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Fortschritte bei E-AutosDie erste Million ist die schwerste

Endlich boomen die E-Autos. Das liegt nicht nur an EU-Vorgaben und Kaufprämien – die Stromer sind auch in vielen Belangen einfach besser.

Immer elektrischer: Hier bei VW in Dresden Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das Ziel ausgab, dass im Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen. Und lange Zeit sah es so aus, als ob es weit verfehlt und die Million zum Running Gag würde: Ende 2018 fuhren hierzulande – inklusive der sogenannten Plug-in-Hybride, die nur zeitweise elektrisch unterwegs sind – gerade mal 150.000 Elektroautos, also weniger als ein Sechstel als angekündigt.

Doch inzwischen steht fest, dass die Verspätung gar nicht so groß sein wird: Anfang dieses Jahres lag die Zahl der E-Autos schon bei 600.000, noch im Laufe des Jahres dürfte die Million erreicht werden. Dass beim Kauf eines Elektrofahrzeugs bis zu 9.000 Euro Prämie winken, dürfte diese Entwicklung beschleunigt haben. Also: Die Verkehrswende ist angelaufen. Möglich wurde der Boom aber vor allem, weil die Hersteller ihr Angebot an elektrisch angetriebenen Modellen zuletzt erheblich ausgeweitet haben.

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Teils passierte das eher widerwillig und auf Druck der EU-Kommission, die die CO2-Grenzwerte so verschärft hat, dass die Hersteller sie ohne Elektroautos faktisch kaum mehr einhalten können. Teils aber auch aus Überzeugung. Dass der elektrische Antrieb langfristig die überlegene Technologie sein wird, gilt nicht mehr nur beim Vorreiter Tesla als ausgemacht.

Volkswagen ist nach dem Start seiner neue Elektromodelle ID3 und ID4 bereits zur Nummer zwei unter den E-Auto-Herstellern aufgestiegen. Am Wochenende kündigte der Konzern an, in Europa bis 2035 keine Verbrennerautos mehr zu verkaufen, ähnlich wie GM. Volvo steigt bereits 2030 aus diesem Geschäft aus.

14 Millionen E-Autos im Jahr 2030

Die übrigen Hersteller dürften nachziehen – denn in allen Ländern, die die international vereinbarten Klimaziele ernst nehmen, wird sich der Anteil der Elektroautos schnell und stark erhöhen müssen. In Deutschland galt schon vor der jüngsten Verschärfung der Klimaziele ein Wert von 7 bis 10 Millionen E-Autos im Jahr 2030 als erforderlich.

Jetzt muss man sich eher auf 14 Millionen einstellen, meint nicht nur der Thinktank Agora-Energiewende; auch im gerade fertiggestellten Abschlussbericht der vom Verkehrsministerium eingesetzten Expertenkommission findet sich ein Szenario mit diesem Wert.

Entscheidend dafür, ob dieses Ziel erreicht wird, dürfte zum einen sein, ob die dafür notwendige Ladestruktur schnell genug ausgebaut wird. Darauf drängt auch die Arbeitsgruppe des Ministeriums. Zum anderen kommt es darauf an, ob überhaupt genug E-Autos angeboten werden.

China mit konkurrenzfähigen Modellen

Denn während die Massenproduktion bei einigen traditionellen Herstellern schon angelaufen ist, hinken andere noch hinterher. Gefüllt werden könnte die Lücke von chinesischen Anbietern, die auf dem europäischen Markt bisher kaum vertreten sind, bei E-Autos aber durchaus konkurrenzfähige Modelle im Angebot haben.

An den Kun­d*in­nen dürfte es nicht scheitern. Schon jetzt ist die Nachfrage nach E-Fahrzeugen so hoch, dass es für viele Modelle monatelange Wartezeiten gibt. Dieser Trend wird sich verstärken, wenn die Wirtschaftlichkeit von Elektroautos durch steigenden CO2-Preis und sinkende Strompreise weiter steigt.

Zudem dürfte sich weiter herumsprechen, wie viel angenehmer E-Autos aus Nutzersicht sind: Neben mehr Ruhe und mehr Platz zeichnen sie sich auch durch geringeren Wartungsaufwand aus. Ob Ölwechsel oder Kühlwasser, ob Kupplung, Zündkerzen oder Zahnriemen – vieles, was beim Verbrennungsmotor Kosten und Arbeit bedeutet, entfällt beim E-Motor komplett.

Wie sehr sich die Stimmung gedreht hat, zeigen zwei Zitate von Deutschlands bekanntestem Autoexperten, Ferdinand Dudenhöffer. 2012 verkündete er in einem Tagesspiegel-Interview noch: „Das Elektroauto wird hier in Deutschland floppen.“ Mittlerweile hat sich seine Einschätzung komplett gedreht.

Batterie-elektrische Autos würden zum neuen „Mainstream“, sagte er im Januar zu Börse Online. Benziner und Diesel hätten dagegen allenfalls noch in „Nischenmärkten“ eine Chance, so Dudenhöffer. „Der Verbrennungsmotor ist ein totgerittenes Pferd.“

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15 Kommentare

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  • Elektro-Mietautos sind schwer zu bekommen.

    Bei der Zahl der "Elektroautos" werden oft die plug-in Hybride mitgezählt, die aber in der Regel überwiegend als Verbrenner mit etwas Ergänzung ausgelegt sind.

  • "wenn die Wirtschaftlichkeit von Elektroautos durch steigenden CO2-Preis und sinkende Strompreise weiter steigt."

    Ganz so einfach ist die Rechnung aber nicht.

    Ein CO2 Preis erhöht die Produktionskosten für Strom aus nicht erneuerbaren Energien und macht diese unwirtschaftlich. Dies senkt zunächst einmal das Angebot.

    Der Gebrauch von Elektroautos erhöht die Nachfrage nach Strom.

    Frage an den Autor: "Was passiert mit dem Preis für ein Produkt bei steigender Nachfrage und gleichzeitig sinkendem Angebot?"

    Ich denke schon das wir es schaffen können unseren Strombedarf mit erneuerbaren zu decken. Sinkende Strompreise sehe ich jedoch wenn überhaupt erst in sehr ferner Zukunft.

    Vll nach 2050 oder 60.

    Für noch wahrscheinlicher halte ich das der Strompreis sich bestenfalls garnicht verändern wird.

    Oder hat jemand andere Zahlen wie bei steigendem Strombedarf und begrenzten Flächen, teurer Speichertechnologie und Ausbau des Stromnetzes ein Sinkender Preis erreicht werden kann?

    • @Obscuritas:

      Dito. Zumal Strom für Heizung, Industrie usw., die von fossilen Energiequellen zum Erreichen der Klimaziele auch auf regenerative umsteigen müssen. Das ist nochmal ein großer zu ersetzender Energiebedarf und wäre ein entsprechend hoher Ausbau von regenerativen Energieerzeugungsanlagen. Der Zubau von Anlagen wird jetzt bereits kritisiert und müsste unter verschiedenen ökologischen Gesichtspunkten und Abwägungen diskutiert werden. Insofern müsste im Energiewendeprozess gedanklich ein Schritt zurückgegangen werden und zuvorderst Energieverbrauch und jetzig gestellte Ansprüche an Energiebedarf hinterfragt werden. Siehe auch:



      "Erneuerbare Energien in Deutschland auf 100%? • Live-Vortrag | Christian Holler & Joachim Gaukel"



      www.youtube.com/watch?v=XKc38KjTc_k

  • Die Worte "endlich" und "boomen" kriege ich beim Thema Automobil nicht zusammen.

    Es gibt in aller erster Linie viel zu viele Autos. Nun soll ich, der ich nie im Leben ein Auto hatte, den Autofahrer/inne/n die Prämie für's Elektroauto zahlen und die Ladeinfrastruktur finanzieren. Für's teure Lastenfahrrad habe ich keinen Cent vom Staat gekriegt, obwohl dessen Klimabilanz viel besser ist als die eines E-Autos.

    Es ist also mal wieder eine Umverteilung von unten nach oben — bejubelt von Dudenhöffer und der taz.

    Vorschlag: Wer ein E-Auto haben will, soll es selbst bezahlen und die Staatsknete geht in die "richtige E-Mobility"! Also Straßenbahnen und Regionalzüge.

  • Die meisten öffentlichen Ladesäulen sind schon heute ungenutzt, weil fast jeder zu Hause nachts lädt. Von einem weiteren Ausbau der öffentlichen Ladesäulen ist deshalb nicht viel zu erwarten. Interessanter sind Mitarbeiterparkplätze der Firmen.

    E-Autos mit deutschem Nachtstrom zu laden ist auch nicht besonders klimafreundlich, weil der deutsche Nachtstrom fossil ist. Da wird gerne mit dem durchschnittlichen Strommix schöngerechnet; der tatsächlich fürs Laden verwendete Nachtstrom hat aber eine viel höhere CO2 Belastung.



    Deshalb besser nur mittags laden, oder einen Diesel kaufen.

    • @Descartes:

      Das setzte voraus, daß jemand eine eigene Garage oder eigenen Stellplatz hat. Ich kenne zwar einige Autobesitzer/innen, aber keine/r von denen hätte eine andere Parkmöglichkeit als öffentliches Straßenland.

      Wichtig ist doch nur die Frage der Finanzierung: Die Autofahrer/innen sollen ihre Ladeinfrastruktur gefälligst selbst bezahlen!

    • @Descartes:

      "Deshalb besser nur mittags laden..."



      Äh - mittags steht mein Auto auf dem Firmenparkplatz, weit und breit keine Steckdose. Zweites E-Auto, eins zu Hause zum Aufladen über Mittag, eins zum Fahren? Diess wird jubeln... [/ironie]



      "...oder einen Diesel kaufen."



      ...und das gegenüber einem E-Auto gesparte Geld in eine Windparkbeteiligung o.ä. stecken. Dann täte man wirklich CO2 einsparen. Dieser Gedankengang scheint aber für viele Mitmenschen zu kompliziert zu sein.

  • Neue Privat-PKWs bei einem Gewicht von 1-2 Tonnen bedeuten eine Privatisierung eines Vielfaches an Menge von Ressourcen und Energie (Weiterverarbeitung - bspw. 4 t Bauxit + großer Stromeinsatz -> 1 t Aluminium). Bei durchschnittlicher Beförderung von 1,2 Personen und 30 km bzw. 45 Minuten Nutzung pro Tag ist das eine riesige Ressourcen- und Energieverschwendung. Entsprechend wäre es ökologischer Wahnsinn, den weltweiten Autobestand von 1,2 Milliarden Autos mit E-Autos zu ersetzen. Selbst ein Ersetzen der ca. 43 Autos in Deutschland ist ökologisch und sozial/moralisch fragwürdig. In Hinsicht der Gleichheit ist es abzulehnen, dass die einen Autos fahren dürften, während viele Menschen nicht einmal genug zu essen haben und in Verschlägen leben. In diesem Zusammenhang gälte es Ressourcen und Energie sozialer und ökologischer einzusetzen und global umzuverteilen. Wesentlich sparsamer und fairer wäre eine Organisierung der Mobilität durch ÖPNV, Bahn und Fahrrad - insbesondere in Städten und der Einsatz von Energie und Ressourcen für Zugang zu sauberer Energie und Trinkwasser sowie gesunden Nahrungsmitteln.

  • Ja nach Forum (z.B. FAZ) findet man auch heute noch den Hinweis auf die mangelnde Reichweite. Die deutsche Reichweitenangst ist mit das häufigste und zu gleich unerheblichste Argument gegen E-Autos. Mit einem Auto, dass 100 km weit kommt (realistisch) könnte ich ca. 80-85% meiner Fahrten decken, ohne zu laden. Mit den ca. 400 km (wieder realistisch) die z.B. ein id 4 schafft, dürfte es auf 98% steigen. Da bleibt bei mir nur noch die Urlaubsfahrt übrig, an die Nordsee mit ca. 700 km oder Italien, ähnliche Entfernung. Mit zwei Mal laden und einem Zeitverlust von ca. 1h geht das. Und Pausen mache ich eh. Vielleicht im Verbrenner nur 30 Minuten, statt 1h, aber: es betrifft zwei bis vier Fahrten im Jahr. Von daher: Mein nächstes Auto wird elektrisch.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Man muss der deutschen Motor-Journallie auch mal den Vorwurf machen, dass sie schlichtweg Idioten sind und damit das nicht auffällt plappern sie brav nach was die Hersteller und der ADAC so von dich geben.

    Das verdeutlicht eine Anekdote: Als sich eine Kollegin von mir bei einem einschlägigen Verlag bewarb und zum Gespräch geladen wurde, ging es auch um das Thema Geld. Und da kam das Argument auf, dass zwar das Gehalt nicht so toll wäre, aber dafür könne man jederzeit ein Auto aus dem Leihgeräte-Fuhrpark benutzen...

    Das Problem ist vor allem, dass batterieelektrische Mobilität nicht nur aus Langstrecken besteht, sondern für die meisten Menschen, die sich überhaupt ein neues Auto kaufen (können) im Wesentlichen aus relativ kurzen Strecken. Und da gibt es einen Bestand von mindestens 5 Millionen KFZ die praktisch ohne jede Einschränkung für die Nutzer ausgetauscht werden könnten.

    Dafür braucht es aber nicht die einemillionste Testfahrt von Hamburg in die Schweiz, um festzustellen, dass es zu wenig Ladesäulen gibt (und die Marktgläubigkeit auch die wenigen Säulen noch in mehrere Anbieter fragmentieren) und man mindestens eine Tonne Akku bräuchte...

    Dafür braucht es Beispiele von Menschen, die 20 Kilometer in die Arbeit fahren, Mami, die die Kinder kutschieren... Das deutsche Auto fährt im Schnitt 40 Kilometer am Tag - 80 oder 90 Prozent der Fahrten bleiben unter 5 Kilometern...

    Da hat die Autolobby, ganze Arbeit geleistet und mit den Minions von der Motorpresse (Uups!) die Deutschen schön eingelullt und sie vom Diesel mental abhängig gemacht. Und so kommt man dann aus dem Henne-Ei-Teufelskreis auch nicht heraus...

    Naja doch... Jetzt kommen die deutschen Hersteller mit den deutschen Entwürfen für BEVs zu deutschen Preisen... Ich arbeite selber "automobilnah" - aber ich bettele darum, dass die Chinesen hier den Markt aufmischen...

  • fahr seit 5 jahren einen kleinen citroen zero.der verbraucht 3,6€ auf 100 km für strom an der haushaltssteckdose und schnellladen ca. das doppelte.reparaturen hat der wagen mit 60 000 km laufleistung keine und als gebrauchter kostet er 6000€ aufwärts.die reichweite ist mit 100 km gering aber reicht für alle täglichen fahrten und wenns mal weiter weg geht kann man 80% (8okm) in 30 minuten nachladen . wir fahren oft von flensburg an die nordsee das macht spass und funktioniert ganz gut.

    • @prius:

      "...an der haushaltssteckdose..."



      Und wie kommt der Strom in die Steckdose?



      Wir haben im Stromsektor z.Z. nur ca. 50 % Erneuerbare. Wenn Sie das Auto an die Steckdose hängen, weht deswegen kein bisschen Wind mehr und die Sonne leuchtet auch nicht heller. Ergebnis: Der Strom kommt aus Kraftwerken, die man bei Bedarf hochfahren kann, also Atom und Fossil.

  • äh wie war das noch? atom/kohle-stromlobby nein danke !

    • @conny costa:

      Wo gibt’s denn in Deutschland noch ne nennenswerte Atom-& Kohlelobby? Die stehen längst mit dem Rücken an der Wand und schwenken mehr und mehr um auf Erneuerbare Energien…

  • Verkehrswende: Nur in welche Richtung soll sie sich wenden, diese Verkehrswende??

    Was in diesem taz-Beitrag völlig fehlt: Die notwendige Fundamentalkritik an der individuellen Mobilität per Automobil, ganz unabhängig von der Antriebsart. Der Platzbedarf im fließenden und stehenden Verkehr und das Staupotential ist beim E-Auto nicht weniger ein Problem als beim Verbrenner. Beim genauen Hinschauen ist ja auch die Gesamtbilanz beim Verbrauch an Rohstoffen und beim CO2 nicht wirklich viel besser als beim Verbrenner - hier gehen die Rechnungen auseinander.



    In den Städten ist das Automobil schlichtweg fehl am Platz. Die Menschen sollen innerstädtisch besser mit dem Fahrrad fahren, zu Fuß gehen oder mit dem Stadtbus fahren. In Großstädten kommen noch Tram- und U-Bahnen dazu.



    Für die Langstrecke ist das E-Auto sowieso unbrauchbar. Bleibt (vorläufig) die regionale Mittelstrecke als möglicher Use Case, der für die Verkehrswende allenfalls Sinn macht.