Kritik am UN-Menschenrechtsrat: Pyromanen als Feuerwehrleute

Der UN-Menschenrechtsrat bekommt Zuwachs. Darunter fünf Staaten, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Ein Mann mit Basecap und einem T-Shirt mit der Aufschrift: Stop Genocid on Cameroonians - bewacht von Polizisten

Protest in Genf vor der UN gegen die Anwesenheit des Präsidenten aus Kamerun im Juli 2021 Foto: Salvatore Di Nolfi/dpa

GENF taz | Das Ergebnis stand schon fest, bevor am Donnerstag um 10 Uhr New Yorker Zeit in der UN-Vollversammlung abgestimmt wurde. Denn für die 18 Sitze, die ab kommendem Jahr im Menschenrechtsrat zu besetzen sind, gab es genau 18 Kandidaten. Auf sie hatten sich die Regionalgruppen vorab geeinigt. Und so kommt es, dass ab dem kommenden Jahr unter anderem Eritrea, Kamerun, Kasachstan, Katar und Somalia über die Einhaltung der Menschenrechte weltweit wachen sollen.

Ein Skandal, findet Hillel Neuer, der die Vereinten Nationen für die Nichtregierungsorganisation UN Watch kritisch beobachtet. Denn die genannten fünf Länder verletzten die Menschenrechte ihrer eigenen Bürger auf systematische Weise und behinderten immer wieder Bemühungen der UN, Menschenrechte dort und anderswo zu schützen. Dies werden sie in den kommenden drei Jahren auch im Menschenrechtsrat tun, befürchtet Neuer. „Katar, Kamerun oder Kasachstan über Menschenrechte wachen zu lassen, das ist so, als ob man einen Pyromanen zum Feuerwehrchef ernennen würde.“

In Kamerun etwa herrscht Präsident Paul Biya in seiner siebten Amtszeit. Kritiker lässt sein Regime einem Bericht des US State Departments zufolge verschwinden, andere werden umgebracht, gefoltert oder eingekerkert. Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, freie Wahlen gar oder eine unabhängige Justiz gibt es nicht.

Das wiedergewählte Eritrea weigert sich, einen vom Menschenrechtsrat benannten Sonderberichterstatter ins Land zu lassen, der den Vorwürfen massiver Menschenrechtsverletzungen im Land am Horn von Afrika nachgehen soll. Resolutionen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien, Belarus, Venezuela oder dem Iran lehnte Eritrea ab.

Und in Kasachstan berichtet Amnesty International über systematische Folter, exzessive Gewalt und massive Einschränkungen der Pressefreiheit. Schwer vorstellbar, dass solche Staaten zur allgemeinen Achtung des Schutzes aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle beitragen, wie es in der Gründungsresolution von 2006 heißt.

Neue Ratsmitglieder sind unter anderen Eritrea, Kamerun, Kasachstan, Katar und Somalia

Und die Zahl der Autokratien im Menschenrechtsrat steigt stetig an, wie Hillel Neuer beklagt. Nur fünf der 18 neugewählten Staaten im Menschenrechtsrat bezeichnet er als geeignet für ihren Posten. Von den 47 Staaten, die insgesamt im Menschenrechtsrat sitzen – je ein Drittel wird jährlich neu bestimmt – sei nicht einmal jeder dritte eine Demokratie. Zu ihnen zählen Deutschland und ab 2022 auch wieder die USA, die das Gremium 2018 verlassen hatten – mit dem Argument, dass zu viele Menschenrechtsverletzer im Rat säßen. Die Regierung Biden hat angekündigt, den Wahlmechanismus verändern zu wollen.

Doch das dürfte schwierig werden. Bisher bestimmen die fünf grob nach Kontinenten sortierten Regionalgruppen ihre Kandidaten selber. Dabei werde von mächtigeren Staaten oft erheblicher Druck ausgeübt, beobachtet Olaf Wientzek von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Genf. „Selbst mächtige Staaten wie China nehmen den Menschenrechtsrat nämlich sehr ernst.“

An eine schnelle Veränderung des Wahlsystems glaubt Wientzek nicht. Um der UN-Vollversammlung eine echte Wahl zu ermöglichen, müsse erst die Basis geschaffen werden. Demokratische Staaten in allen Regionen müssten motiviert langfristig aufgebaut und mit den nötigen Ressourcen für die Arbeit im Menschenrechtsrat ausgestattet werden, so Wientzek. Nur so könne es gelingen, Autokratien im Menschenrechtsrat zurückzudrängen.

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