Reform des Verfassungsschutzrechts: Neue Schnüffel-Befugnisse
Der Verfassungsschutz darf künftig Messengerdienste überwachen. Auch auf Inhalte von Smartphones darf er zugreifen.
Die deutschen Nachrichtendienste dürfen sogenannte Trojaner (Spähsoftware) nutzen, um Messengerdienste zu überwachen. Sie dürfen aber keine Onlinedurchsuchungen in fremden Smartphones und Computern durchführen. Auf diesen Kompromiss hat sich die Bundesregierung geeinigt.
Die SPD gab nun grünes Licht, weil Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Gegenzug einer Rassismusstudie sowie der Streichung des Rasse-Begriffs aus dem Grundgesetz und der Erwähnung von Kindergrundrechten zustimmte.
Es geht vor allem um Befugnisse des Verfassungsschutzes. Dieser will auch dann Telefone überwachen, wenn die Kommunikation verschlüsselt ist. Hierfür muss die Kommunikation auf dem Smartphone oder Computer abgegriffen werden, bevor sie verschlüsselt wird. Dies nennt man Quellen-Telekommunikations-Überwachung (Quellen-TKÜ).
Außerdem will der Verfassungsschutz fremde Computerfestplatten und Smartphonespeicher kopieren, um zu sehen, ob jemand zum Beispiel über eine Bombenbau-Anleitung verfügt. Das ist die sogenannte Onlinedurchsuchung.
Lambrecht gibt nach
In einem ersten Gesetzentwurf wollte Seehofer den Geheimdiensten beides geben. Doch die damalige Justizministerin Katarina Barley (SPD) hielt das für so indiskutabel, dass ihr Ministerium nicht einmal dazu Stellung nahm.
Die seit Mitte 2019 amtierende neue Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich gesprächsbereiter, vor allem weil der Verfassungsschutz derzeit viel gegen Rechtsextremisten ermittelt.
Faktisch hat der Verfassungsschutz schon bisher Quellen-TKÜs durchgeführt, wohl gestützt auf die allgemeine Befugnis zur Überwachung von Telefonen.
Nun kommt noch die Befugnis dazu, Messengerdienste wie WhatsApp mittels Quellen-TKÜ zu überwachen. Ob die Dienste dazu technisch in der Lage sind, ist eine andere Frage und wird vom Verfassungsschutz nicht beantwortet.
Was die Polizei schon darf
Die geplante Regelung im Gesetzentwurf „zur Anpassung des Verfassungsschutzrechtes“ sieht nun eine „Quellen-TKÜ plus“ vor. Dabei darf der Trojaner nicht nur ein- und ausgehende Kommunikation überwachen, sondern auch die auf der Festplatte gespeicherte Kommunikation. Eine ähnliche Regelung gibt es seit 2017 bereits für die Polizei.
Dennoch ist die „Quellen-TKÜ plus“ wegen ihrer Nähe zur Onlinedurchsuchung umstritten. Mit dem Trojaner wird nicht nur das gleiche Instrument benutzt, der Trojaner greift nun sogar auf gespeicherte Inhalte zu – wenn auch nur in begrenztem Maße. Der Internetverband Eco hat deshalb den Gesetzentwurf kritisiert.
Eco lehnt es auch ab, dass die Telekom- und Internetprovider künftig eingespannt werden sollen, um die Spähtrojaner auf den Geräten zu installieren. Dies schwäche das Vertrauen der Kunden in die Firmen und generell in digitale Technologien, warnte Eco-Vorstand Klaus Landefeld.
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