Kommentar Karlsruher NPD-Urteil: Ein starkes Zeichen

Die Entscheidung der Richter war richtig. Der Kampf gegen rechts wäre mit einem Verbot nicht erledigt, schon gar nicht, solange die AfD Erfolg hat.

Demonstranten gegen Nazis

Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss direkt geführt werden – nicht stellvertretend über die NPD Foto: dpa

Es war die Hoffnung vieler im Vorfeld dieser Entscheidung. Karlsruhe möge doch ein starkes Zeichen setzen gegen den Rechtsextremismus – gerade in diesen Zeiten, in denen die Verachtung gegen Flüchtlinge und gegen die Demokratie grassiert. Mit einem Verbot der NPD sollten die Richter ein Signal aussenden: Bis hierhin und nicht weiter.

Die Verfassungsrichter haben das nicht getan. Sie haben die NPD nicht verboten. Und sie hatten keinen Zweifel an ihrem Urteil: Als viel zu bedeutungslos befanden sie die Neonazi-Partei derzeit. Und sie haben richtig entschieden. Das Verbotsansinnen krankte an vielem. Schon sein Ursprung war ein schneller Impuls: eine Reaktion auf die NSU-Verbrechen. Eine, die nicht passte – denn der NSU mordete auch ohne NPD-Hilfe.

Und es war ein Ansinnen, das auch danach übers Ziel hinausschoss. Die Verfassungsrichter haben recht, wenn sie in Erinnerung rufen, dass das Parteiverbot eine der schwersten Waffen dieser Demokratie ist, welches nicht leichtfertig einzusetzen ist. Der Parteienstreit, der Wettbewerb um das beste Argument, ist eine grundgesetzlich festgeschriebene Errungenschaft. Ein Verbot aber greift hier maximal ein – indem es einen politischen Mitbewerber aus dem Diskurs nimmt und dessen Argumente vor dem Bürger verbannt.

Nicht ohne Grund wurde dieser Urteilsspruch seit 1945 überhaupt erst zwei Mal angewandt. Dass es diesmal die NPD hätte treffen sollen, mag auf den ersten Blick gefallen. Die Neonazi-Partei hetzt gegen Minderheiten, sie relativiert NS-Verbrechen, sie predigt eine krude Volksgemeinschaft. Ja, sie versucht nicht einmal, ihre Menschenverachtung zu kaschieren. Und es mutet unerträglich an, dass sie dafür auch noch mit Steuergeldern alimentiert wird. Die Frage nur ist: Kann diese Demokratie das aushalten? Sie kann.

Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

Die NPD ist momentan ein Winzling. In keinem Landtag ist die Partei mehr vertreten, in allen Umfragen nicht mehr messbar, fast überall wird sie als braune Schmuddelpartei geschmäht. Rund 340 Mandate hält die Partei noch – von bundesweit 230.000. Gegen diese „Gefahr“ das schwerste Geschütz der Demokratie einzusetzen, das Verbot – es wäre nicht nur eine rechtstaatliche Überreaktion gewesen, sondern auch zu viel der Ehre für diese Kleinpartei.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch 340 Mandate sind ein Problem. Gerade in einigen Orten Mecklenburg-Vorpommerns oder Sachsens, in denen sich die Rechtsextremen über Jahre festgesetzt haben. In denen ihre Ressentiments weit in die Bewohnerschaften einsickern und Andersdenkende zum Schweigen gebracht werden sollen. Und auch dort, wo NPD-Funktionäre vielfach tatsächlich Proteste und Hass auf Flüchtlinge anstacheln. Aber auch hier stellt sich die Frage: Hätte ein Verbot dagegen geholfen? Leider nicht.

Die ganz Rechten, nicht nur die NPD-Anhänger, hätten sich in ihrer Verachtung der Demokratie bestätigt gesehen. Davor müsste man nicht kuschen. Aber: Es hätte sich durch ein Verbot eben auch nichts geändert. Weil die überzeugten Hetzer ihr Tun auch danach nicht gelassen hätten. Weil sie auch ohne NPD-Fahne weiter gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht oder Gegner bedroht hätten. Und das Problem ist längst größer als die NPD.

Inzwischen eilt die AfD von Erfolg zu Erfolg, die gerade im Osten der Republik ganz ähnliche Parolen wie die NPD verbreitet – damit aber viel weitreichender das gesellschaftliche Klima kontaminiert. Und auch die Zahlen rechter Gewalttaten stiegen in den letzten Jahren – verübt längst nicht nur von Parteigängern der NPD. Das Bemühen der Bundesländer um ein Verbot der NPD mutete da wie eine politische Kampfaufgabe an: Soll es doch Karlsruhe richten.

Es hätte sich durch ein Verbot eben auch nichts geändert. Weil die überzeugten Hetzer ihr Tun auch danach nicht gelassen hätten

Dass die Richter diese Aufgabe nun an die Länder zurückgeben, ist die finale Blamage für die Innenminister. Der Einsatz gegen den Rechtsextremismus lässt sich eben nicht delegieren. Die Richter formulierten derweil eine viel stärkere Botschaft als ein Verbot: Der liberale Rechtsstaat lässt sich nicht von einer Hass predigenden Splittergruppe aus der Reserve locken. Er ist stark genug, um auf Symbolpolitik verzichten zu können. Und er vertraut auf seine Argumente.

Kampf gegen die NPD ist nur stellvertretend

Damit haben die Richter eben doch ein Zeichen der Stärke gesetzt, ein eigenes. Ein überzeugenderes. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus, er muss nun direkt geführt werden, nicht stellvertretend über die NPD. Diejenigen, die Gewalt ausüben, muss der Staat mit der Härte des Strafrechts in die Schranken weisen. Er muss in die Niederungen der rechten Hochburgen gehen – werden sie nun angeführt von NPD, AfD oder Pegida. Dort, im Lokalen, braucht es den demokratischen Widerspruch, das alltägliche Engagement von Parteien und Bürgern. Es ist ein Kampf, der ungleich aufwändiger ist als die Formulierung eines Verbotsantrags. Aber nur er wird am Ende auch Wirkung entfalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" und stellvertretender Ressortleiter Inland. Seit 2010 in der taz, anfangs im Berlin-Ressort. Seit 2014 Redakteur in der Inlands-Redaktion. Studium der Publizistik und Soziologie.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.