Lauterbach, Drosten und Wieler: Durchseuchung ist zu riskant

Omikron breitet sich langsamer aus als erwartet. Das liege an den Beschränkungen, und Lockerungen seien falsch, sagen die Experten.

Karl Lauterbach in der bundespressekonferenz. Er macht ein zeichen mit seiner Hand

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach während einer Pressekonferenz am Freitag Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler und der Chef-Virologe der Berliner Charité Christian Drosten warnen vor stark ansteigenden Infektionszahlen. Die Omikron-Variante sei schon jetzt vorherrschend und breite sich noch weiter aus – wenn auch langsamer als erwartet.

Die „Wand“, ein nahezu senkrechter Anstieg, wie er in anderen Ländern beobachtbar war, sei bisher ausgeblieben durch die Maßnahmen wie 2G im Handel und Kontaktbegrenzungen im privaten Umfeld, bekräftigte Lauterbach. Die Experten äußerten sich kritisch zur These, dass aufgrund des eher milden Verlaufs von Omikron-Infektionen eine Durchseuchung der Bevölkerung nicht gefährlich sei.

Problematisch sei, dass etwa drei Millionen der über 60-Jährigen noch nicht geimpft seien und noch keine Infektion hatten, sagte Drosten, „das ist die gefährdete Gruppe“. Das sei bei der Diskussion einer Durchseuchung zu berücksichtigen. Da nicht „alle paar Monate die gesamte Bevölkerung“ nachgeimpft werden könne, um einen Gemeinschaftsschutz zu erhalten, müsse das „Virus selbst die Immunität updaten“. Das sei eine „generelle Weisheit in der Infektionsepidemiologie.“ Aktuell laute die Frage aber: „Können wir das in Deutschland schon tun?“ Das könne kaum jemand voraussagen, die Impflücke sei das größte Hindernis dabei, sagte der Virologe.

Aktuell seien rund 800.000 Menschen aktiv erkrankt, erklärte RKI-Chef Wieler. Und das seien nur die bekannten Fälle. Die Gesundheitsämter seien „so belastet, dass sie nicht mehr alle Kontaktpersonen identifizieren oder Daten nachrecherchieren können.“ Trotz Meldeverzug würden sie die Infektionslage aber gut abbilden.

Corona-Infektionen auf Höchststand

Erstmals lag am Freitag die Zahl der Neuinfektionen bei mehr als 90.000. Auch die Zahl der Todesfälle würde zukünftig wieder ansteigen, prognostizierte Wieler. Damit möglichst wenige Menschen sterben, sei vor allem relevant, wie viele schwer erkrankten. Dabei spiele die Impfung weiterhin eine große Rolle.

Obwohl sich auch Geimpfte mit Omikron infizieren, verhindere die Impfung einen schweren Verlauf, sagte Drosten. Das erklärte der Virologe ausführlich anhand einer Analogie. Deswegen sei es auch weiterhin wichtig, dass sich bisher Ungeimpfte umentschieden.

Wieler erklärte jedoch auch, dass er nicht glaube, dass sich, wer es jetzt noch nicht getan habe, doch impfen lassen würde. Aber: „Je mehr Menschen geimpft sind, desto besser kommen wir, unser Land, durch die Pandemie.“ Er glaube, dass eine Impfpflicht die Impfquote noch weiter erhöhen könne und damit auch Tote verhindert werden könnten. Auch Lauterbach sprach sich erneut für eine Impfpflicht aus.

Totimpfstoff im Februar

Der Totimpfstoff Novavax soll ab dem 21. Februar verfügbar sein, kündigte Lauterbach an. 1,75 Millionen Dosen könne der Hersteller nach eigenen Angaben dann liefern. Drosten gab zudem an, er rechne im zweiten Quartal des Jahres mit einem Impfstoff, der an Omikron angepasst sei.

Es sei vorerst nicht mit Lockerungen zu rechnen, sagte Lauterbach. Er verwies aber auf die neuen Quarantäneregeln für Corona-Infizierte und Kontaktpersonen, die nun in Kraft treten können. Der Bundesrat hatte zuvor am Freitag einstimmig eine Verordnung gebilligt, die dafür einen rechtlichen Rahmen schafft. Sie war erst am Donnerstagabend vom Bundestag beschlossen worden.

Die neuen Regeln sehen vor, dass sich dreifach geimpfte Kontaktpersonen von Corona-Infizierten nicht mehr in Quarantäne begeben müssen. Das gilt auch für frisch doppelt Geimpfte oder frisch Genesene. Außerdem werden kürzere Quarantänezeiten im Fall von Infektionen ermöglicht, um bei stark steigenden Infektionszahlen den personellen Zusammenbruch wichtiger Versorgungsbereiche zu verhindern. Künftig können sich Infizierte oder Kontaktpersonen, die die Vorgaben für eine Quarantäne-Befreiung nicht erfüllen, nach sieben Tagen durch einen PCR-Test oder einen zertifizierten Antigen-Schnelltest freitesten lassen.

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