Handynutzung in der Jugend: Mädchen druffer als Jungs?

Forscherinnen und Forscher von der Medizinischen Universität Wien sammeln Infos zu Smartphoneabhängigkeit. Das ist gar nicht so einfach.

Ein Junge allein mit Smartphone

Eigentlich ja ganz leicht, aber trotzdem „Verdammt schwer, es aus der Hand zu legen“ Foto: Gaelle Marcel/Unsplash

Mein erstes Handy bekam ich mit elf, mein erstes Smartphone mit Anfang zwanzig. Ein Jahrzehnt später kann ich mir ein Leben ohne das Endgerät kaum mehr vorstellen. Bisweilen werde ich unruhig, weil das Ding nicht griffbereit liegt. Aber bin ich deshalb das Sorgenkind der Forscherinnen und Forscher? Weit gefehlt.

Mein Hirn ist fertig entwickelt, meine prägendsten Lebensphasen habe ich hinter mir. Das Smartphone beeinflusst zwar mein Verhalten, aber nicht unbedingt nachhaltig. Anders ist es bei Kindern und Jugendlichen. Und da gibt es erstaunlich wenige gesicherte Antworten auf die Frage, welche Auswirkungen Smartphones auf ihre Entwicklung haben.

Im vergangenen Jahr erschien eine systematische Übersichtsarbeit in der wissenschaftlichen Zeitschrift Neuropsychiatrie. Die Forscherinnen und Forscher, allesamt von der Medizinischen Universität Wien, wollten herausfinden, welche Risikofaktoren bei Kindern und Jugendlichen dazu beitragen, dass diese süchtig nach ihrem Smartphone sind.

Sie führten keine eigene Studie durch, sondern durchforsteten die vorhandene Literatur. 38 Studien wurden inkludiert, allein 16 davon stammen aus Südkorea, einem Land, in dem 96 Prozent der Teenagerinnen und Teenager ein Smartphone besitzen.

Alles logisch?

Auf den ersten Blick scheinen die Ergebnisse einleuchtend: Wer das Smartphone benutzt, um auf sozialen Netzwerken aktiv zu sein, hat ein höheres Suchtrisiko, ebenso wie jene Menschen, die gerne darauf spielen. Unter Teenagerinnen und Teenagern scheinen Mädchen einem etwas höheren Risiko ausgesetzt zu sein. Die Nutzung des Smartphones zur Entspannung und Unterhaltung ist ebenfalls ein Faktor. Und umgekehrt schützen eine gute Beziehung zu den Eltern, stabile Freundschaften und emotionale Stabilität vor Sucht. So weit, so logisch.

Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen – wissenschaftlichen Konsens gibt es nicht. So ist etwa der Gender-Unterschied umstritten. Warum? Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass es mit fehlender Einheitlichkeit zu tun hat. So wurden beispielsweise zwei unterschiedliche Maßstäbe verwendet, um die Abhängigkeit zu messen. Andere Studien entwickelten ihre eigenen Fragebögen. Die Smartphonesucht gilt aktuell nicht als klinische Diagnose. Wo problematisches Verhalten beginnt, ist deshalb nicht eindeutig definiert.

Die Studien unterschieden nicht unbedingt die Art des Smartphones oder fragten ab, wofür es verwendet wurde. Soziale Netzwerke gibt es beispielsweise viele, und sie ändern sich laufend. „Es muss zwischen Süchten nach dem Smartphone und Süchten auf dem Smartphone unterschieden werden“, resümieren die Autorinnen und Autoren der Arbeit.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Nutzen tun wir das Ding trotzdem weiter. Es ist schließlich verdammt schwer, es aus der Hand zu legen.

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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