Bundesweite Maskenpflicht: Chaotische Regelbeschlüsse

Der Mund-Nasen-Schutz wird im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel Pflicht. Das wirft auch Fragen auf.

Zwei Menschen mit blau-weißen Trachtenmasken mit König Ludwig- und Sissy-Motiven

In Bayern kosten Verstöße gegen die ab Montag geltende Maskenpflicht ein Bußgeld von 150 Euro Foto: Felix Hörhager/dpa

Nun also doch. Nachdem in der vergangenen Woche einige schon vorgeprescht waren, gilt ab diesen Montag in fast allen Bundesländern eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und – mit einer Ausnahme – im Einzelhandel. Als letztes Bundesland folgt Schleswig-Holstein dann am Mittwoch. Gut so. Nur: Warum kommt diese Verpflichtung erst jetzt?

Seit eineinhalb Monaten befindet sich die Bundesrepublik im Corona-Ausnahmezustand. Hat sich seitdem etwas an der wissenschaftlichen Erkenntnis über den Nutzen eines Mund-Nasen-Schutzes geändert? Nein, das hat es nicht. Trotzdem haben die Bundesregierung und die Länder lange Zeit eine Maskenpflicht abgelehnt – mit vermeintlich medizinischen Argumenten.

Dabei war der reale Grund ein rein pragmatischer. Er lag in den Beschaffungsengpässen, mit denen Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen konfrontiert waren und die nicht noch vergrößert werden sollten. Besser wäre gewesen, das auch genau so zu kommunizieren. Wer grundsätzlich argumentiert, wenn es um ein praktisches Problem geht, hat bei einem Richtungswechsel schnell ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Auch die Umsetzung der Maskenpflicht wirft Fragen auf. Besteht in den Geschäften Berlins eine geringere Ansteckungsgefahr, oder warum muss man in der Hauptstadt einen Mund-Nasen-Schutz nur im öffentlichen Nahverkehr tragen, nicht aber wie andernorts auch im Einzelhandel? Warum gilt die Tragepflicht in den meisten Ländern nicht für Kinder im Vorschulalter, aber in Sachsen oder Sachsen-Anhalt ohne Altersbeschränkung? Wieso kostet ein Verstoß gegen die Maskenpflicht in Bayern ein Bußgeld von 150 Euro, in Mecklenburg-Vorpommern 25 Euro – und in etlichen Ländern gar nichts? Es gibt keine schlüssige Erklärung für solch ein uneinheitliches Vorgehen.

Mangel an einfachen medizinischen Atemschutzmasken

Ein Grundproblem bleibt zudem: Nach wie vor gibt es einen Mangel an einfachen medizinischen Atemschutzmasken, sprich: OP-Masken, in Deutschland. Als Ausweg gilt inzwischen, dass auch selbstgebastelte Masken ebenso wie Schals oder Tücher verwendet werden dürfen. Wieder so eine pragmatische Entscheidung – die nicht nur Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery als „lächerlich“ bezeichnet, sondern auch beispielsweise SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach noch Anfang des Monats als „bedenklich“ abgelehnt hatte.

So hübsch sie bisweilen auch aussehen: Tatsächlich können Bastelmasken, Schals und Tücher nicht mehr als ein Notbehelf sein. Das sollte nicht schöngeredet werden. Bund, Länder und Kommunen stehen jedenfalls weiter in der Verantwortung, sich intensiv darum zu bemühen, dass es schnellstmöglich genügend echte Schutzmasken für jede und jeden in Deutschland gibt.

Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, dass es nun eine bundesweite Maskenpflicht gibt. Der Mund-Nasen-Schutz ist zwar unbequem und schützt den oder die Träger:in selbst nur in geringem Maße, aber dafür schützt er auf jeden Fall andere. Und er ist ein unübersehbares Signal, dass die Co­rona­krise noch nicht überwunden ist. Auch das sollte nicht unterschätzt werden.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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