statt zu Menschen machen soll.

Weiblich codierte Eigenschaften nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu zelebrieren, hat eine queere, feministische Tradition, seit Jahrzehnten. Die Riot Grrrls taten es in den 1990ern und in den 2010ern gewann Lora Mathis mit dem Konzept der Radical Softness alle Herzen auf Tumblr für sich. So weit, so durchgekaut.

Liebe zuzulassen muss nicht heißen, die Hetero-Kleinfamilie abzufeiern, sie kann auch Freund_innenschaften oder eine Community ins Zentrum rücken. Über das revolutionäre Potenzial der Liebe hat bell hooks ausführlich geschrieben. Meine Freund_innen liebe ich über alles, ich feiere sie jeden Tag. Sie bedeuten mir die Welt. In einer hetero- und paarnormativen Gesellschaft mag das radikal erscheinen, in meinem queeren Umfeld ist das nicht weiter nennenswert.

Scham bei romantischen Beziehungen

Meine Scham kommt eher auf, wenn es um romantische Beziehungen geht. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie monogam sind oder nicht. Aus der Angst heraus, mich normativ zu verhalten, fällt es mir und vielen anderen linken Queers schwer, sich unironisch positiv auf romantische Beziehungen zu verhalten. Dabei spenden sie, wie auch Freund_innenschaften und politische Gemeinschaften, Kraft, Mut und Freude. In ihnen findet Fürsorge und Trost statt.

In einer Welt, in der Liebe und Sex nur dann etwas wert sind, wenn sie dem Erhalt unserer Arbeitsleistung oder der Fortpflanzung dienen, ist queere Liebe in jeder Form widerständig. Das Leben ist düster genug – besonders jetzt. Da habe ich keine Lust mehr, mich für die Dinge zu schämen, die meinem Leben Schönheit und Bedeutung verleihen. So weit, so kitschig.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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