Elektroroller, Trumps Twitter und Islam: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Hipster gefährden den Verkehr, die US-Justiz behandelt Trumps Twitter-Accounts und die Hälfte der Deutschen hat Angst vor demokratietreuen Muslimen.

Lichter eines Kronleuchtern leuchten über Thilo Sarrazins Kopf wie ein Heiligenschein

Vorschlag zur SPD-Krise: Sarrazin zum Vorsitzenden wählen, dann alle austreten und neu gründen Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Sigmar Gabriel findet den vakanten SPD-Vorsitz fast wie ein infektiöses Kleidungsstück.

Und was wird besser in dieser?

Ja, wer hat’s denn vorher angehabt?

Endlich! Thilo Sarrazin darf aus der SPD ausgeschlossen werden. Doch der will gegen das Urteil Berufung einlegen, notfalls durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Aber was will man in einer Partei, die einen selbst nicht dabeihaben will?

Sarrazin war 45 Jahre in der SPD, ähnlich lang wie Gauland in der CDU. Wäre lustiger, Gauland würde sich rein- und Sarrazin rausklagen. Die altersvergorene Mischung aus gekränkter Eitelkeit und Universen umspannender Geltungssucht müsste man schon beschämt dem männlichen Chromosomensatz anlasten – wenn es nicht, einmal mehr großen Dank, Alice Schwarzer gäbe. Die deutsche Arbeiterbewegung hat vom Ursprung an fremden- und frauenfeindliche Anteile; das hieß damals „Schmuddelkonkurrenz“ und harrt seit 150 Jahren der Läuterung. Selten ging’s der SPD so dreckig, hatte sie so wenig zu verlieren – selten war die Chance so groß. Raus damit! Sarrazin zum Vorsitzenden wählen, dann alle austreten und neu gründen.

Angela Merkel hat gezittert, das dritte Mal in wenigen Wochen. Wurde dazu schon alles Mögliche und Unmögliche gesagt oder fehlt noch was?

Wie unfassbar cool, das Militärbrimborium mal entspannt im Sitzen abzunicken! Der Stuhl als zum Möbel verdichtete Zivilgesellschaft möge da noch stehen, wenn keiner mehr vom Zittern weiß.

Frankreich führt eine zusätzliche Steuer auf Flugtickets ein, die Einnahmen sollen in die Bahn investiert werden. Gute Idee! Wieso kriegt Deutschland keine zusätzlichen Umweltabgabe auf die Reihe?

Weil es die Luftverkehrsabgabe, vulgo „Ticketsteuer“, schon hat. Um Sie mit den Sicherheitsvorkehrungen an Bord dieses Gesetzesmonsters vertraut zu machen, lehnen Sie sich zurück und schlafen eine Woche durch – es ist höllenkompliziert. Im Ergebnis sackt der Fiskus seit der Ticketsteuer 2011 jährlich eine Milliarde Euro ein, und das Passagieraufkommen stieg seither um 28 Prozent. „Immerhin nicht noch mehr“, sagen Umweltbundesamt und Verkehrsclub Deutschland. Rund 10 Milliarden Euro hingegen spart die Luftfahrt jährlich, weil Kerosin – anders als andere Verkehrstreibstoffe – traditionell steuerbefreit ist. Eine Subvention gegen Schiene, Straße, Wasserweg. Und damit das so bleibt, lehnte auch Deutschland den französischen Vorschlag ab, Kerosin europaweit zu besteuern. So kam es zum französischen Solo.

Im deutschen Verkehr läuft es leider auch sonst nicht so gut: Noch nie gab es so viele Fahrradtote wie 2018, und immer mehr Autofahrer bauen Unfälle, weil sie mit Handy am Steuer sitzen. Was muss jetzt passieren?

Man könnte auf die Schnapsidee kommen, Elektroroller den Fahrrädern gleichzustellen und diese Hipstertaliban gleichberechtigt in Autos und Räder dullern zu lassen. Neue Zahlen 2019.

Ein Bundesberufungsgericht in den USA entschied, dass Donald Trump keine Follower mehr bei Twitter blocken darf, die eine andere Meinung haben als er. Wen haben Sie so auf Ihrer Blockliste?

Ist es wirklich eine gute Nachricht, wenn die US-Justiz den Twitter-Account Trumps als „Teil des Amtes des Präsidenten“ sieht und rechtlich behandelt? Das Gericht sah keinen Unterschied, ob Trump sich offiziell unter @potus, also „President of the United States“, oder als @realdonaldtrump formell privat äußerte. Das „First Amendment“ zwingt den Kongress, Rede-, Religions- und Pressefreiheit zu wahren. In der Rechtsprechung gilt das für alle ­US-Verfassungsinstitutionen. Trumps Twitteraccount als Verfassungsinstitution zu sehen ist ein Lernfach.

Laut der aktuellen Bertelsmann-Studie empfindet die Hälfte der deutschen Bevölkerung den Islam als Bedrohung. Doch wieso fragt eigentlich niemand, wie viele Muslime das als Bedrohung empfinden?

Tun se doch, im Kleingedruckten: 91 Prozent der Muslime und 93 Prozent der Christen stehen hinter der Demokratie. Sorgenkind Gottlose: Da sind es nur 83 Prozent. Betrachtet man dazu noch, wo dunnemals eigentlich die Hartz-Politik vorgedacht wurde – in einer Bertelsmann-Studie –, tickt die Uhr bis zu bestürzenden Ergebnissen zur Studienfeindlichkeit in Deutschland.

Alexis Tsipras ist in Griechenland abgewählt worden, stattdessen soll nun die konservative Nea Dimokratia regieren. Kommen auf die Griechen jetzt wirtschaftlich rosige Zeiten zu?

Tsipras machte letztlich EU-Sparpolitik, obwohl er Linker ist. Mitsotakis, weil er Konservativer ist. Wumpe.

Greta Thunberg kämpft für den Klimaschutz, Carola Rackete verklagt Italiens Innenminister Salvini, weil er eine „Botschaft des Hasses“ verbreite, und Megan Rapinoe macht Fußball politisch. Retten Frauen die Welt?

Ich dachte, das Heldenkonzept sei zu überwindender Männerquatsch?

Und was machen die Borussen?

Haben sich einen 35-köpfigen Kader im „Transfermarkt“-Gesamtwert von 690 Millionen Euro zusammengekauft. Das wäre ein Viertel des Haushalts der Stadt Dortmund. Wir könnten also noch drei solcher Clubs haben.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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