Kolumne Liebeserklärung: Der Unrechtsstaat

Der Begriff gibt uns Kraft und Orientierung. Er ist auch wichtig für die Grünen. Wie sonst könnte man sich noch sicher sein, dass man bei den Guten ist?

Für die heutige Politik sollte die Frage, wie man die DDR nennt, völlig schnurz sein. Bild: dpa

Dass die DDR ein unappetitlicher Drecksstaat war, sollte jedem klar sein, der einigermaßen bei Sinnen ist. Für die heutige Politik hingegen sollte die Frage, wie man die DDR denn nun nennt, völlig schnurz sein. Ist sie aber nicht. Und zwar keineswegs nur dem folkloristischen Teil der Linkspartei, der ein bisschen weinen muss, wenn man von einem „Unrechtsstaat“ spricht.

Dieses Branding ist auf der anderen Seite auch für SPD und vor allem Grüne identitätsstiftend. Wie sonst könnten wir noch sicher sein, dass wir die Guten sind? Klar, die Mauertoten, ein typisches Merkmal eines Unrechtsstaates. Die toten afrikanischen Flüchtlinge im Todesstreifen namens Mittelmeer – natürlich auch nicht schön, aber doch wenigstens rechtsstaatlich tiptop ums Leben gekommen.

Dass irgendwelche völkischen Idioten in der Ukraine die pro-russischen Kräfte und die im Weg stehende Zivilbevölkerung meucheln – im Detail kritikwürdig, aber hier geht es um unsere westlichen Werte, den Rechtsstaat also. Dass irgendwelche völkischen Idioten in der Ukraine die pro-ukrainischen Kräfte und die im Weg stehende Zivilbevölkerung meucheln – ein Anschlag auf die Weltordnung, denn Russland ist ein Unrechtsstaat.

Kurzum: Um in diesen unübersichtlichen Zeiten noch Falsch und Richtig auseinanderhalten zu können, brauchen wir den Unrechtsstaat. Er gibt uns Halt und Kraft und wenigstens eine verlässliche Orientierung. Auch die Nazis schließlich haben sehr darauf geachtet, ihr Wirken auf rechtlich einwandfreie Füße zu stellen.

Diese Mühen dürfen nicht umsonst gewesen sein! Darum, liebe Thüringer Grüne, verteidigt ihn tapfer weiter für uns, den Unrechtsstaat DDR! Nicht, dass ihr beim nächsten völkerrechtswidrigen Bombardement des nächsten Unrechtsstaates nicht sicher wisst, auf welcher Seite ihr eigentlich steht.

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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