Nach Räumung des Bahnhofswald Flensburg: Rechnungen für Ak­ti­vis­t*in­nen

Nach der Räumung des Flensburger Bahnhofwaldes schickt die Polizei nun Rechnungen an Kli­ma­akt­vis­t*in­nen. Sie sollen für den Einsatz zahlen.

Ein Aktivist sitzt im Wald auf einem Seil zwischen Bäumen

Wollte die Rodung verhindern: ein Aktivist bei der Räumung im Februar Foto: Benjamin Nolte/dpa

FLENSBURG taz | Mit einem Großeinsatz beendete die Polizei Anfang des Jahres die Besetzung einiger Bäume im Flensburger Bahnhofswald. Nun erhielten einige der Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen Rechnungen für den Einsatz. „Leute werden festgenommen und sollen für diese,Dienstleistung’ auch noch zahlen“, sagt Armina Hansen, eine Sprecherin der Gruppe. „Unserer Kenntnis nach ist dies einer der ersten Versuche in Schleswig-Holstein, Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen einen solchen Einsatz der Polizei in Rechnung zu stellen.“

Sieben Personen seien betroffen, berichtet Hansen. Sie erhielten Rechnungen von der Polizeidirektion Flensburg, in denen Posten wie „Arbeitseinsatz der Beamten, Zeit in Gewahrsam und der Weg dahin“ genau aufgeschlüsselt waren. Pro Person gehe es um rund 200 Euro, und zwar unabhängig davon, ob das Verhalten bei der Räumung als Straftat verurteilt wurde.

„Es ist eine Möglichkeit, ohne Rechtsmittel gegen Leute vorzugehen, von deren Verhalten die Polizei sich gestört fühlt“, sagt Hansen. Das könne einerseits politische Aktionen betreffen, andererseits Obdachlose, die sich am Bahnhof und anderen öffentlichen Orten aufhielten.

Tatsächlich spiele es keine Rolle, ob eine Straftat nachgewiesen werden konnte, erklärt Dirk Hundertmark, Sprecher des Innenministeriums Schleswig-Holstein. Bei einer Verurteilung nach dem Strafgesetzbuch werde die Frage aller Verfahrenskosten im Urteil berücksichtigt. Im Fall der Flensburger Baum-Aktion gehe es zunächst nur um die „amtliche Gewahrsamnahme“, deren Kosten in der Vollzugs- und Vollstreckungsordnung des Landes genannt sind: 63 Euro pro Polizei-Arbeitsstunde, 80 Cent pro gefahrenen Kilometer. „Die Kosten entstehen dann, wenn jemand vorsätzlich dafür sorgt, dass es zu diesem Gewahrsam kommt.“

Armina Hansen, Aktivistin

„Einige leben bewusst mit Schulden, damit solche Rechnungen sie nicht einschüchtern können“

Wenn also jemand in der Öffentlichkeit randaliert, von der Polizei aufgefordert wird zu gehen und dann abzieht, zahlt dieser nichts – wenn dagegen ein Einsatzkommando anrücken muss, wird’s teuer. Diese Regelung sei nicht neu, so Hundertmark. 2017 wurde die Verordnung angepasst und überarbeitet, habe sich dabei aber nicht grundlegend verändert.

In diesem Jahr gab es 169 Fälle der sogenannten „Störerhaftung“, also Rechnungen für Einsätze und Gewahrsam, „davon nur ein Bruchteil im Zusammenhang mit Demonstrationen“, so Hundertmark. Tatsächlich sei die Aktion in Flensburg über eine Demonstration im Rahmen des Versammlungsrechtes hinausgegangen: „Es gab eine Räumungsverfügung, der sich die Beteiligten widersetzt haben.“

Bei der Besetzung ging es um den Schutz eines Wäldchens, das für den Bau eines Hotels und Parkhauses gefällt werden sollte. Der Besitzer des Grundstücks rief die Polizei zur Hilfe, um die Fällung durchzusetzen. Er zahlt für den Einsatz nichts, doch das Hotel steht immer noch nicht: Zwar hatte privates Sicherheitspersonal einige Bäume mutwillig beschädigt, doch die komplette Rodung und damit auch den Bau konnte der BUND durch eine Klage zunächst verhindern.

Einige der sieben Flensburger Aktivist*innen, die Rechnungen erhalten haben, „leben bewusst mit Schulden, damit solche Rechnungen sie nicht einschüchtern können“, sagt Armina Hansen. Sie fürchtet aber, dass Proteste erschwert werden, wenn Ak­ti­vis­t*in­nen Angst vor Geldstrafen haben müssten. Daher ist die Gruppe nun dabei, die Strafen in möglichst vielen kleinen Beträgen abzuzahlen, um den Vorgang „für die Verwaltung nervig zu machen“.

Bisher haben schon 158 Ein­zel­spen­de­r*in­nen rund 64 Euro gezahlt. Alle Betroffenen hatten zuvor Rechtsmittel eingelegt, dadurch hatten sich die Kosten bei mehreren noch erhöht. Zwei Betroffene gehen weiter gegen die Forderung der Polizei vor.

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