piwik no script img

Anwohner klagen für Erhalt ihrer DörferVerfassungsgericht soll Kohle stoppen

Anwohner*innen des Braunkohletagebaus Garzweiler II ziehen vor Gericht. Der beschlossene Kohleausstieg bis 2038 wäre das Aus für weitere Dörfer.

9.8.2020, Dorfspaziergang in Keyenbergam Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler Foto: Bernd Lauter/CoverSpot/imago

Berlin taz | Betroffene des Braunkohletagebaus Garzweiler II nahe Erkelenz in Nordrhein-Westfalen haben beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen das Kohleausstiegsgesetz eingereicht. Mit dem neuen Gesetz sei der Handlungsauftrag der Kohlekommission „nicht ansatzweise eingelöst worden“, sagte Dirk Teßmer, der die Initiative „Menschenrecht vor Bergrecht“ als Rechtsanwalt vertritt. Diese will verhindern, dass weitere Dörfer dem Abbau zum Opfer fallen.

„Jeder sollte wissen, dass auch in Deutschland immer noch Menschen ihr Zuhause für den Abbau von Braunkohle verlieren – und das mit voller Zustimmung der Bundesregierung“, sagte Barbara Oberherr, eine Mitbegründerin der Initiative, die im bedrohten Dorf Keyenberg wohnt. Rechtsanwalt Teßmer geht davon aus, dass der „Garzweiler-Paragraph“ vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird.

Dieser stelle einen „einzelnen Tagebau ohne jegliche Begründung als energiewirtschaftlich notwendig dar“, sagte Teßmer. Die Rechte der vertretenen Anwohner*innen sollten „über der Förderung klimaschädlicher Braunkohle stehen“. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht in einem Gutachten vom Mai 2020 die Notwendigkeit des Garzweiler Tagebaus „weder aus energiewirtschaftlicher noch aus energiepolitischer Sicht“ als gegeben.

In Garzweiler war es immer wieder zu Protesten von Kohlegegner*innen gekommen. Jüngst besetzten Umweltschützer*innen Kohlebagger des Energiekonzerns RWE. Zehn Aktivist*innen waren mehrere Tage in Polizeigewahrsam und traten in den Hungerstreik.

Kohleausstieg bis 2038

Deutschlands Kohlekraftwerke sollen bis spätestens 2038 abgeschaltet werden. Anfang Juli hatten Bundestag und Bundesrat den Ausstieg aus der Kohleverstromung als einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele beschlossen.

Bevor spätestens Ende 2038 das letzte Kraftwerk vom Netz gehen wird, soll in den Jahren 2026, 2029 und 2032 überprüft werden, ob ein Ausstieg womöglich auch bis Ende 2035 möglich sei. Die Betreiber der Braunkohle-Kraftwerke sollen mit 4,35 Milliarden Euro vom Bund für die Stilllegung ihrer Anlagen entschädigt werden. Auch für den Steinkohle-Ausstieg gibt es Entschädigungen. Zur Strukturstärkung sollen die betroffenen Bundesländer Hilfen von insgesamt 40 Milliarden Euro für den Wegfall der Arbeitsplätze erhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Im Abschlussbericht der Kohlekommission wird auf Dörfer und Häuser nicht eingegangen. Wie kommt der Anwalt zu seiner Behauptung? Und selbst wenn dem so wäre, die Ergebisse der Kohlekommission haben keinerlei rechtliche Bindung. Was soll als diese Laienspieltheater? Hier wird die Justiz wiedereinmal für politische Zwecke missbraucht.

    • @DiMa:

      Nur mit der Begründung "energiewirtschaftlich notwendig" ist es in Deutschland legal Menschen aus ihrer Heimat zu vertreiben und ihr Eigentum und ihre Geschichte dort dem Kohleabbau zu opfern - und sie mit staatlichem Geld umzusiedeln. (Ähnliches gilt für Autobahn- oder Flughafenbau) Ich bin mir sicher dass Sie ebenfalls klagen würden wenn ein nicht mehr energiewirtschaftlich notwendiger Kohleabbau der nun auch von Staats als nicht mehr nötig und extrem umweltschädlich erklärt wurde zu Gunsten eines politischen Deals mit der Betreiberfirmen noch ein paar Jährchen weiterlaufen darf und nur wegen dieses Deals ihr Dorf kurz vor dem Ausstieg für ein paar Euro mehr Gewinne eben noch abbaggern darf. Von politischer Vereinnahmung kann hier nicht die Rede sein. Es klagen die Betroffenen aus den Dörfern.

    • @DiMa:

      So ist es, man kann nicht dagegen klagen, Verfassungsbeschwerde einlegen weil man möglichre´rweise irgendwann mal enteignet wird. Und wenn eine Enteignung droht muß man sich erst durch die Instanzen klagen und kann dann das Verfassungsgericht anrufen.