Leben im Digitalen: Zurück zu den Moorhühnern

Ob Schlaf- oder Fitness-Apps, ob koscheres Smartphone, Echokammern oder Filterblasen: Themen für diese Kolumne gab es immer genug.

Eine Frau mit Flinte im Gebüsch

Eine Frau mit Flinte, nicht die Autorin, im Gebüsch Foto: UIG/imago images

Erinnern Sie sich noch an die Moorhühner? In meiner ersten Kolumne habe ich von einer Studie berichtet, die zeigte, dass „Cyberloafing“, also das Vertrödeln von Arbeitszeit, etwa beim Computerspiel „Moorhuhn“, weit verbreitet ist. Es kann helfen, in einem unangenehmen Job Stress abzubauen.

Es blieb nicht das einzige Verhalten in der digitalen Welt, das ich samt zugehöriger Studienlage beschrieb. Die Sache mit dem Smartphone und dem Schlaf etwa: Schlaf-Apps sind ungenau, helfen aber, sich mit Schlafstörungen auseinanderzusetzen. Oder Onlinebeschwerden: Die meisten Menschen, die sich online erzürnen, sind laut einer Studie „rachsüchtige Loya­listen“, die von einer geliebten Marke enttäuscht wurden. Und in einem Shitstorm sind wir eher bereit, jemanden zu verurteilen, wenn wir glauben, dass die Mehrheit es tut.

Darüber hinaus sparte ich nicht mit Tipps aus wissenschaftlichen Arbeiten: Um der unangenehmen Situation zu entgehen, nach einem Beziehungsende vor einem gigantischen „digitalen Nachlass“ zu stehen, empfahl ich, die Fotos mit dem oder der Liebsten schon mit klingenden Dateinamen abseits von IMG123.jpg zu versehen, sodass sie dann schnell und ohne Ansehen gelöscht werden können.

Ich lieferte Tipps zur digitalen Sicherheit – lange Passwörter können wir uns nicht merken, weil wir an unserer Merkfähigkeit zweifeln –und fürs Homeoffice: Weil Studien zeigen, dass die Arbeit von zu Hause die Beziehung zu Kollegen verschlechtert, weil das Tratschen fehlt, empfahl ich, liebevolle Gerüchte zu verbreiten. Wer den Inhalt von Videos besser im Kopf behalten will, sollte vor dem Ansehen Fragen zum Inhalt – durchaus auch falsch – beantworten.

Geduld im Digitalen

Ich offenbarte tiefe Einblicke in mein eigenes Leben. Sie lasen von den unbekannten Seelen in meinem Posteingang und einem Liebesbrief an mein Smartphone. Sie blieben geduldig, als ich meinen E-Mail-Hass ausdrückte und beklagte, dass sich kaum jemand an die Etiketteregeln der E-Mail-Onlinecharta hielt und Dateianhänge vermied oder das Kürzel NNTR („no need to reply“).

Sie ertrugen, als ich Ihnen von meiner Fitness-App erzählte, die, wie ich einer Studie entnahm und am eigenen Leib erfuhr, nicht von allein sportlich macht. Zunächst muss man sich selbst eine Identität als fitte Person zulegen.

Von Tinder, dem Ego-Booster voller Widersprüche, bis zum koscheren Smartphone, auf dem neben dem Internetzugang auch die SMS-Funktion deaktiviert ist; vom Effekt des Trauerns auf Social Media nach Promi-Toden bis zu den Risikofaktoren der Smartphone-Sucht bei Kindern und Jugendlichen; vom Unterschied zwischen Echokammern und Filterblasen bis zu einer Erklärung, warum sich Technologiepaniken ständig wiederholen, beschrieb ich, wie sich die Wissenschaft dem Internet nähert.

Es war super. Trotzdem muss ich nun zurück zu den Moorhühnern.

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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