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NSU-Prozess in MünchenWas nützt Zschäpe eine Aussage?

Bisher ist der Prozess für die Hauptangeklagte schlecht verlaufen. Für ein reduziertes Strafmaß müsste sie ein Geständnis ablegen und Reue zeigen.

Am Mittwoch wird Beate Zschäpe mal wieder im Mittelpunkt stehen. Foto: ap

FREIBURG taz | Am 9. Dezember will Beate Zschäpe im NSU-Prozess nun aber mal endgültig aussagen. Aber warum tut sie das? Vermutlich reagiert sie nicht auf die drängenden Fragen der Opferangehörigen und der Öffentlichkeit. Es dürfte ihr wohl vorrangig um eine mildere Strafe gehen.

Angeklagt ist Beate Zschäpe vor allem als Mittäterin an zehn Morden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, dass sie gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Taten geplant und ausgeführt hat. Sie sei zwar nicht an den Tatorten gewesen, habe aber die „unauffällige Fassade“ der Gruppe gepflegt, das Geld verwaltet, Ausweispapiere beschafft und Wohnmobile für Straftaten gemietet.

Bisher ist der Prozess für Zschäpe schlecht verlaufen. Schon vor Prozessbeginn hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Anklage zugelassen. Das heißt, es hielt schon damals eine Verurteilung für wahrscheinlich.

Seitdem lässt das OLG die Untersuchungshaft für Zschäpe fortbestehen. Die Richter gehen also davon aus, dass weiter „dringender“ Tatverdacht besteht. Und bisher hat die Beweisaufnahme wenig ergeben, was Zschäpe entlasten könnte.

Zschäpe könnte nun versuchen, das Gericht zu überzeugen, dass sie von den Morden Mundlos‘ und Böhnhardts gar nichts wusste.

Wenn Zschäpe weiter schweigt, könnte sie also eine Verurteilung zu lebenslanger Haft nicht vermeiden. Es bestünde sogar die Gefahr, dass das OLG wegen der Vielzahl der Taten eine „besondere Schwere der Schuld“ annimmt. Zschäpe hätte dann keine Chance, bereits nach 15 Jahren entlassen zu werden. Vielmehr wäre dann eine Verbüßungszeit von 20 bis 25 Jahren wahrscheinlich.

Zschäpe könnte nun versuchen, das Gericht zu überzeugen, dass sie von den Morden Mundlos‘ und Böhnhardts gar nichts wusste. Sie könnte behaupten, dass sie zwar das Leben in der Illegalität mitorganisierte, allerdings nur die zahlreichen Raubüberfälle ihrer beiden Freunde decken wollte.

Handfeste Indizien, dass Zschäpe von den Morden wusste, gibt es tatsächlich wenig, unter anderem einen Fingerabdruck auf einem Zeitungsartikel über eine der Mordtaten.

Zschäpe könnte auch versuchen, ihre Rolle in der Gruppe als nachrangig darzustellen. Dann wäre sie nicht Mittäterin, sondern nur Gehilfin, was einen Strafnachlass erlaubt. Ihr dominantes Verhalten gegenüber ihren Anwälten dürfte für diese Strategie aber kontraproduktiv gewesen sein.

Außerdem hat sie am Tag ihrer Flucht auch das Haus in Zwickau angezündet und dabei wohl den Tod einer alten Bewohnerin in Kauf genommen. Die Bundesanwaltschaft wertet das als Mordversuch. Die Tat hat auch mit ihrer Stellung in der Gruppe nichts zu tun.

Für eine bloße Aussage gibt es noch keinen Rabatt beim Strafmaß. Dazu müsste Zschäpe ein Geständnis ablegen, die Geschichte des NSU aufklären und/oder glaubhaft Reue bekunden. Damit rechnet bisher aber eigentlich niemand.

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11 Kommentare

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  • Ach Herr Rath ->

     

    "…Damit rechnet bisher aber eigentlich niemand."

    Da steh ich nun - ich armer Tor ->

    Und bin so klug als wie zuvor;!¡()

  • "Handfeste Indizien, dass Zschäpe von den Morden wusste, gibt es tatsächlich wenig, unter anderem einen Fingerabdruck auf einem Zeitungsartikel über eine der Mordtaten." Das soll wenig sein ? Fingerabdrücke finden sich auf einer Vielzahl von Zeitungsausschnitten, vor allem jedoch auf zwei Exemplaren, deren Blätter nur regional an den entsprechenden Tatorten vertrieben werden. Damit dürfte erwiesen sein, dass Frau Zschäpe von den Morden wusste & damit qualifiziert sich auch ihre Brandstiftung als "besonders schwer" i.S. §306b StGB, so dass eine Fortdauer der Untersuchungshaft allein deshalb gerechtfertigt erscheint. Eine Entscheidung bzgl. eventueller Beihilfe nimmt diese Fortdauer jedoch noch nicht vorweg.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Bisher ist der Prozess für die Hauptangeklagte schlecht verlaufen."

     

    Och, nö. Mir kommen gleich die Tränen.

     

    War sie nicht bisher selber für den "schlechten Verlauf" hauptverantwortlich?

  • Ich bin der Meinung die Berichterstattung komplett einzustellen; den Angehörigen jedoch einen intensiven "Gerichts-Chanel" offen zu lassen und nur noch das Strafmaß zu verkünden.

    Wir haben andere Themen als darüber nachzudenken ob Frau NSU hierdurch oder dadurch eine Strafmaßverringerung erreichen könnte!

    Bei Urteilsverkündung gerne nochmal ausführlich um der politisch-moralischen Bedeutung zu würdigen inkl. Rolle der Verharmlosungsbehörden BND, Bundespolizei usw.

    • @Tom Farmer:

      Habe nicht vernommen, dass solches jemals bei einem RAF-Prozess gefordert worden wäre.

       

      Oder auch nur bei irgendeinem Angeklagten mit Migrationshintergrund, dem schwere Straftaten vorgeworfen wurden.

       

      Ist das nun "sonderbar", dass gerade hier kollektiv weggeschaut werden soll, oder eher nicht?

       

      Ich tendiere zu "eher nicht".

    • @Tom Farmer:

      Schon mal was von Pressefreiheit gehört?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        ... und Sie von Meinungsfreiheit?

  • Konmmt ganz drauf an was die Z. meint beweisen zu können.

    • @KarlM:

      Was soll das heißen, "Konmmt ganz drauf an was die Z. meint beweisen zu können"?

       

      So oder so: Wenn sie die Wahrheit aussagt, ist das so. Und warum sollte sie lügen? "Beweise" sind was für Möchtegern-Kojaks, denen ein bürokratischer Vorgang mehr bedeutet als die Wahrheit.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Nachdem Sie ja erhebliche Probleme mit der Realitätsprüfung haben, sei Ihnen das nachgesehen.

        • @KarlM:

          Können Sie das argumentativ untermauern? Quellenangabe, bitte.