Nato-Manöver in Norwegen: Kriegsspiel in großem Stil
Das Manöver „Trident Juncture“ ist die aufwendigste Militärübung seit dem Fall der Mauer. Russland wird als fiktiver Gegner genannt.
Die Nato hat in der Nacht zum Donnerstag in Norwegen ihre größte Kriegsübung seit dem Fall der Berliner Mauer begonnen. Mit dem zweiwöchigen Manöver „Trident Juncture“ soll nach Auskunft von Nato-Militärs „die Zusammenarbeit beim Einsatz in großen Schlachten geübt“ sowie „Entschlossenheit gegenüber Russland demonstriert“ werden. Beteiligt sind 50.000 Soldaten aus allen 29 Mitgliedstaaten sowie aus den skandinavischen Nato-Partnerländern Schweden und Finnland.
Die Bundeswehr stellt mit 10.000 Soldaten das zweitgrößte Kontingent nach den USA. Rund 10.000 Fahrzeuge, 65 Kriegsschiffe sowie 150 Kampfflugzeuge und -hubschrauber kommen auf dem norwegischen Festland, in der Ostsee und im Nordatlantik sowie im Luftraum zum Einsatz. Die USA haben zudem ihren Flugzeugträger „Harry Truman“ in das Manöver entsandt.
Bei dem Manöver wird laut Nato „die Wiederherstellung der Souveränität in Norwegen nach einem Angriff durch einen fiktiven Aggressor simuliert“. Klar ist, dass es sich bei dem angenommenen Aggressor um Russland handelt, das sowohl an Norwegen wie an das Nato-Partnerland Finnland grenzt. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 und wegen der Unterstützung Moskaus für die Aufständischen in der Ostukraine behauptet die Nato eine neue und wachsende Bedrohung ihrer Mitgliedsstaaten insbesondere in Osteuropa durch Russland.
Beide Seiten haben ihre Manövertätigkeit zu Lande, auf See und in der Luft seit 2014 laufend eskaliert und zusätzliche Truppenkontingente in grenznahe Regionen verlegt. Die Nato stellt seit 2015 eine auch als „Speerspitze“ bezeichnete „Eingreifgruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft“ (VJTF) mit 5.000 Soldaten auf. Deren Führung wird 2019 die Bundeswehr übernehmen.
Das Manöver sei „aberwitzig, gefährlich und provokant gegenüber Russland“, erklärte der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. „Die Kriegsgefahr“ sei „so hoch wie lange nicht“. Sein Fraktionskollege Alexander Neu verwies darauf, dass die Nato-Staaten zuletzt mehr als 14-mal so viel Geld für ihre Verteidigung ausgegeben hätten wie Russland, das „weder die materiellen noch die finanziellen und auch nicht die personellen Fähigkeiten“ habe, „um die Nato überhaupt erfolgreich angreifen zu können“.
Die Regierung in Moskau zeigte sich, obgleich sie von der Nato über das Manöver informiert und zur Beobachtung eingeladen worden war, verärgert. Verteidigungsminister Sergej Schoigu warnte, Moskau könnte gezwungen sein, auf die gesteigerten Aktivitäten in der Nähe seiner Grenze zu reagieren.
Russland könnte Umfang, Häufigkeit und Dauer der eigenen Manöver und Truppenstationierungen weiter erhöhen und damit der Behauptung der Nato über die gewachsene Bedrohung ihrer osteuropäischen Mitglieder zusätzliche Nahrung geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen