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Debatte US-DemokratenJenseits der Selbstkritik

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Die Eliten der Demokratischen Partei haben nicht nur bei den Wahlen versagt. Auch als Opposition gegen Präsident Trump scheitern sie.

Immerhin: Die Stimme des unabhängigen Bernie Sanders ist häufig zu vernehmen Foto: reuters

E igentlich müsste es einfach sein, die Opposition gegen US-Präsident Donald Trump zu formulieren. Doch die Demokratische Partei tut sich erstaunlich schwer. Sie liefert weder eine Schattenregierung noch systematische Gegenvorschläge zu seiner Politik. Stattdessen betreibt die Parteispitze Business as usual. Und sie tut es auch noch mit den gescheiterten Führungsfiguren und Geldgebern von der Wall Street sowie anderen Industrien, die seit Jahrzehnten die großen Parteien finanzieren.

Im November haben sich die Wähler in Massen von der Demokratischen Partei abgewandt. Die hat nicht nur das Weiße Haus und beide Kammern im Kongress verloren, sondern auch weite Teile des Landes, wo sie nur noch in 15 der 50 Bundesstaaten die Gouverneure stellt. In 90 Jahren waren die Demokraten nicht mehr so schwach. Die Lage schreit nach Selbstkritik, nach der Suche nach Verantwortungen und nach Lehren, die daraus für die Zukunft gezogen werden müssen.

Doch die Führung der Demokratischen Partei tut nichts von alledem. Stattdessen verliert sie wertvolle Zeit damit, „Russland, Russland“ zu rufen. Tatsächlich könnten Absprachen mit Russland eines Tages der Grund für ein vorzeitiges Ende der Trump-Präsidentschaft werden. Natürlich müssen Ermittler Licht in diese Verbindungen bringen. Aber das Stichwort „Russland“ ersetzt keine echte Oppositionspolitik. Um wählbar zu sein, brauchen die Demokraten mehr. Sie müssen sagen, was sie denn tun wollen, um Arbeitsplätze zu schaffen, um die eingefrorenen Niedriglöhne anzuheben und um die ruinösen Universitätsgebühren abzuschaffen.

Statt oppositionelles Profil zu gewinnen, haben die Demokraten unter Trump zusätzlich an Glaubwürdigkeit verloren. So schürten sie monatelang Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit. Doch als er sie für eine Intrige gegen seine eigenen Partei benötigte, reichte ein Anruf, und schon eilten die Spitzendemokraten im Kongress in sein Büro und halfen mit, ein Haushaltspaket mit ihm zu schnüren.

„Nationale Sicherheit“ im Vordergrund

Den Wählern ist nicht entgangen, wie wenig die Demokratische Partei gelernt hat. Und sie zeigen das sowohl in Meinungsumfragen als auch an der Urne. Bei allen vier Nachwahlen für frei gewordene Kongresssitze haben in diesem Jahr die Demokraten verloren. Jedes Mal hat die Parteiführung ihre Fehler wiederholt: zentristischer Kurs, kein Platz für Parteilinke und Dollarspritzen in zweistelliger Millionenhöhe statt politischer Alternativen.

Mit einer Demokratischen Partei in einem derart desolaten Zustand können sich Trump und die Republikaner ins Fäustchen lachen und hoffen, dass es dabei bis zu den Halbzeitwahlen im nächsten Jahr bleibt.

Dorothea Hahn

ist seit 2010 US-Korrespondentin der taz und lebt in New York. Zuvor ­berichtete sie nach Stationen in Me­xiko-Stadt und Berlin von 1995 bis 2010 als ­Korrespondentin aus Paris. 2016 erschien von ihr ­„Hillary: Ein ­Leben im Zentrum der Macht“ im Verlag C. H. Beck.

Als wäre das nicht genug, meldete sich nun die Frau zurück, die gegen den unqualifiziertesten und unpopulärsten Präsidenten der modernen US-Geschichte gescheitert ist. Hillary Clinton macht dafür in ihrem Buch „What happened“ andere verantwortlich: das FBI, Russland, die Medien. Am härtesten kritisiert sie den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders. Er habe „unrealistische Hoffnungen“ geweckt und mit seiner Kritik an ihrer Wall-Street-Nähe das Terrain dafür bereitet habe, dass Trump sie „betrügerische Hillary“ taufte.

Clinton und ihr Ehemann sind zwei der wichtigsten Architekten der politischen Wende der Demokratischen Partei seit den 70er Jahren. Mit der Überzeugung, dass Wahlen in den USA nicht links gewonnen werden können, wandten die „New Democrats“ sich der Mitte zu, gingen auf Distanz zu den Gewerkschaften, knüpften enge Bande mit Konzernen, organisierten Einschnitte in die Sozialversicherung und schufen Kontrollmechanismen für Wall-Street-Geschäfte ab.

In der Außenpolitik rückten sie die „nationale Sicherheit“ und das Militär in den Vordergrund und machten die Demokraten zu einer Partei von Falken. Nachdem sie damit der Republikanischen Partei zum Verwechseln ähnlich geworden waren, blieb die Gesellschaftspolitik als Alleinstellungsmerkmal übrig. Im letzten Wahlkampf spielte diese Gesellschaftspolitik eine zentrale Rolle im demokratischen Wahlkampf: von den „race relations“ über die Homo-Ehe bis hin zur Gleichberechtigung von Transmenschen. Solche Themen stoßen in den USA auf parteiübergreifendes Verständnis – denn das Bewusstsein dafür hat sich geschärft –, aber Mehrheiten sind damit nicht zu gewinnen.

Die Unterstützer von Clinton kon­trollieren weiterhin die Führungsebenen und das Geld der Partei. Doch die tatsächliche Opposition gegen Trump und die Widerstandsaktionen gegen seine Politik kommt woandersher. Sie formieren sich an der Basis, wo die Skepsis gegen die alte Garde der Partei groß ist. Bislang ist die Opposition gegen Trump vor allem außerparlamentarisch. Aber aus ihrer Mitte streben Tausende junge Leute – darunter viele Frauen – in die Partei und ihre Gremien.

Nur Sanders ist hörbar

Wie Clinton war auch Sanders ein Verlierer der Präsidentschaftswahl im letzten Jahr. Doch während sie ihre Wunden leckte, hielt er Reden über soziale Gerechtigkeit. Sein Programm erinnert an den „New Deal“ der 30er Jahre – an jene Demokraten mit beinahe sozialdemokratischen Vorstellungen, die von „New Democrats“ wie Clinton verdrängt wurden. Sanders ist nicht einmal Mitglied der Demokratischen Partei, sondern der einzige Unabhängige im Senat. Aber er hat entschieden, zumindest vorerst im Rahmen des Zweiparteiensystems zu bleiben. Damit ist er die hörbarste oppositionelle Stimme geworden.

Über eine Demokratische Partei in einem derart desolaten Zustand kann Trump sich nur freuen.

Während Clinton ihre Buchtour begann, brachte Sanders einen Gesetzesvorschlag für eine Krankenversicherung in den Senat, der auch die 28 Millionen Nichtversicherten versorgen würde. Das Gesetz zeigt, wie radikal sich die USA verändert haben. Noch vor einem Jahr wäre ein solcher Vorschlag als „Sozialismus“ verschrien worden. Heute bekommt es die Unterstützung von demokratischen Senatoren und die Sympathie moderater Republikaner. „Medicare for all“ ist damit zwar immer noch weit von einem Erfolg entfernt – Lobbys, darunter Geldgeber der Demokraten, werden versuchen, das Gesetz zu verhindern. Doch es zeigt, dass die alte Garde der Demokratischen Partei nicht mehr allein den Ton im Umgang mit Trump angibt.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.

7 Kommentare

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  • Im politischen System der USA gibt es keine Schattenregierung, und für große Zulunftsvisionen sind die Präsidentschaftskandidaten zuständig und die Diskussion findet während der Primaries statt. Die Parteien haben ja noch nicht mal irgendwelche Grundsatzprogramme. Dementsprechend sind Artikel aus Deutschland die sagen die Demokraten müssten das ganz anders machen, und sich wie eine deutsche Partei verhalten, ziemlicher Quatsch.

  • Nun ertränkt Killary ihren Kummer in Chardonney. Alles gute für Bernie Sanders und seine Freunde, die sich wirklich so nennen dürfen.

  • Hillary hat Sanders mit unlauteren Methoden aus dem Wahlkampf gedrängt, ihm beim TV-Duell beschissen und so weiter. Hätte sie ihm den Platz überlassen, der ihm zustand dann gäbe es nun auch keinen Präsidenten Trump. Schuld an Trump ist also im doppelten Sinne Frau Clinton.

     

    Wie weltweit ist auch hier wieder die Identitätspolitik einer der Gründe, aus dem Linke deutlich Stimmenanteile verlieren. Ich nenne Menschen die sich auf Identitätspolitik fokusieren inzwischen auch lieber progressives, weil ich die Linken nicht beleidigen will! Nicht das ich von deren Ideen hellauf begeistert wäre aber die kümmern sich wenigstens um Themen die für den durchschnittlichen Bürger relevant sind.

  • Es gibt nur eins, Hillary darf nie, nie Präsidentin werden. Jeder verdient eine zweite Chance, ja. Doch die hatte sie. Gegen Obama war sie klar nach Punkten unterlegen. Gegen Sanders gab es nie ein faires Rennen. Schließlich wurde sie nominiert. Nur gegen Trump fand sie kein Gegenmittel.

     

    Längst gibt es im Demokratischen Lager bessere Kandidaten. Neben Sanders gibt es auch Frauen, die sich als Senatoren bewährt haben.

     

    Bernie Sanders wiederum fällt der Erfolg nicht einfach so zu. Vielmehr muss er sich gegen Ressentiments aus eigenen Reihen erwehren. Es ist sein unermüdliches Engagement, das ihn voran bringt. Er spricht mit den Leuten, reist durch das Land, unterstützt Mitstreiter. Wir sollten von ihm lernen, Deutschland, Europa sollte auf Bernies Seite stehen, ihm den Rücken stärken.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @mdarge:

      Er wird ja nicht nur als Kommunist, sondern auch als alter weißer Mann veschrien.

      Wie sich Hillary Clinton als Rassismus-Gegnerin inszenieren konnte, ist mir nach ihren sprachlichen und politischen Ausfällen in der Vergangenheit ein Rätsel. https://www.youtube.com/watch?v=8k4nmRZx9nc.

    • @mdarge:

      Korrekt!

      • @kleyrar:

        Si !