Verfassungsklage gegen „Staatstrojaner“: Wenn der Staat mitliest

Die Union fordert mit der Quellen-TKÜ eine Art Staatstrojaner, der auch auf verschlüsselte Chats zugreift. Betroffene wie Journalist*innen klagen.

Eine Person ist zu einem Viertel sichtbar hinter einem Pfeiler des BND-Hauptgebäudes

Versteckt, aber sichtbar: Person vor dem Hauptgebäude des BND in Berlin Foto: Steffi Loos/Getty Images

Die geschützte und vertrauliche Kommunikation mit Quellen ist unerlässlich für journalistische Arbeit. Investigative Jour­­na­lis­t*in­nen verwenden verschlüsselte Chats und Mails schon ganz selbstverständlich. Dass Ende-zu-Ende-Verschlüsselung inzwischen für alle gängigen Chat-Apps gilt, hat diesen Schutz beiläufig zum Standard gemacht, selbst bei alltäglicher Kommunikation.

Genau damit hadern Ermittlungsbehörden und Geheimdienste aber. Sie nutzen die öffentliche Aufmerksamkeit für besonders schwere Verbrechen immer wieder, um die gesetzlichen Grundlagen für Abhörbefugnisse zu erweitern. Auf Bundesebene soll nach einem obskuren Tauschgeschäft innerhalb der Koalition die sogenannte Quellen-TKÜ (Anm. d. Red.: kurz für Telekommunikationsüberwachung) zur Nutzung durch Geheimdienste erlaubt werden.

Während die SPD eine Art Rassismusstudie bei der Polizei bekommt, setzte die Union durch, dass Verfassungsschutz, MAD und BND verschlüsselte Chats mittels des sogenannten Staats­trojaners mitlesen können.

Diese Software ist nichts anderes als ein Schadprogramm, das Sicherheitslücken auf den Endgeräten der Nut­ze­r*in­nen nutzt, um dort einzubrechen. Über sie wird zwischen IT-Si­cher­heits­ex­per­t*in­nen, Bürgerrechts- und Netz­ak­ti­vis­t*in­nen auf der einen Seite und der Law-and-Order-Fraktion auf der anderen kontrovers gestritten, nicht selten vor Gericht.

Schutz von Journalist*innen verletzt

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reicht an diesem Montag Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, um die Absichten des Landes Hamburg zum Einsatz des Staatstrojaners nach dem Verfassungsschutzgesetz zu prüfen. Außerdem wird gegen die Regelungen zur automatisierten Datenauswertung durch die Hamburger Polizei, eine Art digitaler Rasterfahndung, geklagt.

Vertreten werden bei diesem Verfahren eine Rechtsanwältin, Akti­vis­t*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen (darunter auch eine Redakteurin der taz), die nach Ansicht der GFF auf besondere Weise von den Ermittlungsmethoden betroffen seien. So werde der besondere Schutz der Kommunikation mit Anwält*innen oder Journalist*innen durch die Quellen-TKÜ, so wie sie geplant ist, potenziell verletzt.

Dazu komme die Möglichkeit der automatischen Erstellung von Profilen und Netzwerken von Personen besonderen Interesses für die Polizei. Was das für Journalist*innen, die zum Beispiel regelmäßig über soziale Bewegungen berichten, neben der drohenden Offenlegung ihrer Quellen bedeutet, ließ sich nicht zuletzt bei den G20-Protesten in Hamburg erleben, erklärt Bijan Moini von der GFF: „Die Betroffenen landen auf einer schwarzen Liste und dann wird ihnen die Akkreditierung entzogen.“

Die Rechtswidrigkeit dieser Quasikriminalisierung journalistischer Arbeit wurde nachträglich sogar gerichtlich festgestellt. Nicht einmal Mindeststandards für die Qualität der genutzten Daten bei ihrer automatischen Auswertung sind laut der GFF-Beschwerde nach der aktuellen Regelung des Hamburger Gesetzes gewährleistet.

Eingriffsschwelle zu niedrig

Dabei hat das Land spätestens seit dem G20-Desaster auch damit hinreichend Erfahrung. So war einem Journalisten die Akkreditierung nur wegen einer Verwechslung entzogen worden. Hamburgs Polizeipräsident musste sich deshalb im Nachgang entschuldigen.

Neben solchen, gegebenenfalls unmittelbar sichtbaren Folgen der geplanten Regelungen wird vor allem der Mangel an Kontrolle und Transparenz beim möglichen Einsatz des Staatstrojaners bemängelt. Gleiches gilt laut Bijan Moini für die automatische Datenauswertung: „Die Eingriffsschwelle ist viel zu niedrig.“

Der Hamburger Gesetzestext ermögliche den Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten den technischen Zugriff nicht nur bei der unmittelbaren Gefahrenabwehr, sondern schon vorher, wenn etwa eine Straftat vermutet wird. Die Ermittlungsbehörden könnten so nahezu ohne konkreten Anlass aktiv werden – ein Albtraum des Predictive Policing rückt in greifbare Nähe.

Ob derartige Regelungen des Hamburger Gesetztes und die Bundesgesetze vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben, ist noch offen. Wie bei den noch anhängigen Beschwerden anderer Organisationen und Einzelpersonen gilt auch für jene der GFF, dass bis zu einer Entscheidung noch Jahre vergehen können.

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