Klimaschutz im Luftverkehr: Klimaschutz als Luftnummer

Die UN-Flugbehörde ICAO legt nach 19 Jahren endlich einen Klimaplan vor. Der reduziert allerdings kaum Emissionen.

Das Fahrwerk eines Airbus vor der Landung am Flughafen in Frankfurt/Main.

Für das Weltklima sind die Emissionen der Flugzeuge ein wachsendes Problem Foto: dpa

BERLIN taz | Der Arbeitsauftrag war klar formuliert: Die Industrieländer sollten „eine Begrenzung oder Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen aus dem Flugverkehr […] verfolgen, indem sie durch die ICAO arbeiten“. So beschlossen es die UN-Staaten 1997 im Kioto-Protokoll zum Klimaschutz. Jetzt, nur 19 Jahre später, soll die UN-Luftfahrtbehörde ICAO diesen Auftrag umsetzen. 2.000 Vertreter von 191 Staaten haben zehn Tage lang im kanadischen Montreal hinter verschlossenen Türen getagt.

Am Ende der Konferenz an diesem Freitag soll Corsia stehen, ein „Ausgleichs- und Reduktionsmechanismus für den internationalen Flugverkehr“ – der aber die klimaschädlichen Emissionen nicht reduziert und völlig unklar lässt, wie sie ausgeglichen werden sollen.

Was lange währt, wird endlich schlecht. Denn Corsia ist voller Luftbuchungen: Das Klimagift aus den Turbinen wird auf hohem Niveau stabilisiert, ihre Klimawirkung wird verharmlost. Das System fördert einen Ausgleichsmechanismus für die Treibhausgase, der völlig unklar ist, und schafft nicht wie geplant Einnahmen, aus denen der internationale Klimaschutz finanziert werden sollte. Und Corsia soll erst 2027 für alle Airlines verpflichtend sein – 30 Jahre, nachdem die Weltgemeinschaft der ICAO diese Aufgabe übertragen hat.

„Die ICAO verfehlt mit diesem Entwurf krachend ihr selbst gesetztes Ziel von CO2-freiem Wachstum nach 2020“, sagt Manfred Treber, Verkehrsexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Blinder Fleck im Klimaschutz

Die Treibhausgasemissionen von Flugzeugen (und Schiffen in internationalen Gewässern) sind ein blinder Fleck im Klimaschutz. Weil sie keinem Land zugeordnet sind, sollte die ICAO Regeln für ihre Bekämpfung aufstellen. Doch aus den nicht-öffentlichen Sitzungen des Gremiums kam in den vergangenen Jahrzehnten nichts Konkretes.

Das achtseitige interne Corsia-Konzept sieht nun vor, dass die Flug-Emissionen 2020 gedeckelt werden. Dann sollen Staaten sie freiwillig kompensieren, darunter die USA, China, Japan oder die EU. Dafür sollen sie Zertifikate kaufen, die zum Beispiel aus Baumpflanzungen stammen können und etwa ein Prozent der Einkünfte ausmachen würden. Ab 2027 wären dazu alle verpflichtet. Die Kriterien für den Anrechnungsmechanismus bleiben unklar.

Für das Weltklima sind die Emissionen der Flugzeuge ein wachsendes Problem. Derzeit macht das CO2 aus den Turbinen etwa 2 Prozent der weltweiten Emissionen aus. Doch der Beitrag zum Klimawandel ist deutlich größer: Wegen der chemischen Veränderungen in der Atmosphäre und der Wolkenbildung durch die Abgase rechnen Experten, wie etwa das Umweltbundesamt, damit, dass der Flugverkehr etwa 5 Prozent zum Klimawandel beiträgt, also etwa so viel wie Indien. Und weltweit wächst der Flugverkehr rasant mit etwa 6 Prozent im Jahr. Bis 2050 könnte er für 22 Prozent aller Klimagase verantwortlich sein.

Russland, Indien und Brasilien sperren sich

Bei der Sitzung in Montreal sperrten sich am Schluss Russland, Indien und Brasilien gegen den Minimalkonsens von Corsia. In Flächenländern ist das Flugzeug zentral für den nationalen Verkehr. Außerdem hängen weltweit 8,7 Millionen Jobs direkt an Flughäfen und Airlines, die Branche nahm 2014 insgesamt 733 Milliarden Dollar ein und flog Fracht für 6,5 Billionen Dollar um den Globus, wie eine Studie der „New Climate Economy“ berechnet.

Für die Flugindustrie ist Corsia deshalb schon ein großer Schritt vorwärts. „Wir stehen hinter den im Rahmen der ICAO geplanten Klimaschutzvereinbarungen“, sagt Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie BDLI. „Damit würde das weltweite Klimaschutzziel der Luftfahrt, ab 2020 klimaneutral zu wachsen, einen entscheidenden Schritt näher rücken.“

Manfred Treber, Germanwatch

„Die ICAO verfehlt mit diesem Entwurf krachend ihr selbst gesetztes Ziel“

Gern verweist die ICAO auf ihre Erfolge: Flugzeuge sind effizienter geworden, pro Passagier und 100 Kilometer sank der Kerosinverbrauch von 8 auf derzeit 5 Liter. Auch trügen bessere Planungen bei Flügen und weniger Warteschleifen über verstopften Landebahnen zum Spritsparen bei. Und schließlich forschten, so die Fluglobby, die Airlines verstärkt an Antrieben auf Basis von regenerativen Energien.

Das aber bezeichnet ein britisches Forscherteam in diesem Jahr als Fata Morgana: Seit Jahrzehnten würden Meldungen über Fortschritte als „Technologie-Mythen“ nur zum Nichthandeln beitragen.

Bruchlandung im Klimaschutz

Vom Bundesverkehrsministerum, das die deutsche Delegation leitet, kommt auf Nachfrage zu Corsia nur, es gebe keine Einschätzungen zu laufenden Verhandlungen. Für EU-Klimakommissar Miguel Cañete ist die Regelung „nicht so ehrgeizig wie gewünscht“, aber „das Schlimmste wäre gar keine Regelung“.

Die EU hat mit ihren hochfliegenden Plänen zum Klimaschutz in der Luft bereits einmal eine Bruchlandung erlebt. 2012 wollten die Europäer alle Airlines, die in die EU fliegen, dem Emissionshandel unterwerfen. Nach harschen Protesten vor allem aus China, Indien und den USA stellte Brüssel seinen Vorschlag zurück – bis zu einer ICAO-Regelung. Mit Zähneknirschen müssen die Europäer nun offenbar Corsia als eine solche Regelung akzeptieren.

Wegen seiner vielen Schlupflöcher werde der Flugsektor 2030 mit Corsia nur etwa 13 Prozent seiner Emissionen reduzieren, lauten Schätzungen von Umweltschützern. Und auch dass der Pariser Klimavertrag bereits im November in Kraft tritt, hält die internationale Flugindustrie nicht am Boden: Denn im Pariser Abkommen wurde das Problem mit den Emissionen aus Flugzeugen und Schiffsverkehr in letzter Minute aus dem Text gestrichen.

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