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Wie die Bahn besser werden kannDie Schiene leben!

Kommentar von Bernhard Knierim

In Zeiten der Klimakrise ist eine nachhaltige, effiziente und gern genutzte Deutsche Bahn wichtiger denn je. Zehn Vorschläge für eine Reform.

Rasend schnell sollte es jetzt mal gehen mit der klimabewussten Bahnreform Foto: Julian Stratenschulte/dpa

D er Schienenverkehr in Deutschland und die Deutsche Bahn AG (DB) befinden sich in einer tiefen Krise. Die Zuverlässigkeit ist auf einem Tiefpunkt angelangt, die DB wird als kundenunfreundlich wahrgenommen, und sie ist hoch verschuldet. Dabei ist in Zeiten der Klimakrise, in der die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene gefordert wird, eine nachhaltige Bahn notwendiger denn je. Wir schlagen ein 10-Punkte-Programm vor:

1. Der Ursprung der Bahn-Misere ist ein verzerrter Verkehrsmarkt. Die Benachteiligung der Schiene gegenüber Flugzeug, Pkw und Lkw muss beendet werden. Subventionen sind nur sinnvoll für die Verkehrsarten mit optimaler Klimabilanz, die zugleich allen Menschen zur Verfügung stehen. Das sind Fußverkehr, Fahrrad, öffentlicher Nahverkehr und die Bahn. Notwendig sind Tempolimits, Stopp von jeglichem weiteren Straßenbau, Beendigung der Diesel- und Geschäftswagensubventionierung und die Besteuerung von Kerosin.

2. Die Bahn benötigt 25 Jahre nach der Bahnreform von 1994 eine neue Organisationsreform. Die Erfahrungen mit bisher erfolgten Privatisierungen und Aufspaltungen sind negativ; eine profitorientierte Aktiengesellschaft ist offensichtlich keine sinnvolle Struktur. Das Ja zum Deutschlandtakt unterstreicht die Notwendigkeit einer Bahn in einer Hand und in öffentlichem Eigentum. Unternehmensform und Statut der DB müssen den drei Zielen dienen: mehr Schienenverkehr, maximale Sicherheit, optimaler Komfort. Es gilt: Gemeinwohlorientierung statt Gewinnmaximierung.

3. Das Betätigungsfeld der DB muss wieder Deutschland und Bahnverkehr sein. Das starke Engagement in risikoreichen Auslandsgeschäften mit Luft- und Seefracht ist kontraproduktiv. Die DB muss sich vom Auslandsgeschäft und von Unternehmensteilen, die nichts mit der Schiene zu tun haben, trennen.

Aus Großprojekten wie Stuttgart 21 aussteigen

4. Ein Ende der Konzentration auf Großprojekte: Begonnene und geplante Großprojekte, die dem Schienenverkehr schaden und finanziell aus dem Ruder laufen, wie Stuttgart 21, die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München und die Ver­lagerung des Bahnhofs Hamburg-Altona werden beendet. Allein mit den hier freigesetzten Mitteln kann ein großer Teil des Bahnnetzes instand gesetzt und die Kapazität durch viele Einzelmaßnahmen erweitert werden. Zuvor stillgelegte Strecken müssen reaktiviert werden.

5. Die Infrastruktur-Unternehmen DB Netz, Station & Service und DB Energie müssen in einem Unternehmen und ohne Personalabbau im produktiven Bereich zusammengeführt werden. Alle Nutzungsentgelte für die Infrastruktur (Ticketpreise) werden deutlich gesenkt. Alle hier erzielten Gewinne werden in die Infrastruktur reinvestiert statt wie bisher an die DB AG abgeführt.

Durch Nachtzüge kann der größte Teil des europaweiten Luftverkehrs auf die Schiene verlagert werden

6. Ein vereinfachtes und attraktives Preissystem: Nötig ist eine Tarifreform mit deutlicher Senkung der regulären Preise und dem Verzicht auf Schnäppchentickets zu Dumpingpreisen. Stattdessen gibt es eine Halbierung des BahnCard-50-Preises und einen deutlich niedrigeren Preis für die BahnCard 100. Damit können diese Mobilitätskarten eine gut zehn Mal größere Verbreitung als bisher finden (wie dies in der Schweiz der Fall ist). Statt des heutigen Tarifwirrwarrs muss es ein einfaches und nachvollziehbares Preissystem geben, das allen Menschen ein bezahlbares Bahnreisen ermöglicht. Perspektivisch sollte ein einheitliches Tarifsystem für den gesamten öffentlichen Verkehr im Land eingeführt werden.

7. Notwendig ist der Wiederaufbau eines europaweiten Tages- und Nachtzugnetzes in Kooperation zwischen den Bahnunternehmen der Länder. Nachtzüge ermöglichen ein komfortables Reisen auch auf längeren Strecken. Damit kann der größte Teil des europaweiten Luftverkehrs auf die Schiene verlagert werden.

Personalabbau im Managementbereich

8. Es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, dass der Deutschlandtakt nun allgemein als Ziel gesehen wird. Dieser erfordert aber eine deutliche Verbesserung der Zielfahrpläne, die Ertüchtigung von Bahnknoten, den Netzausbau, die Erweiterung vieler eingleisiger Strecken zu Zweigleisigkeit, deutlich mehr Elektrifizierung und die Wiedereinführung einer Zuggattung im Fernverkehr, die die Fläche erschließt (ähnlich dem früheren InterRegio). Ziel ist eine deutliche Verlagerung von Pkw-, Lkw- und Flugverkehr auf die Schiene.

9. Der wichtigste Aktivposten der Bahn sind ihre Beschäftigten – doch viele werden aufgrund der mangelhaften Strukturen demotiviert. Notwendig ist eine deutliche Aufstockung der Zahl von Arbeitskräften im produktiven Bereich. Dabei müssen insbesondere die unteren Lohngruppen besser entlohnt und die Arbeitsbedingungen und Schichtsysteme überarbeitet werden. Ziel muss sein, dass sich die Beschäftigten wieder mit der Bahn identifizieren können. Im Managementbereich ist hingegen in vielen Bereichen Personalabbau sinnvoll. Grundsätzlich muss das Führungspersonal aus Menschen bestehen, die „Schiene ­leben“.

10. Statt der bisherigen Rückzugsstrategien benötigt die Bahn wieder eine offensive Strategie. Das gilt besonders für den Güterverkehr, der in den letzten Jahren von Abbau, Standortschließungen und Qualitätsproblemen geprägt ist. Die Einflussnahme bahnfremder Lobbygruppen und der Einfluss bahnfremder Unternehmensberater auf die Bahn muss beendet werden. Die Gremien der DB müssen aus Fachleuten bestehen, die demokratisch legitimiert, in Sachen Bahn kenntnisreich, unabhängig und leidenschaftlich engagiert sind für eine nachhaltige und soziale Bahn-Mobilität.

Das Ziel muss eine sichere und zuverlässige Flächenbahn im ganzen Land sein, die allen Menschen ein bezahlbares und komfortables Reisen mit der Bahn ermöglicht – und gleichzeitig auch endlich mehr Güter auf die Schiene verlagert.

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16 Kommentare

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  • Die Kombination von Micromobilität mit den Bahnstrukturen darf optimiert werden

  • Auch die Bahn mus endlich an ihrer CO2-Bilanz gemessen werden. Die CO2-Emissionen des Energiebedarfs sind nur ein kleiner Teil der Gesamtemissionen.



    In der CO2-Bilanz schneidet vor allem der Hochgeschwindigkeitsverkehr nicht gut ab, aber auch andere elektrifizierte Strecken erzeugen mehr CO2-Fußabdruck durch Masten, Fundamente, Unterwerke, Fahrleitungen, Überland-Stromtrassen usw.



    Die Bahn muss wieder einfacher, langsamer und zuverlässiger werden. Z.B. mit oberleitungsfreien Antrieben und klimafreundlichen Energieträgern, die in den Startlöchern stehen. Doch die Bahn elektrifiziert lieber und zwar auf Kosten des Steuerzahlers - das bringt ihr den meisten Gewinn.

    • @railfriend:

      Der CO2 Fußabdruck der Fundamente ist gewiss gigantisch ;-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich gebe Ihnen Recht, gigantisch ist zuweilen die Ahnungslosigkeit.



        Zumal an jedem elektrifizierten Streckenkm etwa 350 m bahneigene Hochspannungstrasse hängt, nicht zu reden vom zusätzlichen Flächenverbrauch...

    • @railfriend:

      Die Fernzüge werden mit regenerativem Strom gefahren, also recht CO2- arm.



      Nebenstrecken, insbesondere ohne Oberleitung, da ist enorm Nachholbedarf. Habe mich gerade diesbezüglich bei Fachleuten informiert.

      • @Traverso:

        Welche Fachleute - Bahnlobbyisten ?



        Ich halte mich lieber an unabhängige Wissenschaftler wie z.B. Dr. Radermacher, der dazu kürzlich in bilanz.ch veröffentlichte oder Prof. Chester, der bereits vor Jahren nachrechnete: Die Bahn emittiert wegen ihrer aufwendigen Infrastruktur doppelt so viel CO2 wie allein durch den Fahrbetrieb. Das Flugzeug nur etwa 10 % mehr als durch den Flugbetrieb.



        Nebenstrecken: Da muss nur auf klimaneutrale PtX-Kraftstoffe umgeschaltet werden, das ergibt eine bessere Klimabilanz als Neuelektrifizierung.



        Fernzüge: Der Bahngrünstrom ist eine einzige Mogelpackung. Kritiker meinen sogar, der Klimaschutzeffekt ist Null, da überwiegend Grünstrom aus alten Wasserkraftanlagen aufgekauft wird, der jetzt woanders fehlt.

  • Bis auf ein paar unwesentliche Kleinigkeiten ein gutes Konzept.

    Wetten, dass es deshalb nicht umgesetzt wird?

  • stimme ueberall sehr zu. bis auf die bahncard. die olle punktesammelei muss abgeschafft werden. klare preise fuer alle. so lohnt sich die bahncard nur fuer deutsche. fuer nicht in deutschland lebende sind die karen dann immer noch zu teuer. rabatt karten sind nur marketing schnick schnack. wenn die preise so attraktiv sind, brauch man keine kuenstlichen anreize mehr sondern kauft sich einfach eine normale guenstige karte, und das muss fuer alle gelten.

  • Um nicht von Stuttgart nach Bremen fliegen zu müssen, fahre ich erst mit einem Schweizerischen Zug von Deutschland nach Zürich, dann mit einem österreichischen Nachtzug wieder nach Bremen in Deutschland. Die deutsche BahnCard gilt dabei nicht komplett, aber wenn man wirklich will...

  • Alles gut und richtig. Das eigentliche Problem ist ja doch, dass die irre Ideologie Daseinsvorsorge sei verzichtbar und der Markt würde das effektiver regeln verhindert, das die notwendigen finanziellen Mittel dafür mobilisiert werden. Solange Merkel, Schäuble, Merz und Co. sich wie die letzten 20 Jahre erst im Bundesrat und dann in der Regierung bockig in den Weg stellen können, solange wird nichts passieren.

  • RS
    Ria Sauter

    Heute von HH zurückgefahren. Wollte in Frankfurt umsteigen. Der Zug hat seinen Fahrplan aber geändert und ist an Frankfurt vorbeigefahren.



    Die deute Bahn ist so etwas von zuverlässig in Inkompetenz .

  • Als Bahnfahrer, Bahnfreund und Ex-Bahner (vor langer Zeit) bin ich vollständig einverstanden. Hinzuzufügen wäre noch: Führungspositionen bei der DB dürfen nicht mehr von branchenfremden Managern besetzt werden, die weder grundsätzliche Ahnung von der Bahn haben noch von dem, was Reisende und Beschäftigte wollen.

  • Ich bin enttäuscht! :-)



    Ich kann in diesen 10 Punkten nichts finden, an dem ich herumnörgeln könnte. Im Gegenteil! Vielen Dank!

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @Drabiniok Dieter:

      Geht mir leider auch so. Bei allen 10 Punkten nur der Gedanke "ja, genau, habe ich schon immer gesagt".

      Doch ein sehr wichtiger, fehlt: Fahrgastrechte!

      Wenn ich fliege und ich verpasse unverschuldet einen Anschlußflug, so habe ich sehr weitgehende Rechte. U.u. wird mir ein Hotel bezahlt, Entschädigung usw. Fahre ich mit der Bahn von Berlin (DE) nach Lissabon (PT) und verpasse den Anschluß in Hendaye (FR)/Irún (ES), so habe ich einfach nur Pech. Das macht die Bahn deutlich unattraktiver im Vergleich zum Flugzeug. Die Bundesregierung und die EU müßten dafür sorgen, daß Bahnkunden nicht schlechter gestellt sind als Flugreisende. Ist denen aber sowas von scheißegal.

      Trotzdem käme ich nicht auf die Idee nach Lissabon zu fliegen.

  • Ich lebe in Italien seit über 20 Jahren. In diesem Land läuft vieles nicht optimal und ist umständlich.

    Aber die Bahn ist vorbildlich. Sie ist billig, ein Ticket beinhaltet in den Fernzügen stets einen Sitzplatz, es gibt sehr schnelle Züge, die Zuverlässigkeit ist höher als in Deutschland. Wenn ich von meinem Wohnort nach Bologna mit dem Auto fahre kostet mich allein die Autobahngebühr schon mehr als das Bahnticket (dazu kämen ja noch die Unterhaltskosten für das Auto).

    Die Bevölkerung nimmt das gute, bequeme und günstige Angebot gerne an. Jeder kann Depp einsehen, daß die Bahn vorteilhaft ist.

    • @rugero:

      Na ja, bei der Bahn erhöht sich der Fahrpreis mit jeder weiteren Person.



      Beim Outo verringert er sich mit jeder weiteren Person.