Fachkräftemangel in Deutschland: Die bestmögliche Option

Deutschland wirbt um gut qualifizierte Fachkräfte. Um diese Menschen zu gewinnen, reicht es nicht, die bloße Möglichkeit für ihr Kommen zu schaffen.

Eine junge Schweißerin blickt durch eine Schutzbrille

Deutschland ist auf der Suche nach Fachkräften – ist aber dennoch nicht weltoffen Foto: Ingo Wagner/dpa

Deutschland ist jetzt ein Einwanderungsland. So sagte es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach dem Fachkräftegipfel Anfang der Woche im Kanzleramt stolz. Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier freute sich deutlich auf mehr Fachkräfte – wegen der Aussicht auf mehr Wirtschaftswachstum.

Allein: Ob mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nun bald Fachkräfte in Saus und Braus nach Deutschland kommen, ist mehr als fraglich. Und das liegt nicht nur an dem neuen Gesetz – sondern an Deutschlands Verfasstheit.

Schon früh haben Expert*innen die zahlreichen Fallstricke des Gesetzes kritisiert. Das Festhalten an einer notwendigen Gleichwertigkeit der Berufsabschlüsse, auch wenn das duale Bildungssystem in Deutschland ziemlich einmalig ist.

Der fehlende Spurwechsel, der Geflüchteten mit schlechter Bleibeperspektive aber guter Ausbildung den Weg in die Arbeitsmigration öffnen könnte. Die langen Wartezeiten für Visa in den deutschen Botschaften – dort will man nun mehr Personal hinschicken. Berichten zufolge ist der Flaschenhals dort aber so eng, dass man skeptisch sein darf, ob das Problem mit ein paar mehr Leuten behoben ist.

Man muss sich nur die Nachrichten ansehen

Es ist aber wichtig, auch noch einen anderen Punkt zu beleuchten, den Merkel am Montagabend ansprach: „Auf jeden Fall ist das wirklich Wichtige, dass wir in den Drittländern als ein weltoffenes, als ein interessiertes Land rüberkommen“, sagte Merkel. Das wäre in der Tat wichtig.

Deutschland wirbt um gut qualifizierte Menschen – und die sind auch anderswo heiß umworben. Um diese Menschen zu gewinnen, reicht es nicht, die bloße Möglichkeit für ihr Kommen zu schaffen. Vielmehr müsste dieses Land hier sich als die beste der möglichen Optionen präsentieren.

Und zwar in Konkurrenz zu Ländern, für die sie nicht erst eine vertrackte Sprache wie deutsch lernen müssen. In denen Politiker*innen nicht ununterbrochen lautstark und recht undifferenziert darüber streiten, wie man Migration wohl am besten begrenzen könnte. Und zu Ländern, in denen nicht Politiker*innen von Neonazis erschossen werden oder die Unterkünfte von Geflüchteten in Brand gesetzt oder sonst wie attackiert werden.

Man muss sich nur mal die Nachrichten der letzten Woche ansehen. In Sachsen-Anhalt weigert sich die CDU, einen Politiker rauszuwerfen, der mit Nazi-Tattoos und Beziehungen zum Verein Uniter auffällt, der wiederum Teil des rechten Hannibal-Netzwerks ist. Und das keine drei Monate, nachdem im gleichen Bundesland ein Rechtsextremist versuchte, ein Massaker in einer Synagoge anzurichten – woraufhin auch die CDU in Sachsen-Anhalt den entschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus gelobte.

Keine Illusionen machen

In Dresden griffen vor wenigen Tagen Unbekannte eine Unterkunft für minderjährige Geflüchtete an. Anfang Dezember wurde ein elfjähriges Mädchen im Osterzgebirge angegriffen, zwei Männer rissen ihr das Kopftuch herunter, zerrten an ihren Haaren, schubsten sie zu Boden.

All das, da braucht man sich keine Illusionen machen, wird auch außerhalb Deutschlands sehr genau wahrgenommen. Um das zu sehen, reicht eine kurze Suche im englischsprachigen Netz. Und all das ist, so bitter das sein mag, Deutschland. Weltoffen aber ist es nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.