Antisemitismus in Deutschland: Zivilcourage zeigen
Die wenigsten antisemitischen Übergriffe sind bekannt. Bei den alltäglichen Pöbeleien gilt es, den jüdischen Mitbürgerinnen zur Seite zu stehen.
S chlimm genug, dass es erst Angriffe auf Synagogen geben musste, um eine Diskussion über den in Deutschland grassierenden Antisemitismus in Gang zu bringen. Die nun geführte Debatte krankt allerdings an zweierlei: Zum einen zentriert sie sich auf den Judenhass von Migranten aus dem arabischen Raum. Eine Auseinandersetzung mit dieser spezifischen Spielart ist zweifellos dringend notwendig.
Sie droht aber zu verdecken, dass die allermeisten antisemitischen Taten eben nicht von Migranten verübt werden, sondern von Deutschen, die seit Generationen hier leben. Zum Zweiten spielen in der Diskussion die eigentlich Betroffenen kaum eine Rolle. Antisemitismus, so scheint es, manifestiert sich auf Demonstrationen, durch Hakenkreuzschmierereien oder – im schlimmsten Fall – durch Mordanschläge wie in Halle.
Dabei handelt es sich bei dem zur Schau getragenen Judenhass meistens um ein Alltagsverhalten, das in den seltensten Fällen öffentlich wird. Wenn eine Jüdin wegen einer Halskette mit dem Davidstern an einem deutschen Urlaubsort von sogenannten Mitbürgern böse angemacht wird, dann kommt keine Polizei. Wenn Hebräisch sprechende Israelis in der S-Bahn angerempelt werden, dann hat das keine Anzeige zur Folge. Die Konsequenzen tragen einzig die Betroffenen.
Sie werden ihren nächsten Urlaub lieber in Italien verbringen. Sie werden die S-Bahn nicht mehr benutzen. Sie sehen sich also gezwungen, selbst ihre Freiheit aus Furcht einzuschränken. An dieser Tatsache werden weder salbungsvolle Worte aus der Politik noch schärfere Strafandrohungen etwas ändern. Es ist eine Frage der Zivilcourage. Wenn nur zwei Mitreisende in der S-Bahn zeigen, dass sie solches Verhalten nicht dulden, wenn sie ihre Solidarität zum Ausdruck bringen, dann hilft das mehr als abstrakte Debatten.
Das ist einfacher gesagt als getan. Die Furcht, selbst zum Ziel von Gewalt zu werden, ist nicht unbegründet. Es kommt aber darauf an, im Alltag Mut – nicht Übermut – zu zeigen, damit die Jüdinnen und Juden in Deutschland ebenso ungehindert leben können wie wir alle.
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