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Nach der Durchsuchung bei Höcke„Eine infame Unterstellung“

Nach der Durchsuchung von Björn Höckes Haus wegen eines Facebookposts übt die AfD scharfe Kritik. Thüringens Innenminister Maier wehrt sich.

Im Visier der Ermittler: Björn Höcke, hier Anfang Mai auf einer AfD-Versammlung in Thüringen Foto: Michael Reichel, dpa

BERLIN taz | Björn Höcke ist auch am Sonntag noch in Rage. Die Vorwürfe gegen ihn seien „gelogen und konstruiert“, die Durchsuchung eine politisch motivierte „Schikane“, wettert der Thüringer AfD-Vorsitzende und Rechtsextremist in einer Mitteilung. Und auch AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sieht einen „Politikskandal, der seinesgleichen sucht“. Mitten im Wahlkampfjahr werde „die Schikane der Opposition auf eine neue Stufe gehoben“.

Was war passiert? Über Medien war am Wochenende durchgesickert, dass die Polizei am Donnerstag das Haus von Höcke im thüringischen Bornhagen durchsucht hatten. Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen eines Facebook-Posts des AfD-Rechtsaußen von vor einem Jahr. Zu sehen war dort das Bild der Seenotretterin Carola Rackete mit der Schmähung: „Ich habe Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Mord importiert.“ Höcke verwies dazu auf eine Verurteilung von drei Geflüchteten wegen Folter und anderer Delikte. „Mit solchen Kriminellen können sich nun die Menschen in Europa herumschlagen“, ätzte er.

Um die Ermittlungen gegen Höcke zu ermöglichen, hatte der Justizauschuss des Thüringer Landtags im Dezember dessen Immunität aufgehoben. Der Durchsuchungsbeschluss ist laut Höcke bereits vom 5. Februar und basiert angeblich auch auf einem Hinweis eines Mitarbeiters des Thüringer Innenministeriums unter Georg Maier (SPD). Laut Höcke wurde der Zugang zu den elektronischen Kommunikationsgeräten aller Familienmitglieder erzwungen, auch die seiner Kinder.

Pauschale Stigmatisierung von Geflüchteten?

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Beitrag Geflüchtete pauschal als Kriminelle stigmatisiert und eine Volksverhetzung darstellt. Die Durchsuchung soll auch Erkenntnisse über die Urheberschaft des Postings liefern.

Höcke schreibt, mehrere Juristen seien nun mit der Sache befasst. Stefan Möller, Co-Chef der Thüringer AfD, nannte die Durchsuchung aufgrund eines Facebookposts „ein[en] weitere[n] Tiefpunkt des Missbrauchs der Justiz gegen vermeintlich unbotmäßige politische Meinungen“. Man werde dagegen „alle rechtlichen und politischen Maßnahmen unterstützen“.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) verwahrte sich am Montag gegen die Vorwürfe. „Wenn Herr Höcke die Unabhängigkeit der Justiz anzweifelt, braucht er ganz dringend Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat“, sagte Maier der taz. Ein politisch motiviertes Vorgehen sei eine „infame Unterstellung, die ich scharf zurückweise“. Offensichtlich plage Höcke „ein ziemlich schlechtes Gewissen“.

Ramelow kommentiert Razzia lakonisch

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kommentierte Höckes Durchsuchung via Twitter lakonisch: „Ob man da eventuell Landolf Ladig unterm Bett findet?“ Unter diesem Pseudonym soll Höcke nach Sicht des Verfassungsschutzes in einer Thüringer NPD-Postille geschrieben haben.

Erst vor einer Woche war bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz die Thüringer AfD als erwiesen rechtsextreme Gruppierung eingestuft hat – als bundesweit ersten Landesverband. Dieser steht nun auf einer Stufe mit der NPD. Höcke hatte zuvor auch das heute formell aufgelöste AfD-Sammelbecken „Der Flügel“ angeführt, das der Verfassungsschutz schon länger für rechtsextrem hält.

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23 Kommentare

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  • Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob der Beitrag überhaupt eine Straftat darstellt, aber durchsucht wird schon mal?

    Das ist schon ungewöhnlich.

    • @rero:

      Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, dass Durchschuchungen aufgrund eines Verdachts erfolgen, einerseits weil die endgültige Einschätzung ob es sich um eine Straftat handelt ja ohnehin beim Gericht und nicht bei den Ermittlungsbehörden liegt, andererseits weil die Durchschuchung und Beschlagnahme etwaiger Beweise zur Ermittlung schlicht notwendig ist. Umgekehrt braucht es ja keine Durchschuchung mehr nachdem die Straftat erwiesen ist. Das Vorgehen können sie bei diversen anderen Ermittlungen völlig analog beobachten:



      www.tagesschau.de/.../wirecard-115.html



      www.hessenschau.de...erbrechen-100.html

  • Schwierig, hätte Höcke geschrieben, daß alle Geflüchten kriminell sind, wäre es definitiv Volksverhetzung gewesen. Das auch Geflüchtete Kriminalität bringen ist eine Binsenweisheit. Hinzu kommt, daß Geflüchtete tatsächlich überdurchschnittlich kriminell werden wofür es selbstverständlich viele soziologische Ursachen gibt.



    Hat Höcke denn nicht viel schlimmere Sachen gesagt gegen die man Vorgehen könnte? Ich glaube das geht nach hinten los.

  • Volksverhetzung (wie auch Beleidigung oder Bedrohung) werden viel zu selten geahndet, aber da zur Beweisführung ein Screenshot in Verbindung mit einer Zeugenaussage unter Eid ausreichen dürfte, muss man das Mittel der Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Kommunikationsgeräten als grob unverhältnismäßig ansehen. Dass es hier jemanden wie Björn Höcke getroffen hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rechtsstaat nicht zu Mitteln greifen darf, die wegen ihrer Unnötigkeit und Unverhältnismäßigkeit als Einschüchterungsinstrument erscheinen, das eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig ist.

  • Ohne jegliche Sympathie für den Angeklagten, aber dass jetzt schon wegen eines zugegeben wirklich geschmacklosen Social-Media-Posts bei Oppositionspolitikern Hausdurchsuchungen stattfinden, angeordnet von einer der Regierung weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft (was wollen die da finden, einen Zettel mit seinem Twitter-Login?) finde ich mehr als bedenklich.

    Solche Vorgänge kennt man eher aus Ländern wie Türkei, Weißrussland, China usw., in denen ich nicht leben will!

    • @hderk:

      Darf man vermuten, dass sie ebenfalls nicht im Deutschland der Jahre 1933-45 leben wollen? Eine der Lehren aus dieser Zeit war Volksverhetzung zum Straftatbestand zu machen. Wenn sie sich die Definition dieses Paragraphen einmal anschauen dürfte unschwer zu erkennen sein, dass die zitierte Äußerung Höckes Ermittlungen allemal rechtfertigt. Es geht also mitnichten um eine "Geschmacklosigkeit", sondern um eine Straftat die mit bis zu 5 Jahren Inhaftierung geahndet werden kann.

      • @Ingo Bernable:

        Dass ein belangloser Post, der in die andere Richtung in der Taz locker als "Satire" durchgehen würde nun "geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören", würde die geringe Bedeutung der AFD im Allgemeinen und Höcke im Speziellen mMn stark übertreiben. Die ganze Aktion erlaubt es denen nur wieder, in die Schlagzeilen zu kommen und sich als Opfer hinzustellen und so Wähler zu gewinnen.

        In den genannten Ländern gibt es auch ordentliche Gesetze die Oppositionellen, Regimekritikern, Whistleblowern usw. für ungenehme Posts Freiheitsstrafen androhen. Dann ist aus ihrer Sicht das dortige Vorgehen also angemessen, gut zu wissen. Oder hängt das für sie davon ab, wen es trifft? Ich habe große Sorge dass hier mal wieder in guten Absichten ein Präzedenzfall geschaffen wird, der zukünftig schnell auch andere treffen kann.

        • @hderk:

          Der fragliche Post diffamiert Geflüchtete pauschal als Straftäter und Schlimmeres. Das ist nicht "belanglos" und das ist auch keine "Satire", sondern rechtfertigt den Vorwurf der Volksverhetzung allemal, zumal Höcke eben auch erhebliche Reichweite hat und man in den letzten Jahren bereits zu oft feststellen musste, dass Worte zu Taten führen. Faschismus ist (immer noch) keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Der Versuch diese Einsicht zu einer Rechtfertigung der Willkür autoritärer Staaten umzudeuten ist so absurd wie lächerlich. Und wem zu Äußerungen wie der von Höcke nichts als Verharmlosung und Relativierung einfällt, der betreibt unmittelbar die Sache der Rechten.

        • @hderk:

          So eine "geringe Bedeutung" hat die AfD in Thüringen aber nicht. Schließlich ist sie nach der Linken die zweitstärkste Fraktion im Landtag und Höcke ihr Führer. Also Fraktionsführer...



          Und es ist ja nicht so, dass dies ein einmaliger Ausrutscher ist, Höcke postet so etwas ja gerne und regelmäßig. Oder schreibt Bücher mit Inhalten wo nicht einmal Parteifreunde wissen ob das von Höcke oder Goebbels ist.



          Ich bin sogar der Meinung, Sie reden die Gefahr durch die AfD klein.

        • @hderk:

          Herr Höcke hat die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen und darüber hinaus bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Hat natürlich etwas amüsantes, von Menschenrechten scheint Herr Höcke aufgrund seines Posts nicht besonders viel zu halten.



          Also beruhigen Sie sich mal, die Linkspartei wurde auch jahrelang schikaniert und hat sich mit Rechtsmitteln zur Wehr gesetzt. Bleibt wohl der AfD nichts anders übrig, als dies auch so zu machen! Ergo: Der Rechtsstaat funktioniert noch trotz der dämlichen AfD!!!

          • @Jonas Herbst:

            Ja, dann stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Hausdurchsuchung vor x Jahren rechtswidrig war. Toll! Kann man sich einrahmen und an die Wand hängen das Urteil, ansonsten bringt es einem überhaupt nichts. Es gibt dafür weder eine nennenswerte Entschädigung, noch werden der Richter und der Staatsanwalt irgendwelche beruflichen Konsequenzen dadurch haben.

            (Das Mal allgemein gesprochen und ganz unabhängig von der Person Böcke betrachtet).

  • Die interessante Frage ist doch, ob die Durchsuchung verhältnismäßig war oder nicht. Gegenwärtig ist diese Frage offen, was man aber sagen kann ist, dass ein unabhängiger Richter die Durchsuchung genehmigt hat

  • Faschist Höcke ist natürlich ein Opfer - wie immer. Was denn auch sonst?

  • Ist in so einem Fall eine Hausdurchsuchung nicht völlig unzweckmäßig, wenn es nur um diesen Post geht? Als ob Höcke irgendwelche Beute oder unterschlagene Dokumente versteckt hielte. Das hat schon ein bißchen was von Schikanierung.

  • Warum der Überzeugungstäter und Faschist H. nicht in Stammheim einsitzt, bleibt ein Rätsel!

  • @FISCHER STEFAN

    Sie haben eine seltsame Vorstellung der Justiz.

    Nein, sie ist nicht unfehlbar. Aber dass die "Massnahmen" "Wirkung" zeigen sollen, insbesondere in den Umfragewerten...

    Tsk, tsk. Was kommt als nächstes: vegane Kochrezepte?

  • Wenn Höcke Afrikaner als "Kriminelle" ansieht, darf man seine Vereinigung wohl als "Faschisten" titulieren. Was allerdings die Staatsanwaltschaft finden wollte, erklärt sich nicht.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Höcke schreibt, mehrere Juristen seien nun mit der Sache befasst."

    Ich würde so einen Faschisten nicht verteidigen.

  • Man sollte Bernd Höcke mal erklären, das des keine Kinnwindel ist...

  • Taktisch klug ist so eine Durchsuchung nicht. Sie erlaubt es Bernd Höcke nun, sich als Opfer darzustellen. Die Vorwürfe gegen ihn beziehen sich ja auf sein Gebaren im Internet: Diese ist für jedermann öffentlich sichtbar und man braucht nicht sein Haus zu durchsuchen. Volksverhetzung findet per Definition in der Öffentlichkeit statt. Es reicht also völlig aus, Höckes öffentliche Statements zu bewerten - und die sind ja nun wirklich schlimm genug.

  • Naja, die weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften haben schon klarere Fälle einfach eingestellt.

    Es ist problematisch was da passiert. Bisher zeigen die Maßnahmen von Justiz und Geheimdiensten keinerlei Wirkung, in den Umfragen bleibt die AfD stabil. Es besteht mE. aber die Gefahr, dass die Lage in die andere Richtung kippt, also es der AfD nützt.

    Wenn in anderen Parteien alle Sorten von Provisionsgeiern, Betrügern, Kriegstreibern und sonstige zwielichtige Gestalten stets mit einem erhobenen Zeigefinger der Justiz davonkommen, dann ist es schwierig das Gejammer der AfD als „rumgeopfere“ abzutun...

    Ein Post von vor einem Jahr, die Staatsanwaltschaft „prüft“ noch immer ob es überhaupt Volksverhetzung ist, durchsucht aber schonmal auf der Suche nach dem Urheber... Es ist einfach problematisch...

    • @Nafets Rehcsif:

      Ja ist doch besser, dass die Staatsanwaltschaft prüft als dass sie vorverurteilt? Ob es Volksverketzung ist, entscheidet zum Glück immernoch ein Gericht.

      • @Mrs.V:

        Selbst wenn man der AfD alles erdenkliche Schlechte wünscht, sollte man doch bedenken dass solche Präzedenzfälle eben durch das Eindringen in die Wohnung und die Beschlagnahme der Geräte, die jeder Mensch heutzutage mit jeder Menge persönlichen Daten gefüllt hat, eine Vorbestrafung durch die Staatsanwaltschaft darstellen. Und da sich das Ideal der unabhängigen Justiz in D ausdrücklich nicht auf die Staatsanwaltschaften bezieht, macht mir ein Staat in dem eine Landesregierung für einen Post jedem Bürger (und nicht nur der bösen AfD) eine Hausdurchsuchung an den Hals schicken kann durchaus Angst. Vielleicht ist ja auch mal die AfD in einer Regierung...