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taz-Sonderausgabe zu UtopieDon’t worry, bee happy

Vergiftete Felder, laute Straßen und lichtverschmutzte Dörfer, das war einmal. Denn die Bienen wurden erhört.

„Früher war alles schlechter“. Davon ist die Rotpelzige Sandbiene überzeugt Foto: Dave Pressland/imagebroker/imago

Meine Antennen stehen kerzengerade. Aus allen Richtungen strömen himmlische Düfte: Kapuzinerkresse, Lavendel und Thymian. Auf der Straße unter mir ist es fast still. Nur gelegentlich höre ich Fahrradschlösser klicken und E-Busse surren. Aus den Stadtteichen quaken die Frösche. Es ist ein guter Tag, um eine Wildbiene zu sein.

Euretwegen wären wir fast ausgestorben. Vor wenigen Jahren noch fraßen sich Häuser und Straßen durch die Landschaft wie die Larven der Wachsmotte durch Honigwaben. Stundenlang flog ich über Kornfelder, ohne Pollen und Nektar zu finden.

Illustration von Ali Arab Purian
Die taz total utopisch

🐾 Von der Kneipe an der Ecke bis zum solidarischen Garten in Bogotá: Junge Au­to­r*in­nen haben sich auf die Suche nach utopischen Ideen begeben. Die dabei entstandenen Artikel haben sie in einer Sonderausgabe der taz veröffentlicht.

Einmal entdeckte ich eine Blume, die so stark nach eurem Insektengift schmeckte, dass mir ganz übel wurde. Weil es ständig, nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht, so verdammt hell war, fand ich nicht mehr zurück zu meiner Familie. Verloren und krank summte ich umher.

Es musste sich etwas ändern. Seit es uns Bienen gibt, bestäuben wir Blütenpflanzen und bewahren die Artenvielfalt. Die Pflanzen, die wir bestäuben, landen später oft in euren Mäulern, wie auch der Honig unserer Schwestern. Ich will sagen: Wir sind wichtig. Für euch, und für viele andere Lebewesen.

Als Aushängeschild triumphiert

Zum Glück habt ihr uns erhört. Und uns zur Greta Thunberg unter den Insekten gemacht, zum Aushängeschild eurer Naturschutzkampagnen.

Gerade noch rechtzeitig reagierte eure Königin aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, indem sie die nationale Strategie zum Erhalt der Familie der Hautflügler beschloss. Daraufhin habt ihr angefangen, eure Balkone zu begrünen. Nicht wie früher mit Kunstrasen und Plastikblumen, sondern nach der Balkonpflanzenpflicht mit Basilikum und Glockenblumen.

Mittlerweile fliege ich sogar gerne nach Berlin, Köln oder München. Denn neben den fast 60 Millionen Balkonen wachsen in deutschen Städten vertikale Gärten an den Hauswänden empor. Auf den grünen Dächern stehen tiefe Sandkästen. Darin nisten meine Artgenossen und die Menschenkinder halten sich fern. Am Stadtrand bewohnen wir die Hecken der Kleingärten. Denn nach der Heckenschnittverordnung ist es euch verboten, sie jeden Sommer in Herzen, Bögen oder Quadrate zu schneiden.

Oh wie schön ist das Landleben

Auch das Leben auf dem Land hat sich verändert. In Niedersachsen wachsen meterbreite Wildblumenstreifen am Rand von Getreidefeldern und Landstraßen. Ihr nennt sie Bienen-Highways. Weil Land­wir­t:in­nen weniger Pestizide spritzen, wird mir nicht mehr schlecht, wenn ich auf dem Highway Nektar sauge.

Dicht an dicht wachsen auf den Dünen der Nordseeküste Wildrosen und Besenheide. Seitdem nicht mehr vor jeder Sandwand ein Strandkorb steht, trauen sich meine Artgenossen wieder dort zu nisten. Und im Süden gibt es ein gigantisches Lichtschutzgebiet, so groß, dass im Zentrum kein künstliches Licht leuchtet. Die wenigen Träumer:innen, die nachts dorthin fahren und in die Sterne schauen, bemerken uns nicht.

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15 Kommentare

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  • Danke für diesen tollen Artikel! Warum aber muss das eigentlich eine Utopie sein? Wann lernen wir es eigentlich...?

  • Ein Nachbar mit kleinem Garten unter unserem Balkon macht zwar einige Probleme, aber was mich freut, ist, dass sein vernachlässigter Garten ein Paradies für Insekten und Kleintiere ist.

    Erschreckend ist jedoch, wie oft FußgängerInnen am Zaun stehen bleiben und sich darüber aufregen, dass der Garten nicht ihren traditionellen Vorstellungen eines Gartens entspricht. Nur aufgrund des Gartens sind wir schon öfter auf dem Balkon angesprochen worden, ob die Wohnung unten frei sei.

  • Ich finds ja schön, wenn solche Artikel erscheinen, aber wenn es um Bienen geht, wäre es auch gut als Bild für den Artikel eine Biene und keine Fliege zu nehmen. Es ist gut, wenn sich Leute engagieren, aber es ist auch gut, wenn die Leute, welche sich engagieren über Natur ein wenig informieren. Prosa ist ja nice, aber Naturschutz muss auf harte Fakten reagieren. Mit solchen Fehlern, macht man sich offen für die Kritik, Naturschützer:innen seien nur Hippies, die nur fühlen und nicht denken.



    Also das mit dem falschen Bild ist schon peinlich

  • Nett geschrieb aber leider nicht ganz richtig. Während die Zahl der Honigbienenvölker lansam wieder ansteigt ist das keine Entwarnung. Diese sind nur eine Art von 600 Wildbienen die es in Deutschland geben sollte. Für diese Wildbienen hat sich die Situation ebend nicht verbessert. Durch die von unserer Regierung verursachte Inflation und die absurd hohen Energiepreise geraten immer mehr Ökolanbauern unter Druck und geben Ihren Betrieb auf. Großbetriebe übernehmen dann diese Flächen. Demonstrationen der Ökolandbauer mit bis zu 130 Traktoren in Berlin haben nichts gebracht. Ganz im Gegenteil unser Kinderbuchautor plant im Januar die Energiepreise weiter zu erhöhen. Keine gute Nachricht für die Bienen.

  • Eine Utopie, zum Weinen schön.



    Und so einfach umzusetzen!



    Theoretisch.



    Praktisch herrscht der bräsige Konsumbürger in seiner irrsinnigen Verblendung.



    Steingarten, SUV, Flugreisen, Fleischmahlzeiten, und MEINE RECHTE darauf.



    Eine Wirklichkeit zum Weinen, gar nicht schön.

  • Hinweise auf elektromagnetische Felder als mögliche Ursache für den globalen Insektenschwund intensiv weiter zu untersuchen wird leider weiterhin unterlassen.

    /

    "Wirkung von nichtionisierender



    Strahlung (NIS) auf Arthropoden



    Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU)"

    www.bafu.admin.ch/...uf_Arthropoden.pdf

  • Homo sapiens kann ja auch mal ein bisschen Vernunft aufbringen.

  • Das ist wunderschön zu lesen. Dann prickt der Stachel: Wie soll / kann das gelingen?



    Es gilt "Mein Auto. Mein Haus. Mein Garten." Da lässt sich niemand hereinreden.

    Immer noch verschwinden so Tag für Tag Gärten und Vorgärten unter Versiegelungen aller Art. Garten ja, - aber total sauber und ordentlich muss er sein! Erde und Laub gelten vielen Menschen nach wie vor als "Dreck", lästig und unhygienisch. Viele Pflanzen, die für Insekten besonders wichtig sind, werden weiterhin als "Unkraut" bekämpft (Einer meiner Favoriten für ein Unwort des Jahres). Trotz allen Wissens darum, trotz gesetzlicher Vorgaben: Hecken werden durch Zäune oder Gabionen (Bruchsteine hinter Gittern) ersetzt. Gern auch zwischen März und Oktober, wo dieses verboten ist. Who cares?



    Ich saß in diesem Jahr auf meinem seit Jahren insektenfreundlichen Balkon, sah erschreckend viel weniger Hummeln und Co., als 2022. Noch vor wenigen Jahren summten Bienen aus unserer Hecke zu mir hinauf. Jetzt summt einzig die Klimaanlage eines Nachbarn. Außerdem fast ständig zu hören: Rasenmähen (gaaanz kurz muss er sein!), viele Kettensägen und - seit dem Fallen des ersten Blattes: Laubbläser.



    Ich wünschte wirklich, die Natur hätte Wahlrecht, Stimmrecht und die besten Anwälte. Die würden uns vermutlich vom Planeten klagen.

    • @Woodbine:

      Hab mir seit Jahren angewöhnt Beikraut statt Unkraut zu sagen.

    • 9G
      94799 (Profil gelöscht)
      @Woodbine:

      Ich "züchte", dh. beschützte unter einem umgedrehten Tontopf auf der Hausterasse eine kleine Wespenkolonie, ua. durch einen kleinen Wassergraben gegen Spinnen.. Aktuell habe ich den Eindruck die Wespen sind total konfus auf Grund des der Jahreszeiten untypischen Wetters - die wirken so konsterniert das man sie am liebsten tröstend streicheln möchte. Ich gehe mal davon aus das Insekten und Tiere ganz allgmein neben einem täglichen Biorhytmus auch einen jahreszeitlichen haben und der ist zZt. ausser Kontrolle, zumindest in Portugal wo ich wohne.

      • @94799 (Profil gelöscht):

        "die Wespen sind total konfus "



        Das wird vermutlich fast überall zu beobachten sein. Hier sind es drastisch weniger Wespen geworden. Selbst die Medien lassen im Spätsommer ihre üblichen "Wespenplage"-Schlagzeile inzwischen in der Schublade ...



        Leider kratzt es kaum jemanden, wie unser Lebensstil auch unsere Mitgeschöpfe leiden lässt.

        Gruß an Ihre Wespenkolonie!

  • Ganz nett, aber um DIE Biene muss man sich recht wenig sorgen. Deren Population hat zugenommen.



    Die unscheinbaren Insekten sterben leise, genau wie die schönsten, die Tagschmetterlinge.

    • @fly:

      Hornklee, Natternkopf, Löwenzahn.

    • @fly:

      Bienen sind nicht gleich Bienen. Die kommerziell gehaltenen Honigbienen sind bestimmt nicht bedroht, bedroht sind die Wildbienen deren Futterkonkurrent eben diese Honigbienen sind. Die gezüchteten Honigsammler sind aggressiver, größer und nicht auf einzelne Futterpflanzen spezialisiert wie die Wildbienen. Nimmt man jetzt noch die Krankheiten dazu welche von den Honigbienen ausgehen können z.B. Varroa, Stein- und Faulbrut, Kalkbrut, ist der schaden denn Honigbienen an den Wildbienen anstellen größer als die Gefahr durch die Landwirtschaft.

    • @fly:

      Wenn DIE Biene, die Honigbiene Apis mellifera (eine Art) meint, dann ja, deren Population ist stabil.

      Wildbienen (also nicht-Honigbienen) gibt es 600 Arten. Und um alle die muss man sich sorgen machen. Und die geben btw auch alle keinen Honig.

      Honigbienen sind Nutztiere. Es kommt auch niemand auf die Idee es als Naturschutz zu bezeichnen eine Kuh auf eine Wiese zu stellen.