: Assads Offensive auf Aleppo
SYRIEN Im Norden des Landes existiert die Feuerpause inzwischen nur noch auf dem Papier. Gekämpft wird an mehreren Fronten gleichzeitig
De Mistura: Zum Auftakt der nächsten Runde der syrischen Friedensgespräche hat der UN-Gesandte Staffan de Mistura die Teilnehmer zu einem neuen Bekenntnis zum brüchigen Waffenstillstand aufgefordert. Es habe ernsthafte Zwischenfälle gegeben, aber noch „kein Buschfeuer“, sagte er.
Putin: Der Kremlchef warnte am Donnerstag vor Spannungen rund um die syrische Großstadt Aleppo. Russland ist einer der engsten Verbündeten der syrischen Regierung.
Nach Angaben von Vertretern in Damaskus plant das Regime freilich nach der Wahl die Bildung einer Übergangsregierung, die eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Zu verhandeln gäbe es dann aus Assads Sicht nichts mehr.
Die politischen Manöver gehen einher mit einer Militäroffensive auf Aleppo, die ehemalige Wirtschaftsmetropole im Norden, der wichtigsten Hochburg der Rebellen, sowie Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppen an mehreren Fronten. Am Donnerstag griff die Regierung erneut Rebellengebiete in der Metropole an. Am Dienstag hatten syrischen Truppen mit Unterstützung aus dem Iran und schiitischen Milizionären aus dem Irak einen Angriff auf Tell al-Eis gestartet. Der Ort liegt an der Verbindungsroute, die von Aleppo nach Damaskus führt.
Der syrische Regierungschef Wael al-Halki hatte am Sonntag erklärt, Aleppo werde mithilfe der russischen Luftwaffe „befreit“ werden. Zwar dementierte dies der Chef des russischen Generalstabs, Sergei Rudskoi. Doch die russische Luftwaffe hat ihre Angriffe in der Region intensiviert und nach Angaben von Experten auch den Nachschub in den vergangenen Wochen verstärkt. Dabei setzen die Russen neuerdings zunehmend Kampfhelikopter ein; einer stürzte am Dienstag in der Nähe von Homs ab. Laut Rudskoi richteten sich die Angriffe bei Aleppo jedoch ausschließlich gegen die Al-Nusra-Front, den syrischen Ableger des Al-Qaida-Netzwerks. Die Nusra-Front ist wie der „Islamische Staat“ (IS) von der Feuerpause ausgenommen. Diese existiert freilich seit gut zwei Wochen nur noch auf dem Papier.
Nicht nur das Regime, auch dessen Gegner haben sie genutzt, um sich neu in Stellung zu bringen. Dabei gingen von den USA unterstützte gemäßigte Rebellen ein Bündnis mit der Al-Nusra-Front und der salafistischen Ahrar al-Scham zum Angriff auf Tell al-Eis ein, das sie Anfang April eingenommen hatten. Zudem liefern sich Kämpfer der Al-Nusra-Front und ihre Verbündete nördlich der Hafenstadt Latakia Gefechte mit dem Regime. Darüber hinaus greifen verschiedene Rebellengruppen seit Wochen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im Stadtteil Scheich Maksud im Norden von Aleppo an.
Gleichzeitig haben von der Türkei unterstützte Rebellengruppen im syrisch-türkischen Grenzgebiet erstmals seit zwei Jahren die Extremisten des IS angegriffen. Dabei ist es den Rebellen Ende vergangener Woche gelungen, das Gebiet zwischen den Grenzstädten Asas und Al-Rai weiter im Osten einzunehmen. Der Erfolg war aber nur von kurzer Dauer. Bei einem Gegenangriff sprengten die IS-Extremisten elf Autobomben in die Luft. In Al-Rai, das eine ihrer letzten Nachschublinie in die Türkei bildet, gelang es ihnen, die Rebellen zurückschlagen, in anderen Orten dauern die Kämpfe an.
Die Türkei will verhindern, dass das Gebiet in die Hand der Kurden fällt. Doch schlugen in den letzten Tagen mehrere Artilleriegeschosse in der Umgebung der türkischen Grenzstadt Kilis ein, die zwei Tote und mindestens 15 Verletzte forderten. In die Kämpfe griff am Donnerstag auch die Anti-IS-Koalition ein, die mehrere Luftangriffe auf mutmaßliche IS-Stellungen flog.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen