Kommentar Merkels Sommerinterview: Sommer der Sachlichkeit

Die Kanzlerin reagiert kühl auf Nachfragen zu Problemen wie Brexit und Flüchtlingspolitik. Eine erneute Kandidatur lässt sie offen.

George Bush schnibbelt am Spanferkel, Angela Merkel steht daneben und lächelt

Im Jahr 2006 war noch alles gut: Bush, das Spanferkel und eine entspannte Kanzlerin Foto: dpa

Mit einem kurzen „Ja“ erwiderte Angela Merkel die Begrüßungsfloskel der ZDF-Moderatorin Bettina Schausten, es sei schön, dass die Kanzlerin ins Studio gefunden habe. Ähnlich ungetrübt von Freundlichkeiten verlief das gesamte sonntägliche Sommerinterview. Weiß Gott, das zurückliegende Jahr hatte wenig Anlass zur Gelassenheit geboten. Angesichts von Brexit, Terror und Groko-Zoff war Sachlichkeit das Gebot der Stunde.

Noch vor Jahresfrist galt Merkel, die mächtigste Politikerin Europas, als unangreifbar: Euro-Rettung, Ukraine-Politik, die deutsche Wirtschaft im vollen Saft. Doch all ihre Erfolge galten plötzlich wenig, nachdem Merkel entschieden hatte, die Grenzen für Bürgerkriegsflüchtlinge öffnen zu lassen. In den Monaten danach mutierten Kleinbürger zu Rassisten, Populisten gewannen Landtagswahlen, Politikverachtung und Gewalt brachen sich Bahn. Der Brexit, das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union, war das außenpolitische Fanal.

Man kann sagen, dass diese Erosion der parlamentarischen Demokratie auch ein Ergebnis von Merkels kommunikationsbefreiter Politik war. Zehn Jahre lang hatte sie es versäumt, ihren WählerInnen zu erklären, worin die Grundlagen ihres politischen Handelns bestanden. Das hat sie längst nachgeholt. Spätestens als sie beim CDU-Parteitag vor sieben Monaten ihre persönlichen Werte darlegte, als sie dem den rechten Rand hofierenden CSU-Chef Horst Seehofer die Stirn bot, musste jedeR wissen: Angela Merkel hat einen inneren Kompass.

Und so nahm es nicht wunder, dass sie auf die Frage der Interviewerin, ob sie nicht seit einem Jahr mit dem Einfangen der Folgen ihrer Flüchtlingspolitik befasst sei, kühl antwortete, alle Entscheidungen seien schließlich gemeinsam mit den Koalitionspartnern CSU und SPD gefällt worden: „Ich stehe zu jeder Entscheidung, die ich, die wir, die die Bundesregierung getroffen haben.“ Die Partner in Mithaftung zu nehmen ist nicht die schlechteste Strategie.

Angela Merkel

„Es wird das gesagt, was notwendig ist, wenn es notwendig ist.“

Spekulationen, der Brexit könne noch abgewendet werden, wies sie zurück. „Ich befasse mich mit den Realitäten“, sagte Merkel, und dass sie „ganz fest“ davon ausgehe, dass Großbritannien den entsprechenden Antrag stellen werde, sobald eine neue Premierministerin im Amt sei.

Merkel as usual, könnte man sagen. Wäre da nicht die letzte Frage nach einem möglichen Verzicht auf die nächste Kanzlerkandidatur gewesen. Sie werde sich dazu „zum gegebenen Zeitpunkt“ erklären, antwortete Angela Merkel – wann der sein werde, müsse wie stets abgewartet werden. Und dann, auf Nachfrage, dieser umständliche Satz: „Es wird das gesagt, was notwendig ist, wenn es notwendig ist.“ Noch vor Jahresfrist pflegte die Kanzlerin auf derlei Fragen zu antworten, sie übe ihr Amt mit viel Freude aus. In diesem Juliabend war davon nichts zu spüren.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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