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Lüftungskonzepte in Schulen und CoronaUps, schon Herbst

Den Bildungsministerien fällt auf, dass Lüften im Winter nicht funktioniert. Geld für teure Filteranlagen wollen sie aber nicht ausgeben. Und nun?

Lüften als Coronaprävention funktioniert derzeit noch. Doch was passiert, wenn es wieder kalt ist? Foto: Jochen Tack/imago

Es ist schon erstaunlich. Die ganzen Sommerferien lang hätten die Kultusministerien Zeit gehabt, über die Frage nachzudenken, wie der „pandemiegerechte“ Unterricht eigentlich in der kalten Jahreszeit funktionieren soll.

Genauer: wie das im Herbst und Winter mit dem wissenschaftlich dringend empfohlenen Dauerlüften der Klassenzimmer gehen soll – immerhin die einzige Hygienemaßnahme, die in den Klassenzimmern noch gilt seit dem Schulstart. Masken tragen und Abstand halten haben die Kultusminister:innen ja für unvereinbar mit dem Regelunterricht erklärt.

Aus guten Gründen übrigens. Im Umkehrschluss bedeutet das aber: ohne regelmäßiges Lüften kein wirksamer Infektionsschutz. Sie wissen schon, die Aerosole. Umso verwunderlicher, dass die Landesregierungen die Lüftungsfrage bislang hinten angestellt haben.

Die jeweiligen Hygienekonzepte zum Schulstart schreiben zwar ein regelmäßiges Lüften vor: Stoß- oder Querlüftung (auf keinen Fall die wirkungslose Kipplüftung), am besten vor, nach und während des Unterrichts. Und natürlich in den Pausen.

Schwächen im Lüftungskonzept

Ach ja, ein „Lüftdienst“ wäre auch hübsch, meinetwegen auch eine Luftgüteampel, die anzeigt, wie dringend gelüftet werden muss. Und die Frequenz, na ja, da gibt es die föderalismusimmanenten Ausschläge: In Niedersachsen oder Bremen soll alle 45 Minuten gelüftet werden, in Rheinland-Pfalz alle 20 Minuten.

Doch in keinem Konzept steht, wie das Lüften – sagen wir – bei Minusgraden aufrechterhalten werden kann. Die Empfehlungen, Schulstunden nach Möglichkeit ins Freie zu verlegen, sind wohl unter dem Eindruck einer heißen Sommerwoche als praktikabel befunden worden.

Doch nun, nach den ersten herbstlichen Tagen, dämmert wohl selbst den Ministerien, dass ihr Lüftungskonzept Schwächen hat. Der in Rheinland-Pfalz zuständige Staatssekretär kündigte gerade an, dass das Hygienekonzept für die Wintermonate überarbeitet werden müsse.

Wie genau, weiß er selbst nicht. Man wolle dazu Schulträger, Virolog:innen, Lehrer:innen und Schüler:innen an einen Tisch bringen. Aha. Nur eins steht fest: Filteranlagen, die die Aerosolkonzentration in ungelüfteten Räumen vermindern könnten, sind dem Ministerium zu teuer. Außer natürlich der Bund würde finanziell aushelfen.

Noch gravierender sind die Versäumnisse in Nordrhein-Westfalen (das auch schon angekündigt hat, keine „Unsummen“ für Luftfilter ausgeben zu wollen). Dort weiß das Schulministerium noch nicht mal, wie viele Schulen aus baulichen Gründen gar nicht ordentlich in ihren Klassenzimmern lüften können.

Historisches Vorbild

Vergangene Woche – einen Monat nach dem Schulstart – immerhin kündigte CDU-Landesvater Armin Laschet an, bei den 5.500 Schulen im Land diesbezüglich nachzufragen.

Man rechne damit, dass ein Prozent der Schulen von baulichen Mängeln betroffen sind. Was die Opposition zu Recht bezweifelt – in einer WDR-Umfrage im März berichteten 80 Prozent der befragten Schulleiter:innen von baulichen Mängeln – und deshalb Laschets Lüftungskonzept am heutigen Mittwoch im Landtag besprechen möchte.

Das ist erfreulich, kommt aber möglicherweise zu spät. Denn wenn die Schulen nicht lüften können – weil die Fenster sich nicht öffnen lassen oder weil es draußen schlicht zu kalt ist – und die Länder kein Geld für Luftfilter ausgeben wollen, dann bleiben nur zwei Optionen: beim Thema Mundschutz oder Abstandsregeln nachjustieren (was die Länder vermeiden wollen) oder sich von der Geschichte inspirieren lassen.

Als vor etwa hundert Jahren die Tuberkulose in den USA wütete, gründeten sich 65 Open-Air-Schulen. Krank soll auch im Winter übrigens niemand geworden sein. Nicht bekannt ist, ob sich die Schüler:innen trotz Kälte konzentrieren konnten.

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12 Kommentare

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  • danke. ich finde, dieser kommentar zeigt sehr schön, wie sich jugendliche (und garantiert kinder; diese werden nur noch weniger gefragt) tatsächlich fühlen. leider wurde schon während der akuten krise nur über die alte generation und nicht über die der zukunft gesprochen. sehr schön, wie wählende menschen mehr wert sind als die, die unsere zukunft sind.

  • Den Schülern dicke Klamotten anziehen ja das wird die Lösung sein. In meiner Klasse (13) sitzen jetzt schon alle mit mehreren Schichten, Winterjacken und Decken da weil es scheiße kalt ist und der Wind durch die dauerhaft geöffneten Fenster pustet. Hab mir auch schon einen aufgesetzt. Ich will den Herbst erst gar nicht erleben und den Winter erst recht nicht. Anstatt man für die jungen Schüler, die es wirklich nötig haben in Luftfilteranlagen investiert und die Großen die alleine lernen können und momentan am schlimmsten von Corona betroffen sind zu Hause lässt aber neiiiiiin lieber sollen alle frieren. Danke ihr tollen Minister. Danke für nichts.

  • Meine Güte, dann ziehen sich die Kinder eben einen dicken Pullover an und dann wird eben in jeder kleinen Pause mal 5 Minuten gelüftet. Es herrschen ja nun nicht in jedem Winter flächendeckend -20 Grad.

    • @Suryo:

      Ja, so werden die Kultusminister auch gedacht haben.

      Leider ist das alles nicht so einfach -:)

      Die Wirkung des normalen Stoßlüftens bei weit geöffneteten Fenstern globaler Luftaustausch) hängt ab von der Größe der Fensteröffnungen im Verhältnis zum Raumvolumen - den häufigen Klassenraum von 6x8x3m = 144 cm kriegen Sie nicht einmal in 20 Min ausgetauscht.



      Daneben spielt die Temperaturdifferenz innen/außen und die Luftbewegung/Windgeschwindigkeit eine wesentliche Rolle.

      Beachtet man noch den hygienisch notwendigen Luftaustausch, so müsste die Luft ca 6 mal pro Stunden umgewälzt und gefiltert (HEPA Stufe 13 oder 14) werden - oder eben bis zu 6 mal ausgetauscht werden.

      Nicht außer acht lassen darf man auch den energetischen Luftaustausch. Die Räume sollen ja im Sommer kühl und im jetzt kommenden Herbst und Winter warm sein /Temperaturvorgabe in Schulen üblicherweise 21 Grad Celsius.



      Hier wäre jeweils zuklären, wie die Temperatur durch Lüften absinkt und wie lange es dauert, bis die Soll- Temperatur nach dem Lüften wieder erreicht wird.

      • @horsefeathers:

        Die Temperatur ist wirklich das geringste Problem. Sind wir mittlerweile derart verweichlicht, dass wir allen Ernstes darüber diskutieren, ob einem Kind nicht mal 45 Minuten bei 15 grad zuzumuten sind?

        • @Suryo:

          Mit verweichlicht hat das nichts zu tun (es sei denn man will "kleine Germanen" erziehen)



          Schau'n Sie doch mal in die gängigen Arbeitsschutzrichtlinien --> vorgeschriebene Raumtemperatur bei sitzender Tätigkeit. Da haben sich Arbeitsmediziner hinreichend Gedanken gemacht.

  • Bei meiner Frau an der Schule (Neubau!) geht gar nichts anderes als Kipplüftung mit einem schmalen Fenster. An der Schule, in der ich arbeite, bekommt man in vielen Klassenzimmern kaum eine Zirkaulation hin, auch wenn man Fenster und Türen öffnet. Und das dürften wohl nicht die beiden einzigen Schulen sein, an denen schon das aktuelle Konzept kaum funktioniert.

    Offenbar haben die Herren und Damen KultusministerInnen noch nicht begriffen, dass es sich im Klassenzimmer entscheidet, inwieweit Fernunterricht die Ausnahme bleibt. Aber eines haben sie kapiert: Bildung darf nicht viel kosten.

  • Weshalb funktioniert Lüften im Winter nicht? Einfach die Heizungen etwas mehr aufdrehen. Gegebenfalls kann man ein paar Heizstrahler aufstellen.

    • @DiMa:

      Top Idee - seit Jahrzehnten sind die Schulträger mehr schlecht als bei der energetischen Sanierung der Nachkriegsschulbauten zugange - und jetzt heizen wir die Umwelt direkt ?

      Und Heizstrahler - vorne warm und hinten kühl - oder umgekehrt - sind fast ein Garant für Erkältungskrankheiten (mal vom zusätzlichen Energieverbrauch abgesehen).

  • "Die ganzen Sommerferien lang hätten die Kultusministerien Zeit gehabt, über die Frage nachzudenken, wie der „pandemiegerechte“ Unterricht eigentlich in der kalten Jahreszeit funktionieren soll."



    Also bitte! In den Sommerferien?? Da müssen wir doch Urlaub machen...das gilt wohl auch für Politiker. In einer Welt voller Egoismen, in der fast jeder nicht bereit ist sich angesichts aktueller Bedrohungen (Corona, Erderwärmung u.v.m) aus seiner Komfortzone zu bewegen ist das doch wohl logisch. Schnelle Lösungen, nicht nachhaltiges Denken ist der Leitspruch. Auch, wenn dadurch letztlich noch mehr Probleme geschaffen werden. Das Verschieben von Problemen ist Tagesordnung und das gilt für alle Seiten. Erstmal in den Urlaub fahren, das hab ich mir verdient und dann sollen die Politiker mal eine Lösung präsentieren. Es geht schließlich um meine Kinder, meinen Job, meine Gesundheit. Dass wir keine Solidargemeinschaft mehr sind, sondern eine Ego- Gesellschaft ist ein langer Prozess und es braucht einen ebenso langen, um das wieder zu ändern.

  • Warum, warum nur muss immer NRW diese unrühmlich Rolle spielen? Der rheinische Frohsinn zeigt in der Bildungspolitik regelmäßig seine Kehrseite: Wenn's nicht schön ist, wegschauen. Nachdenken, aussprechen, handeln würde das Hässliche ja nur noch sichtbarer machen.



    Dafür hat der Rheinländer als solcher wenig übrig und kein Konzept.



    Sagt die Rheinländerin im Exil...

  • Tja, würde sagen da kommt raus, dass die Kultusminister*innen offenbar reine Frühstücksdirektor*innen sind.

    Bei schönen Wetter, guten Wind Alle gute Käptains sind ...