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Aktivisten treten zur Wahl anFridays for Bundestag

Mehrere Aktivist*innen der Klima-Bewegung Fridays for Future treten zur Bundestagswahl an. In einigen Basisgruppen kommt das nicht gut an.

Ex-FFF-Bundessprecher Jakob Blasel mit Thunberg und Neubauer auf einer Demonstration 2019 Foto: Marksu Heine/imago

Berlin taz | Nachdem die SPD kürzlich mit der Bekanntgabe ihres Spitzenkandidaten Olaf Scholz verfrüht den Bundestagswahlkampf eingeläutet hat, steigt jetzt auch Fridays for Future (FFF) ein. Der Ex-Bundessprecher Jakob Blasel kündigte am Montag an, über die schleswig-holsteinische Landesliste der Grünen kandidieren zu wollen. Der Magdeburger FFF-Aktivist Urs Liebau will für die Grünen Sachsen-Anhalt in den Bundestag. Weitere Aktivist*innen werden vermutlich noch folgen. Nach Aussagen der Aktivist*innen laufen auch Gespräche mit den Sozialdemokraten und der Linkspartei.

Der 19-jährige Blasel engagiert sich seit drei Jahren beim Grünen-Landesverband Schleswig-Holstein. Im Dezember 2018 vernetzte er sich über Whatsapp mit anderen Schüler*innen und initiierte gemeinsam mit ihnen Fridays for Future Deutschland. Er trat als Bundessprecher für die Bewegung auf und war bei größeren Projekten wie dem Gespräch mit Siemens-Chef Joe Kaeser dabei.

Im Juli zog Blasel sich aus der Pressearbeit für die Schüler*innenbewegung zurück, um nicht in einen Zwiespalt zu geraten. Die Kandidatur für das Parlament sei der „logische Schritt“ für ihn, sagt Blasel. „Ich kann aber auch verstehen, wenn andere Aktivist*innen ihre Position woanders sehen.“ Fridays for Future werde weiterhin überparteilich bleiben und keine Partei offiziell unterstützen.

Bei den Mitstreiter*innen umstritten

Der Schritt führender FFF-Aktivist*innen in die parlamentarische Politik kommt nicht wirklich überraschend. Mehrere Fridays-Mitglieder, auch Luisa Neubauer, sind Mitglieder der Grünen oder engagierten sich schon bei der Grünen Jugend. Allerdings zeigt der Schritt die zunehmende Entfremdung zwischen den bekanntesten und führenden FFF-Aktivist*innen und den Basisgruppen. Dort herrscht teilweise Unmut über die Ankündigung Blasels und Liebaus. Dass die FFF-Mitglieder in den Parteien das klimapolitische Ruder herumreißen können, bezweifeln viele.

„Ich bin mit Jakob befreundet und respektiere den Schritt natürlich“, sagt Leonie Bremer, Bundesdelegierte von Fridays for Future. Sie selbst könne sich das nicht vorstellen. „Auch das Programm der Grünen ist noch nicht konform mit dem 1,5-Grad-Ziel“, so die Aktivistin. Es geht um das Vorhaben, die globale Erwärmung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu stoppen, eines der Ziele des Paris-Abkommens.

„Da müssen unglaublich viele Kompromisse gemacht werden, die wir uns beim Klimaschutz nicht leisten können, vor allem im Falle einer schwarz-grünen Regierung“, beklagt Bremer. Fridays for Future müsse zwar „krass auf die Bundestagswahl hinarbeiten“, der Druck müsse aber von der Straße kommen.

So sieht das auch Elena Balthesen von Fridays for Future München. „Es war bisher nicht unser Ansatz, dass eine Handvoll gut vernetzter Aktivist*innen in Parteien und Parlamente geht und dort im schlimmsten Fall Legitimität für schlechte Klimapolitik schafft“, sagt sie. Keine der vertretenen Parteien mache „1.5-Grad-konforme Politik“, betont Balthesen. „Zu unseren Grundsätzen gehören der Protest auf der Straße und die Parteiunabhängigkeit.“ Ankündigungen wie die von Blasel und Liebau sieht sie als Abkehr von diesen Prinzipien.

Einige radikaler, andere professioneller

Blasel sieht seine Ankündigung nicht als Zeichen für eine neue Epoche bei Fridays for Future. „Umbrüche kommen nicht so abrupt, aber wir haben uns als Bewegung stark verändert“, sagt er. „Einige haben sich radikalisiert, andere professionalisiert.“ In dem Alter der jungen Aktivist*innen sei es schließlich normal, dass sich Ansichten und Lebensumstände veränderten.

Auf die Frage, was es bedeuten würde, nach einer erfolgreichen Kandidatur eventuell Teil einer schwarz-grünen Koalition zu sein, antwortet der 19-Jährige: „Ich habe mit vielen Parteien Probleme, aber solange das Parlament nicht zum großen Teil aus radikalen Bewegungsakteuren besteht, muss man Kompromisse machen.“ Außerdem sei es viel zu früh, über mögliche Koalitionen zu spekulieren. Eine klassische Politiker*innenantwort.

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22 Kommentare

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  • In den Bundestag gewählt werden sollten nur Menschen mit einer Ausbildung und anschließender mehrjährigen Berufserfahrung. Besonders engagierte aus BI's oder anderen Bewegungen können den Abgeordneten zuarbeiten oder diese beraten.

    • G
      Gast
      @Altgrüne:

      Warum sollten nur Menschen mit Ausbildung und Berufserfahrung in den Bundestag gewählt werden? Dieser sollte in einer Demokratie doch die Bürger:innen repräsentieren und einen Querschnitt durch die Gesellschaft darstellen!?

  • Es sind tausende Engagierter. Viele Tausende.



    Die Parteien suchen Nachwuchs.



    Wen wundert es, dass einige dann auf die Listen kommen? Natürlich die, die gut reden können.



    Andere werden in klimaschädlichen Betrieben arbeiten, und noch andere studieren kurz oder lang.



    Einige werden sogar SUV fahren.



    Tausende entwickeln sich logischerweise in der ganzen gesellschaftlichen Bandbreite!

  • Zivilgesellschaft /Spalte/ Politik

  • Auch FFF muss sich klar sein, dass doch einige unter ihnen sind, deren Hauptziel es ist, ihr eigenes Ich zu bedienen.

    • @APO Pluto:

      Klar. Haben Sie sicher eingehend anlysiert und ferndiagnostiziert. Wer die Welt retten will, muss ja einen an der Klatsche haben.

      • @Mitch Miller:

        Ich habe nicht davon geschrieben, das irgendjemand einen an der Klatsche hat.



        Ich habe auch nichts analysiert, dass sind Erfahrungswerte.

  • Für den Bundestag mag das eine Bereicherung sein. Für den Klimaschutz mag der Nutzen überschaubar sein. Und für die Lebensplanung der jeweiligen Kandidaten? Das müssen diese selber bewerten. - Auch außerhalb des BTs kann man viel bewirken - mitunter vermutlich sogar freier auftreten.

    • @Harald Hansen:

      Da gibt's aber nicht so easy so n gutes Gehalt, Privilegien, Einladungen, Aufmerksamkeit.

  • Ich sage Danke



    Jakob Blasel. Kandidatur für das Parlament, über die schleswig-holsteinische Landesliste der Grünen



    sei der „logische Schritt“ für ihn.

    Danke für die frühzeitige Ankündigung.



    Damit haben die Grünen meine Stimme verloren.

    Ich möchte Lebenserfahrene Politiker im Parlament.



    Keine Jungspunde die ihre Träumereien über Landeslisten versilbern wollen.

  • Traurig aber erwartbar.

    Das argument des revolutionären parlamentarismus erscheint vorgeschoben. Da fällt einem doch als erstes das Lenin zitat zur revolution in deutschland ein.



    Mir scheint es eher so, als ob Blasel seinen bürgerlichen wurzeln treu bleibt und einen sicheren gutdotierten posten inkl. parteikarriere anstrebt.

    Ein stoß in den rücken von FFF, denn dass er bei den weichgespülten Grünen, die für eine regierungsbeteiligung den letzten rest anstand verkaufen werden, gegen den strom schwimmen wird glaubt wohl keiner.

    Nur eine frage der zeit bis auch Neubauer das langsam sinkende FFF schiff verläßt.

    Die APO diente wiedermal nur als sprungbrett, schade für alle die ihre hoffnungen in echten wechsel in karrieristen gesetzt haben und nun die quittung erhalten werden.

  • Ich seh´das pragmatisch. Da wo Fridays sitzen fehlt dann ein anderer, der womöglich genau das Gegenteil gewollt hätte.

    Es wäre sehr schade, wenn Uneinigkeit die Fridays zerlegt. Sie sollten alle weitermachen, jeder an der Stelle, wo er sich am wirksamsten sieht.

  • Ich bin etwas überrascht, mit welcher Geschwindigkeit Klimaaktivisten und Aktivistinnen ins Lager der etablierten Wohlfühlgemeinde wechseln. Dachte ich doch, dass die Vereinnahmung durch etablierte Parteien bis hin zur Anpassung ein paar Jahre dauern würde.

    Meine Vorbehalte gegen FFF, sich zu sehr auf die etablierten Politiker zu verlassen, scheinen weiter bestätigt zu werden. Auch hier macht sich das Fehlen einer linken Oppositionsbewegung schmerzhaft bemerkbar.

    • @Rolf B.:

      Das ist -- gewollt oder ungewollt -- unfair.

      Wir sind in der Situation, dass die träge Mehrheit keinen Bock hat einzusehen, dass da ein Problem auf uns zurauscht. Und dass sich das Problem nicht dadurch alleine beseitigen lässt, dass wir ein wenig magischen Technologiestaub [1] drüberstreuen, sondern dass echte Verhaltensänderungen unsererseits anstehen.

      Ein Teil der Arbeit wird es sein, Mehrheiten zu beschaffen: wir leben in einer Demokratie, da geht es halt nicht anders.

      Insofern finde ich diesen Schritt realistisch, nüchtern und vernünftig. Klar birgt er auch Gefahren -- wenn FfF nicht in der Lage ist, das ausserparlamentarische Momentum aufrechtzuerhalten, dann wird's im Parlament auch nicht reichen.

      Sich gegenseitig mit Schlamm zu bewerfen ist es nicht (und das scheinen sie ja auch zum Glück nicht zu machen).

      Wir brauchen alles. Ohne -- wird's scheitern. Oder hoffen Sie insgeheim, dass es scheitert, weil "das mit dem Klimawandel ist eh' übertrieben"? Ich wage nicht einmal, Ihnen das zu unterstellen.

      [1] Bin kein Technologiefeind, im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass wir angesichts der anrollenden Klimakrise *alles* brauchen, was wir kriegen können, wenn's nicht allzu schmerzhaft werden soll.

      • @tomás zerolo:

        "Ein Teil der Arbeit wird es sein, Mehrheiten zu beschaffen: wir leben in einer Demokratie, da geht es halt nicht anders."

        Er spricht jetzt schon von Kompromissen - von Kompromissen einer Partei, die nicht auf 1,5-Grad-Linie ist mit einer Partei, die davon weit entfernt ist.



        Wie viel deutlicher kann man noch sagen, dass einem der ganze Kram Wurscht ist?

        • @MontNimba:

          Deshalb braucht es weiter den Druck von der Strasse.

          Aber dieser alleine macht es nicht. Wir brauchen definitiv beides, und diejenigen, die jenseits der "Blase der Überzeugten" versuchen, andere zu überzeugen verdienen mein Respekt und meine Unterstützung.

    • @Rolf B.:

      Wenn man seine Karriere so früh startet, bringt man es mit Beharrlichkeit, Elan, Geduld und Spucke womöglich zu einem Ministerposten.

      Oder sogar ins Bundeskanzleramt.

      • @Jim Hawkins:

        Ob die SchnellstarterInnen ins etablierte Lager beharrlich sein werden, muss sich noch zeigen. ;)

  • Ich verstehe dieses Gezerre nicht. Wir *brauchen* die volle Breite. Wir brauchen die Strasse. Wir brauchen aber auch die Politik. Und wenn manche losziehen, um Baerbock, Habeck & Co Feuer unterm Hintern zu legen -- go for it! Auf dass die nicht --hö hö- zu behäbick werden.

    • @tomás zerolo:

      Auch hier:



      Welches Statement ais dem Artikel bringt Sie zu der Hoffnung, dass hier jemand "loszieht, um Baerbock, Habeck & Co Feuer unterm Hintern zu legen"?



      "Sprungbrett", wie oben geschrieben wurde, trifft es da besser.

      • @MontNimba:

        Jedenfalls besser als nörgeln.

  • Die sind ja schneller als jede andere Bewegung vor ihnen. Sapperlot.