Seehofer-Ministerium ließ Abschiebung laufen

Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei zeigt: Das Innenministerium hätte verhindern können, dass das Gericht umgangen wurde

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (Mitte) nimmt vergangene Woche alle Verantwortung auf sich Foto: Christophe Gateau/dpa

Von Christian Rath

Das Bundesinnenministerium (BMI) von Horst Seehofer hätte die Abschiebung des Islamisten Sami A. nach Tunesien verhindern können. Dem Ministerium waren die relevanten Informationen rechtzeitig bekannt. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag, die der taz vorliegt.

Am 9. Juli informierte demnach die Bundespolizei das Seehofer-Ministerium über die Planung eines „Rückführungsflugs“ am 13. Juli. Am Abend des 11. Juli informierte zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) das Innenministerium darüber, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vor der Abschiebung unbedingt noch über ein mögliches Abschiebehindernis, nämlich drohende Folter, entscheiden wolle. Offensichtlich wusste das Gelsenkirchener Gericht aber nichts von dem für den 13. Juli geplanten Flug.

Dennoch verzichtete das Bundesinnenministerium darauf, die Richter direkt oder indirekt via Bamf zu informieren. „Das BMI hat sehenden Auges eine illegale Abschiebung über die Bühne gehen lassen“, kritisiert deshalb die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke.

Die Bundesregierung ist sich keiner Schuld bewusst. Die Absicht des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, „eine Entscheidung zu treffen, die einer Abschiebung entgegensteht“, sei nicht bekannt gewesen.

Das ist aber ein semantischer Trick. Ein Gericht kann vor der Entscheidung nicht ankündigen, wie die Entscheidung ausfällt, sonst wären die Richter befangen. Dass jedoch eine Entscheidung des Gerichts bevorstand, wusste das Seehofer-Ministerium und ließ die Abschiebung dennoch geschehen.

Allerdings war nicht der Bund für die Abschiebung zuständig, sondern das Land Nordrhein-Westfalen. Insofern war auch das Land hauptsächlich dafür verantwortlich, die mehrfachen Fragen des Gerichts nach dem Abschiebetermin zu beantworten. Der verantwortliche Inte­grationsminister Joachim Stamp (FDP) hat sich zwar inzwischen dazu bekannt, dass das Verwaltungsgericht gezielt nicht informiert wurde, um die Abschiebung nicht zu gefährden.

NRW hat Schuld auf sich genommen

Es ist aber unklar, ob das BMI von dieser Geheimhaltungsstrategie wusste. Und wohl nur dann hätte sich für das BMI eine Pflicht ergeben, am zuständigen Land vorbei Schritte zum Stopp der Abschiebung zu unternehmen.

Stamp verzichtet bisher darauf, die Verantwortung auch ans BMI weiterzugeben – obwohl viel dafür spricht, dass er mit dem BMI über die Geheimhaltungsstrategie gesprochen hat. Grund hierfür könnte sein, dass die erfolgte Abschiebung von Sami A. (einem angeblichen Ex-Leibwächter von Osama bin Laden) in der Bevölkerung ziemlich populär ist und nur Juristen und Bürgerrechtler kritisieren, dass das Gericht dabei ausgetrickst wurde.

Anders als vielfach angenommen hat auch noch kein Gericht entschieden, dass das gezielte Verheimlichen des Abschiebetermins gegenüber der Justiz rechtswidrig war. Als illegal gilt die Abschiebung von Sami A. bisher nur, weil das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Beschluss über ein Abschiebehindernis noch während der laufenden Abschiebung den Behörden zustellte und der nordrhein-westfälische Innenminister Stamp die Abschiebung dennoch nicht stoppte.

Sami A. ist immer noch in Tunesien. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat das Land jedoch verpflichtet, A. zurück nach Deutschland zu holen.