Facebooks Zukunftspläne: Im Zweifel für den Profit
Facebook investiert zu wenig in die Sicherheit der Nutzer:innen. Extreme Inhalte und Hassreden werden nicht konsequent genug unterbunden.
D er Facebook-Konzern nennt sich neuerdings Meta und will mit einem Metaversum-Konzept die Basis dafür schaffen, dass die Menschheit eines Tages quasi in konzerneigenen Diensten lebt. Die Zukunftspläne von Facebook/Meta-Chef Mark Zuckerberg, dem virtuelle Welten für Arbeit und Freizeit vorschweben, sollen nach digitaler Revolution klingen. Tatsächlich aber wirken Zuckerbergs Ankündigungen wie verzweifelte Signale, die der Welt zeigen sollen, dass Facebook überhaupt eine Zukunft hat.
So will sich das Online-Netzwerk unter anderem auf Jüngere fokussieren. Als ob Snapchat- und Tiktok-sozialisierte Nutzer:innen auf einmal das Tool der Elterngeneration attraktiv finden würden, nur weil das mehr auf bildbetonte Inhalte setzt. Und also ob – Stichwort Metaversum – irgendjemand heute vorhersagen könnte, was internetmäßig das nächste große Ding sein wird. Nein – Zuckerbergs Botschaft richtete sich vor allem an die Investoren: Hey, mit uns ist noch zu rechnen.
Dass er es nötig hat, diese Botschaft zu senden, das erzählt einiges. Man scheint im Unternehmen sehr wohl wahrzunehmen, dass es in der öffentlichen Debatte für Facebook/Meta und mit seinen zum Konzern gehörenden Diensten Instagram und Whatsapp gerade nicht gut aussieht. Um nicht zu sagen: vermutlich so schlecht wie noch nie. Denn mit dem internen Material der Whistleblowerin Frances Haugen hat eine Veröffentlichungswelle begonnen, die absehbar noch einige Zeit andauern wird.
Schon jetzt hat sie den Ton gesetzt für die drei Kernprobleme, mit denen wir uns als Gesellschaft dringend auseinandersetzen müssen. Erstens: Die Dienste sind toxischer als bislang bekannt. Die Nutzung von Instagram kann der psychischen Gesundheit insbesondere junger Nutzer:innen schaden. Facebook selbst schafft es nicht, Inhalte wie Hassreden und Falschinformationen konsequent zu bekämpfen, was in einigen Ländern bereits zu Gewaltausbrüchen geführt hat.
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Umwelt und kümmert sich dort um Netzthemen. Sie hält es für eine der besonders problematischen Praktiken des Konzerns, dass Facebook auch Daten von Menschen sammelt, die selbst gar keine Facebook-Dienste nutzen.
Fake News lieber ignorieren
Zweitens: Der Konzern ist sich der Probleme bewusst – entscheidet sich aber lieber fürs Ignorieren als fürs Gegensteuern. Und das führt zu drittens: Profit geht vor – vor Ethik und Regeltreue, vor Gesundheit und gesellschaftlichem Frieden. Dieser Dreiklang und die daraus resultierende öffentliche Debatte ist es, die diese Veröffentlichungsserie von früheren Skandalen – etwa dem Datenschutz-Eklat um Cambridge Analytica – unterscheidet.
Der Konzern kann jetzt nicht von Einzelfällen sprechen, im Notfall Kleinigkeiten einräumen und sagen, man habe bereits daraus gelernt, Konsequenzen gezogen und all das Beanstandete würde künftig nie wieder vorkommen. Dazu sind die Vorwürfe zu viele, zu umfassend, zu tiefgreifend und zu präzise in der Beschreibung der Ignoranz, mit der der Konzern intern auf bekannte Problematiken reagiert.
„Ich habe immer wieder gesehen, wie Facebook damit umgeht, wenn es einen Konflikt zwischen Profit und Sicherheit gibt“, sagte Whistleblowerin Haugen bei ihrer Anhörung im US-Senat. „Facebook löst diese Konflikte regelmäßig zugunsten seines Profits.“ Zwar steht die Veröffentlichungswelle noch am Anfang, in den kommenden Wochen werden weitere Details erwartet. Doch schon jetzt passiert etwas: Strategien wie Zerschlagung oder Entflechtung sind plötzlich Teil der Debatte.
Dabei sind das sicher keine Maßnahmen, die übermorgen umgesetzt werden. Aber in dieser Debatte entsteht nach und nach ein Bild am Horizont: Schaut mal, das da hinten sind auch Möglichkeiten, wenn alles andere nichts hilft. Dabei ist nicht einmal gesagt, dass eine Zerschlagung sämtliche Probleme löst, es ist sogar recht wahrscheinlich, dass das nicht der Fall ist. Aber sie ist ein Druckmittel in einem Prozess, in dem die Kräfteverhältnisse zwischen IT-Konzernen, Nutzer:innen und Regulierern sehr ungleich verteilt sind.
Vergleich mit Rauchen
Der Zeitpunkt, die Macht von Facebook/Meta und anderen Digital-Giganten einzuschränken, ist noch aus einem anderen Grund günstig: Das erste von zwei zentralen Gesetzespaketen der EU-Kommission, die sich just mit der Macht der IT-Konzerne befassen, durchläuft gerade die Ausschüsse des EU-Parlaments, die Verhandlungen von Parlament und Ministerrat stehen noch bevor. Je mehr Druck aus der Öffentlichkeit kommt, desto einfacher wird es den Verhandlungsparteien fallen, harte Regeln festzuschreiben.
Whistleblowerin Haugen verglich die Nutzung von Facebook und Instagram mit dem Rauchen von Zigaretten. Der Vergleich funktioniert noch weitergehend: Auch die Tabakindustrie wusste intern schon lange sehr genau, wie schädlich ihre Produkte sind – und vertuschte es. Aus Profitinteresse. Dass Online-Plattformen im Vergleich zu Zigaretten mehr Nutzen haben, macht ihre Regulierung noch schwieriger – denn ein simples Verbot wäre kaum umsetzbar und wahrscheinlich auch nicht zielführend.
Psychologische Untersuchungen kommen etwa zu dem Schluss, dass die Kommunikation über Plattformen soziale Verbindungen stärkt, dass Nutzer:innen sich eingebundener fühlen. Doch solange die Plattform-Betreiber die positiven Effekte betonen, aber die negativen negieren und die Vorwürfe einfach zurückweisen, ist nicht zu erwarten, dass die Konzerne ihre Geschäftspolitik aus freien Stücken ändern werden.
Um so wichtiger ist es, das aktuelle Zeitfenster zu nutzen. Und es gibt sogar eine Alternative zum Zerschlagungs- oder Verbots-Szenario. Denn womöglich ist es sinnvoller, Facebook und Co zum Offenlegen ihrer Algorithmen zu zwingen. Und damit der Mechanismen, denen wir uns als Nutzer:innen unterwerfen. Es wäre ein Zug, der auch für alle anderen Plattform-Riesen gelten sollte: radikale Transparenz als Antidot.
Sollte tatsächlich eines Tages ein nennenswerter Teil der Menschheit seine Zeit im Metaversum eines Unternehmens verbringen, welches auch immer das dann sein wird, dann wäre diese Transparenz noch viel zentraler, als sie es heute bereits ist.
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