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Tod von Oury JallohVorauseilender Gehorsam

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD in Sachsen-Anhalt lehnt einen U-Ausschuss zum Tod von Oury Jalloh ab. Sie will die neue Regierung nicht gefährden – ein mieser Auftakt.

Zelle Nr. 5, Polizeirevier Dessau-Roßlau: hier starb Oury Jalloh im Jahr 2005 Foto: Peter Endig/dpa

D ie neue Koalition aus CDU, SPD und FDP ist in Magdeburg noch nicht im Amt. Doch die SPD führt sich vorauseilend genau so auf wie in der vergangenen Regierung mit CDU und den Grünen. Sie wiegelt ab und gibt bei Konflikten klein bei. Das war so, als die SPD erst gegen das Nein von CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff zur Erhöhung der Rundfunkgebühren rebellierte, um dann staatstragend beizudrehen.

Dieses Muster wiederholt sich jetzt beim Untersuchungsausschuss zu Oury Jalloh, der 2005 in einer Polizeizelle verbrannte. 2020 wollte die SPD diesen Ausschuss noch, jetzt ist der Mut verpufft. Es wird keinen U-Ausschuss geben. Dafür reichen die Stimmen von Linkspartei und Grünen nicht.

Die SPD rechtfertigt ihr Nein mit dem 300 Seiten starken unabhängigen Bericht, der vorigen Sommer veröffentlicht wurde. Nun sei ja klar, dass Jallohs Tod kein Polizeimord war. Glaubwürdig ist das nicht. Denn der Bericht war zwiespältig. Jalloh wäre demnach ohne den drastischen Rassismus der Polizei noch am Leben. Vor allem aber konnten die Verfasser des Berichts zentrale Figuren der Affäre in der Justiz nicht befragen. Genau das könnte ein Untersuchungsausschuss.

Es mag sein, dass ein solcher Ausschuss Oury Jallohs Tod nicht mehr aufklären würde. Aber das kann und darf nicht das alleinige Kriterium sein – besonders nicht in diesem Fall. Ein Unschuldiger ist in staatlichem Gewahrsam gestorben – und wir wissen bis heute nicht, wie. Denn es wurde lange vertuscht, gelogen und verzögert.

Gegen die eigene Haltung

Deshalb geht es jetzt umso mehr darum, alles Erdenkliche zu tun, um zu klären, was noch aufzuklären ist. Eigentlich weiß das auch die SPD in Magdeburg. Dass sie offenbar gegen ihre eigentliche Haltung in der Frage anders handelt, ist ein mieser Auftakt für die nächste Regierung.

Linkspartei und Grüne protestieren zu Recht gegen den Opportunismus der Regierungspartei SPD. Bei den Grünen klingt die Aufregung allerdings schal. Im Nachbarland Hessen haben sie mal einem Untersuchungsausschuss in Sachen NSU-Terror das Ja verweigert. Das Muster war das Gleiche: vorauseilender Gehorsam Richtung CDU.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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13 Kommentare

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  • Was viele nicht wissen: in der gleichen Polizeiwache starben vor Oury Jalloh auch schon zwei biodeutsche Obdachlose unter ungeklärten Umständen. Warum wissen das eigentlich so wenige bzw. warum thematisiert das nie einer?

  • Ein in Gewahrsam eingesperrter Verdächtiger verbrennt.



    Mindesttatbestand für die Polizisten ist natürlich grobe Fahrlässigkeit mit Todesfolge: Das Feuerzeug hätte abgenommen werden müssen, der Gefangenme hätte observiert werden müssen.



    Es kann aber auch Mord mit rasasistischem Motiv sein. Aber nicht nix...

  • Die taz wird hierüber sicher genauso intensiv berichten wie über die Weigerung der hessischen Grünen, die NSU-Akten zu öffnen, nicht wahr?

    Also ungefähr ein einziges Mal.

  • wir brauchen einen Weg der Aufklärung bringt und nicht durch Politiker blockiert werden kann.

    Das soll ein Rechtsstaat sein?

  • In anderen Ländern ermitteln dann Staatsanwaltschaften von sich aus.



    Eine jämmerliche Aussage über den Zustand der Justiz in D!

    • @Mainzerin:

      Die Staatsanwaltschaft hat Ewigkeiten ermittelt, kann aber derzeit keinen ausreichenden Tatverdacht für eine Anklageerhebung (bei keiner einzelnen Person) feststellen. Daher sieht sie von einer Anklage ab. Dass das richtig ist, hat insbesondere ein Gutachten bestätigt, an dem auch der grüne Strafrechtsexperte J. Montag mitgewirkt hat. Es wurde vom letzten Landtag in Auftrag gegeben.

  • "mieser Auftakt" ?



    Nein, Strafvereitelung im Amt !



    Üblicherweise ein Grund für die Staatsanwaltschaft tätig zu werden. Vermutlich liegt hierzu aber eine anderslautende Anweisung aus dem Ministerium vor.



    Auch hier geht es um unsere westlichen Werte - wie gerade zum Thema Afghanistan aktuell diskutiert. Große Teile unserer politischen Vertreter verstehen diesen Ausdruck wohl nicht, wegen fehlender Sozialisierung.



    Oder ist der Stamtischsatz doch richtig, "wer nichts wird, wird Wirt oder geht in die Politik"

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Ich empfehlen einen kleinen Exkurs ins Verfassungsrecht: ein Abgeordnetenmandat ist kein Amt, somit kann ein Abstimmungsverhalten auch niemals Strafvereitelung im Amt sein. Das wäre dann nämlich das Ende des "freien Abgeordneten". Sie wissen schon, das ist der Abgeordnete, der Vertreter des ganzen Volkes, nur seinem Gewissen verantwortlich und an Weisungen nicht gebunden ist.

  • Grüne und SPD verhindern die Aufklärung eines rassistischen Mordes. Einfach nur widerlich.

    • @berlin ist für alle da:

      Wie die Grünen in Hessen, zum NSU Report.



      Das diese beiden Parteien sich noch als "antifaschistisch" bezeichnen ist an Hohn nicht zu überbieten. Da hätte man auch als Bundespartei mal Druck aufbauen können.

      Aber um an die Macht zu kommen, mit CDU, verkauft man selbst seine eigene Seele. *ekelhAfD*

    • @berlin ist für alle da:

      Ja genau. Und die CDU auch.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Um die Staatsorgane wirklich unangreifbar zu machen ist es wichtig, in Fällen von Verfehlungen eine möglichst große Transparenz wenigstens im Nachhinein herzustellen.



    Auch im Sinne der anderen, gewissenhaft agierenden Kollegen der betroffenen Polizisten und Richter.

  • Buuuh!