Corona in Großbritannien: Chaostag verdrängt Freedom Day

Die Infektion des geimpften Gesundheitsministers Sajid Javid zwingt Boris Johnson in Quarantäne. Dabei sollen am Montag die Einschränkungen fallen.

Mann hinter einem Pult und vor der britischen Flagge

Unfreiwillig in coronabedingter Quarantäne: Der britische Regierungschef Boris Johnson Foto: dpa

BERLIN taz | Der 19. Juli sollte eigentlich nach den Plänen des britischen Premierministers Boris Johnson ein Triumphtag werden. Alle coronabedingten Regeln und Einschränkungen sollten fallen, endgültig und unwiderruflich. In einer Siegesrede wollte Johnson die Bezwingung von Covid-19 feiern.

Daraus wird erst mal nichts. Stattdessen sitzt Boris Johnson für die nächsten zwei Wochen in Selbstisolation in Chequers, dem offiziellen Landsitz des britischen Regierungschefs. Gleiches gilt für andere Regierungsmitglieder an ihren jeweiligen Orten.

Der Grund: Gesundheitsminister Sajid Javid ist positiv auf Covid-19 getestet worden. Er habe „milde“ Symptome und sich isoliert, teilte Javid am Samstag mit. Seit Freitagabend habe er sich schlecht gefühlt und nach einem positiven Schnelltest seine Infektion am Samstag per PCR-Test bestätigt.

Damit müssen auch alle seine Kontaktpersonen in Selbstisolation. Sie erhalten gemäß den britischen Coronaregeln eine entsprechende Push-Nachricht von der britischen Corona-Warn-App, dem „Test & Trace“-System des Gesundheitsdienstes NHS.

Öffentlicher Ärger

Das betrifft auch Boris Johnson und Finanzminister Rishi Sunak. Am Samstag hatte es noch geheißen, die beiden seien ausgenommen, da sie an einem bisher nicht bekannten Pilotprojekt teilnähmen, das Isolation durch tägliche Tests ersetzt. Aber diese Behauptung sorgte für solchen öffentlichen Ärger, dass sie am Sonntagmittag zurückgenommen wurde.

Was aus der geplanten Abschaffung aller Coronaregeln wird, steht derweil in den Sternen. In den vergangenen Wochen hatte sich diese Aussicht bereits abgeschwächt: So wird im Londoner Nahverkehr weiterhin eine Maskenpflicht gelten, eine Pflicht zur Rückkehr an den Büroarbeitsplatz wird es nicht geben und Geschäften steht es frei, weiterhin Schutzregeln durchzusetzen.

Dennoch hält die Regierung an der grundsätzlichen Aufhebung aller Kontaktbeschränkungen fest, obwohl die Infektionszahlen mit der neuen Deltavariante steil ansteigen. Am Freitag überschritt die Zahl der täglichen Neuinfektionen die 50.000-Marke.

Krankenhauseinweisungen und Todeszahlen steigen allerdings nach wie vor nur mäßig. Das liegt am Erfolg des britischen Impfprogramms. 68 Prozent aller erwachsenen Briten sind bereits vollständig geimpft und damit vor einer schweren Erkrankung geschützt, wenn auch nicht vor einer Infektion – Gesundheitsminister Javid gehört zu den Zehntausenden doppelt Geimpften, die sich jetzt neu infizierten.

Zwangsweise zu Hause

Während somit immer weniger schwere Erkrankungen im Verhältnis zur Gesamtzahl an Neuinfektionen zu erwarten sind, warnen viele Politiker vor einem anderen Nebeneffekt: Nach wie vor verpflichtet das „Test & Trace“-System jede Kontaktperson eines gemeldeten Infektionsfalles zur häuslichen Quarantäne, die polizeilich überprüft werden kann.

Immer mehr Menschen sitzen daher jetzt zwangsweise zu Hause. 530.000 waren es in der Woche zum 7. Juli, 46 Prozent mehr als in der Woche davor. Geht das so weiter, während wegen des Wegfalls vieler Regeln die Infektionszahlen noch schneller steigen, bricht die Wirtschaft zusammen, warnen immer mehr Politiker. Sie appellieren nun an die Regierung, die Quarantäneregel wenigstens für Durchgeimpfte aufzuheben.

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