taz FUTURZWEI-Gespräche beim tazlab : CDU/AfD-Regierung 2029 verhindern!
Was wäre, wenn Luisa Neubauer, Robert Habeck und Daniel Cohn-Bendit gemeinsam Grünen-Parteivorsitzende werden? Eindrücke vom tazlab.

taz FUTURZWEI | Luisa Neubauer wundert sich über das lähmende Entsetzen, das die Wende weg von Klimaverantwortung und der Aufstieg autoritärer Herrschaft auslösen.
Für die Fridays for Future-Gründerin spiegelt diese Entwicklung, trotz der Erfolge der Klimabewegungen, die realen Machtverhältnisse. Die autoritäre Volte rückwärts habe gerade erst begonnen.
„Sie haben noch nicht erreicht, was sie wollen, sie haben gerade erst mit der Durchsetzung ihres Machtwillens begonnen“, sagt sie im Gespräch mit taz FUTURZWEI-Chefredakteur Peter Unfried bei der tazlab-Konferenz am vergangenen Wochenende in Berlin.
taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°32: Wozu Kinder?
Kinder und Jugendliche sind die politisch ignorierteste Randgruppe der Gesellschaft. Dabei muss diese Minigruppe demnächst die vielen Renten bezahlen und den ganzen Laden am Laufen halten. Was muss sich ändern?
Mit Aladin El-Mafaalani, Marlene Engelhorn, Arno Frank, Ruth Fuentes, Maja Göpel, Robert Habeck, Celine Keller, Wolf Lotter, Lily Mauch, Luisa Neubauer, Henrike von Scheliha, Stephan Wackwitz und Harald Welzer.
Andererseits gebe es in Umfragen ein immer wieder belegtes Interesse großer Mehrheiten weltweit an einer effektiven Klimapolitik. Historischer Wandel vollziehe sich auf vielen Ebenen gleichzeitig, in Rückschritten von den alten politischen Machtzentren her, aber auch als transformativer Fortschritt aus der Mitte der Gesellschaft.
Für Neubauer ist es jetzt vor allem wichtig, daran zu arbeiten, die Aktivisten und ihre Unterstützer zusammen zu halten.
Luisa Neubauers strategisches Argumentieren hat politisches Potential. Die Frage ist, warum sie ihre politische Kompetenz, ihre hohe Akzeptanz in der Gesellschaft nicht in eine führende Rolle bei den kopflosen und nun vor sich hin taumelnden Grünen übersetzt.
Aber offensichtlich verharrt sie im Moment lieber in ihren, dann doch bequemeren, aber hochfahrenden Bewegungswelten.
Was sagt der „Kanzler der Herzen“?
Robert Habeck, der bisherige Kopf der Grünen und „Kanzler der Herzen“, wie der Veranstaltungstitel behauptete, bleibt im Blick auf seine eigene Zukunft, wie auch die der Grünen unklar.
Die 450.000 Bitten aus der politischen Agora, er möge die Politik nicht verlassen, haben zumindest dazu geführt, dass er vorerst sein Bundestagsmandat nicht aufgeben will. In dem einstündigen Gespräch beschreibt Habeck die Lage der politischen Parteien präzise.
CDU und SPD hätten keinen anderen Plan als ihren Machtwillen. Eine Idee, wohin sie die Republik darüber hinausführen wollten, hätten sie nicht. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ihre Koalition auch 2029 die unklaren Mehrheitsverhältnisse nur reproduzieren würde.
Udo Knapp ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.
Mit der wahrscheinlichen Folge, dass dann, wie schon jetzt bei Jens Spahn erkennbar, die CDU versuchen würde, sich in einer Koalition mit der AfD zu retten. Es gäbe bisher keine Erzählung, wie diese realistische Option einer möglichen Dekonstruktion der demokratischen Institutionen verhindert werden könnte.
Sein Versuch, die Transformation der Gesellschaft ins nachfossile Zeitalter mit einem Eingehen auf Bedenken und Ängste konkret anzugehen, sei gescheitert.
Pragmatismus scheitert an der Gesellschaft
Sein menschenfreundlicher Pragmatismus sei in einen bösartigen Vorwurf gegen ihn verkehrt worden. Seine „Politik der Kompromisse, darauf ausgelegt, halbe Wege zu gehen, um erste Schritte zu vollziehen“ sei in breiten Teilen der Gesellschaft nicht angekommen.
Seine Vorstellung von Politik in einem lernenden System habe nur wenige Anhänger gefunden. Mehrheiten wollten derzeit mit Zukunftszumutungen, in welcher Dosis auch immer, in Ruhe gelassen werden. Ein Mittel dagegen habe er nicht gefunden. Jetzt sei Nachdenken angesagt.
Diese Analyse ist nachvollziehbar, die Folgerungen daraus bleiben unklar. Habeck hat sich aus taktisch nachvollziehbaren Gründen (schwarz-grüne Hoffnungen) in eine, ihm boshaft übergeholfene Loser-Rolle hineingefügt.
Grünes Wegducken?
Dabei haben die Grünen seit der vom rotgrünen Umweltminister Trittin eingeleiteten und von Habeck mit großem Erfolg fortgeführten Energiewende, inklusive Wärmeplanungs- und Heizungsgesetz, die Republik bereits so grundsätzlich in Richtung einer ökologischen Transformation verändert, dass die nächste Regierung daran prinzipiell nur wenig ändern kann.
Anstatt sich selbstbewusst für diese Erfolge zu feiern, sich für die Zukunft führungsstark zu präsentieren, hat sich Habeck bis heute weggeduckt.
Habecks Platz ist in der ersten Reihe der Grünen. Wenn er jetzt beleidigt ins zweite Glied wegrückt, anstelle sofort den Kampf um ökosozialliberale Mehrheiten in 2029 aufzunehmen, dann kneift er vor seiner politischen Verantwortung gegenüber seinen Wählern und der ganzen Gesellschaft.
Historischer und gegenwärtiger Antifaschismus
Der Weg der CDU zur Koalition mit der AfD ist eine realistische Bedrohung, da hat er Recht. Mit Habeck an der Spitze kann das verhindert werden.
Dany Cohn-Bendit ist aus anderem Holz. Seine Lebensgeschichte hat politisches Gewicht.
Als Kind der Freiheit ist er nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland aus Frankreich nach Deutschland zurückgekehrt, hat 1968 auf den Barrikaden in Paris die gesellschaftliche Freiheitsbewegung angeführt, war bei den deutschen 68ern und später den Grünen, für viele Jahre im Europaparlament, zweimal für Frankreich, zweimal für Deutschland – das ist das Leben eines Europäers.
Für Cohn-Bendit gibt es, anders als bei Luisa Neubauer und Robert Habeck, kein Hadern mit der aktuellen Niederlage. Kampflustig wie eh und je trägt er eine Perspektive für die Grünen vor, mit der sie die politische Hegemonie zurückgewinnen können.
Seine bitterste, politische Lebenserfahrung, den Verrat der USA am gemeinsamen Kampf mit allen Demokratien gegen seine autoritären Herausforderer, verwandelt er in die politische Selbstverpflichtung Europas.
Ohne die USA an seiner Seite, jenseits aller postkolonialen Selbstzerknirschung, wachse Europa wieder in eine weltweite Führungsrolle im Kampf für Demokratie und Freiheit hinein. Damit Europa in diesem Kampf bestehen könne, müsse die EU im wieder aufgenommenen Verfassungsprozesses volle europäische Souveränität gewinnen. Deutschland habe in diesem Prozess eine Führungspflicht.
Ein Ausblick in eine gangbare Zukunft
Diese Erzählung habe bisher keinen festen politischen Ort in der Republik. Cohn-Bendit sieht hier, wie vor Jahren schon Joschka Fischer, die zentrale Aufgabe der Grünen.
Eine ökologische Wende kann für ihn nur eine europäische und keine nationale sein. Das Auditorium beim tazlab war hingerissen von seiner politischen Leidenschaft.
Ein Annex zu diesen spannenden Gesprächen: Was wäre, wenn Luisa Neubauer gemeinsam mit Robert Habeck und Daniel Cohn-Bendit beim nächsten Grünen Parteitag für den Parteivorsitz kandidierten. Ja, klar, unwahrscheinlich, Statuten, Besitzstandswahrung und so weiter.
Aber das würde für die Grünen und die ganze Republik im Blick auf 2029 Perspektiven eröffnen, für die es sich lohnen würde, hart zu arbeiten und neue Wege zu gehen.
■ Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins taz FUTURZWEI N°32 mit dem Titelthema „Wozu Kinder“ gibt es jetzt im taz Shop.