Nach Holms Rücktritt: Drohende Legendenbildung

Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) muss nicht nur einen neuen Staatssekretär finden, sondern auch verhindern, dass die Initiativen in die Opposition gehen.

Andrej Holm: Wieder Kritiker statt Politiker Foto: dpa

Katrin Lompscher ist nicht zu beneiden. Die Bausenatorin der Linken, die Andrej Holm vor fünf Wochen zum Staatssekretär gemacht hat, steht wieder mit leeren Händen da. „Bitter und dennoch nachvollziehbar“ hatte sie den Rücktritt des Stadtsoziologen und Gentrifizierungskritikers genannt, mit dem dieser wohl die rot-rot-grüne Koalition vor einer Zerreißprobe bewahrt hat. Nun muss Lompscher einen Nachfolger präsentieren, der das Vertrauen der stadtpolitischen Initiativen ebenso hat wie die Erfahrung, die mietenpolitischen Ziele von R2G in die Praxis umzusetzen.

Wäre Lompscher am Montagabend bei Holms Gesprächsrunde mit Initiativenvertretern im Weddinger ExRotaprint-Gebäude dabei gewesen, hätte sie sich womöglich fragen lassen müssen, ob es eine gute Idee gewesen war, Holm zu nominieren. Der 46-jährige, der von seinen Fans einmal mehr gefeiert wurde, versicherte im Anschluss, dass er alle seine Aktivitäten im Senat mit seiner Basis abgestimmt hätte. Ein Staatssekretär, der sich selbst als Vollstrecker eines imperativen Mandats begreift? Auch Lompscher wäre spätestens in diesem Moment klar geworden, dass die Existenzkrise bei Rot-Rot-Grün damit weitergegangen wäre.

Auch wenn Andrej Holm am Montag schon zurückgetreten war, musste tags darauf ein formeller Beschluss der rot-rot-grünen Landesregierung her, um seine Zeit als Staatssekretär zu beenden. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) als seine Vorgesetzte hatte dazu eine Vorlage erarbeiten lassen, der der Senat einmütig zustimmte. „Nach Landesbeamtengesetz kann ein Beamter sich nicht selbst aus dem Dienst entlassen“, hieß es von der SenatsInnenverwaltung.

Ob und, wenn ja, wie es mit Holm an der Humboldt-Universität weitergeht, wo er zuvor als Soziologe tätig war, will die Leitung der Hochschule am Mittwoch bekannt geben. Studenten forderten am Dienstag, ihn weiterzubeschäftigen. (sta)

„Atmosphärisch fühle ich mich bei euch wohler als in der Politik“, rief Holm den 200 Leuten zu, die in den Wedding gekommen waren. Nun war er wieder in der alten Rolle. Aus dem Politiker war wieder der Kritiker geworden. Aber was wäre Holm eigentlich für ein Politiker gewesen? Ein Sprachrohr der Initiativen in der Bauverwaltung? Oder einer, der die Ärmel hochkrempelt und die Agenda linker Baupolitik selbstbewusst und beharrlich, aber auch fähig zum Dialog gegenüber Wohnungsbaugesellschaften und Investoren und auch in der eigenen Verwaltung durchsetzt?

Es lohnt sich, einen Blick in ein Interview zu werfen, das Holm vor Weihnachten der Zeit gegeben hat. Viel war da die Rede von Milieuschutzgebieten, die man ausweiten müsse, vom Zweckentfremdungsverbot oder vom Vorkaufsrecht der Bezirke. „Es gibt nicht den Königsweg, den einen Hebel, der alles richtet“, sagte Holm. „Wohnungspolitik in sozialer Verantwortung muss immer ein Zusammenspiel von ganz vielen einzelnen Elementen sein.“ Einiges von dem, heißt es bei der Linken, habe er in den fünf Wochen seiner Zeit als Staatssekretär auch schon angeschoben.

Zum Heilsbringer gemacht

Das freilich hört sich ganz anders an als das, was seine Fans von ihm erwarten. Nicht revolutionär, sondern realpolitisch geerdet. Dazu passt auch der Satz: „Das Eigentum wird nicht infrage gestellt.“

Von all dem Pragmatismus aber war bei den Erklärungen unter dem Hashtag #holmbleibt keine Rede mehr. Umso mehr dagegen von einer angeblichen Kampagne gegen den linken Hoffnungsträger. Je größer der Wind war, der Holm wegen des Umgangs mit seiner Stasivergangenheit ins Gesicht blies, desto mehr wurde er von seinen Unterstützern auf den Sockel gestellt, zum Heilsbringer einer radikalen wohnungspolitischen Wende stilisiert, der – auch das gehört zur Legendenbildung – von den Sozialdemokraten (und der Baumafia) gestürzt wurde. Aber warum soll man einen stürzen, der nur Mi­lieu­schutzgebiete ausweisen will?

Warum soll man einen stürzen, der nur Milieuschutzgebiete ausweisen will?

Nein, es gibt keinen Grund, warum Holm nicht hätte Staatssekretär bleiben können. Und ja, es hätte viele Gründe gegeben, skeptisch zu sein, ob er ein guter, das heißt erfolgreicher Staatssekretär hätte werden können. Dass Holms Nominierung als Coup gefeiert worden war, kann man dem Zauber zuschreiben, dem jeder Neubeginn innewohnt. Und auch damit, dass es Lompscher gelungen war, den Schwung der vielstimmigen und engagierten, teilweise auch hochprofessionellen „Stadt von unten“ mit ins rot-rot-grüne Senatsbündnis zu nehmen. In den Mühen der Ebene aber hätte die Rücksprache mit Initiativen nicht gereicht. Holm (und mit ihm die Bausenatorin) wäre auch für die Neubauzahlen zuständig gewesen. Er hätte Investoren billigen Wohnraum abringen müssen. Was wäre gewesen, wenn er irgendwann als lame duck belächelt worden wäre?

All das macht es für die Bausenatorin nicht leichter. Sie muss sich nun nicht nur einen neuen Staatssekretär suchen. Lompscher muss auch verhindern, dass die Legendenbildung im Fall Holm zur Dolchstoßlegende wird. Vielleicht hilft da die Besonnenheit von Mietervereinschef Reiner Wild weiter. Der meint nicht nur, dass Holm ersetzbar sei. Er weiß auch, dass der Spielraum in der Baupolitik nicht so groß ist, wie es viele zwischenzeitlich gehofft hatten. Wenn der oder die Neue das auch weiß, aber wild entschlossen ist, den Spielraum zu nutzen, ist er oder sie der oder die Richtige.

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