Und sie spricht doch

JUSTIZ Zweieinhalb Jahre hat Beate Zschäpe im NSU-Prozess geschwiegen. Nun will sie am Mittwoch doch noch aussagen. Den Prozess könnte das durcheinanderwirbeln

Zschäpe in München: Am Mittwoch wird sie wohl endlich ihr Schweigen brechen Foto: Peter Kneffel/dpa

von Konrad Litschko

BERLIN taz | 242 Prozesstage hatte Beate Zschäpe geschwiegen. Kein Wort, als die Bundesanwaltschaft die Anklage wegen Mittäterschaft an den zehn Morden des NSU verlas. Kein Wort, als Angehörige der Opfer ihr Leid vortrugen. Kein Wort, als es um die Obduktionen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ging, mit denen sie jahrelang im Untergrund lebte.

Das wird sich nun ändern. Am Montag bestätigte Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel der taz, dass er am Mittwoch für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess in München eine „ausführliche Einlassung“ verlesen wird. Weiter wollte sich Grasel nicht äußern: Da müsse man sich „leider gedulden“.

Damit steht der Prozess vor einer Wende. Verhandlungstag um Verhandlungstag hatte das Gericht bisher versucht, die Anklage der Bundesanwaltschaft zu untermauern. Diese wirft Zschäpe die Mittäterschaft an den zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und fünfzehn Raubüberfällen des NSU vor. Und alles sah nach einem Schuldspruch für Zschäpe aus.

Zuletzt hatte Richter Manfred Götzl gleich reihenweise Beweisanträge der Nebenklage­anwälte abgewiesen: Für die Schuldfrage hätten diese keine Bedeutung mehr. Ein Hinweis, dass sich Götzl sein Urteil schon gebildet hatte. Und das ging in Richtung Verurteilung: Mehrmals etwa hatte er die Entlassung des Mit­angeklagten Ralf Wohlleben aus der U-Haft abgelehnt – wegen der zu erwartenden hohen Strafe.

Für Zschäpe wurde die Zeit also knapp, um das Ruder noch herumzureißen. Zuletzt verstärkten sich Gerüchte über eine Aussage. Wiederholt hatte sich ihr Anwalt Grasel lange mit dem Senat besprochen. Grasel war erst im Juli, nach einem erneuten Zerwürfnis Zschäpes mit ihren ursprünglichen drei Anwälten, als vierter Verteidiger ernannt worden. Und schon damals hatte er eine Aussage seiner Mandantin nicht ausgeschlossen. Das bisherige Verteidigertrio war offenbar nicht in den Plan eingeweiht. Sie hatten Zschäpe stets geraten, keine Aussage zu machen.

Sie habe sich nicht gestellt, sagte ­Zschäpe der Polizei, um zu schweigen

Zschäpe selbst hatte allerdings schon im Juni in einem Schreiben an das Gericht mitgeteilt, mit dem Gedanken zu spielen, „etwas zu sagen“. Und bereits im November 2011, als sie sich nach den Selbsttötungen von Mundlos und Böhnhardt der Polizei stellte, hatte sie zwar eine Aussage verweigert – gleichzeitig angekündigt: „Ich habe mich nicht gestellt, um nichts zu sagen.“

Ob ihr die Aussage noch hilft, bleibt abzuwarten. Um strafmildernd zu wirken, müsste diese umfassend sein und sich nicht nur auf Teilaspekte beschränken. Die schriftliche Einlassung deutet aber daraufhin, dass Zschäpe keine Nachfragen beantworten wird. Die Folgen ihrer Aussage sind noch nicht absehbar: Möglicherweise müssen nochmals Zeugen geladen werden, um die Angaben zu prüfen.

Sicher ist nur: Der Prozesstag am Mittwoch dürfte so gut besucht sein wie kaum ein anderer in dem seit zweieinhalb Jahren laufenden Mammutprozess.