taz-Diskussion zu Schwarz-Grün: „Dann marschieren wir“

Katrin Göring-Eckardt diskutierte mit Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus über Schwarz-Grün. Mit viel Differenz und einer aussagekräftigen Sekunde.

Ulrike Winkelmann, Ulrich Schulte, Ralph Brinkhaus, Katrin Göring Eckardt

taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann (l.) moderierte das Gespräch Foto: A. Weber, taz, T. Koch, D. Butzmann

BERLIN taz | Ralph Brinkhaus lehnt sich in seinem Stuhl zurück und schmunzelt. Gerade hat ihn taz-Chefin Ulrike Winkelmann mit einer bösen Zuhörerfrage konfrontiert. Kann man der CDU in Sachen Klimaschutz trauen? „Schauen sie in diese Augen“, frotzelt er, „die sagen doch die Wahrheit.“

Dann schaltet der Unions-Fraktionschef im taz-Talk am Donnerstagnachmittag einen kleinen Werbeblock. Merkel habe Klimakompromisse auf internationaler Ebene eingetütet, die Koalition habe das Erneuerbare Energien-Gesetz novelliert, und beim Tierwohl mache man Schritte nach vorn. Brinkhaus beteuert: „Das Gute an der Union ist: Wenn wir mal ein Thema angenommen haben, dann marschieren wir auch.“

Mit ostwestfälischem Charme, der vielleicht zu Unrecht als etwas spröde gilt, warb Brinkhaus für die Klimapolitik seiner Partei – und geriet einige Male mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt aneinander.

„Was geht mit Schwarz-Grün?“ war die von Winkelmann moderierte Diskussion überschrieben, die nicht nur Schnittmengen und Differenzen möglicher Bündnispartner ergründen, sondern auch das neueste Projekt von Ulrich Schulte vorstellen sollte. Schulte ist taz-Parlamentsbürochef und berichtet seit über zehn Jahren über die Grünen. Seine Erkenntnisse hat er in dem bei Rowohl erschienenen Buch „Die Grüne Macht“ verarbeitet.

Söder umwirbt die Grünen

Mit Schwarz-Grün ist das so eine Sache. CSU-Chef Markus Söder umwirbt die Ökopartei so offensiv, dass sich neulich der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek auf Twitter beklagte, das grenze ja schon an Stalking. Aber den den meisten anderen Protagonisten geht es angesichts des anstehenden Wahlkampfes eher darum, die Unterschiede zu betonen – und bloß nicht den Eindruck allzu großer Nähe zu erwecken. Folgerichtig gibt sich Göring-Eckardt verhalten, sagt aber mit Blick auf die regierende Groko, dass es kein Weiter-so geben dürfe. Auch Brinkhaus hält Distanz: „Was im September ist, weiß keiner.“

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Beide betonten aber, es gehe darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Union betrachte sich als „Klammer in der Mitte“, sagt Brinkhaus. Sie habe die Aufgabe, sich klar nach Rechts abzugrenzen, „aber die Leute nicht an uns vorbeilaufen zu lassen.“ Gerade beim ökologischen Umbau der Wirtschaft müsse man aufpassen, dass kein „Wir gegen die“ entstehe. Auf der einen Seite die Guten, ökologisch Korrekten, auf der anderen Seite diejenigen, die Auto fahren und gerne Nackensteak essen.

Man müsse aufpassen, dass auch „der klassische Industriearbeiter in den energieintensiven Branchen“ den Weg mitgehe, sagt Brinkhaus. Die Union sei mittlerweise mehr im ArbeitnehmerInnenmilieu verhaftet als die SPD. Es sei wichtig, den Leuten in Braunkohlerevieren trotz des nötigen Transformationsprozesses zu signalisieren, dass man respektiere, was sie gemacht hätten. Und ja, den Klassiker bringt er auch: Beim Kampf gegen die Klimakrise setze die Union auf Technologie und den Markt statt auf Verbote.

Planungssicherheit beim Klimaschutz

Auch Göring-Eckardt betont die Notwendigkeit, alle bei der ökosozialen Wende mitzunehmen. Ihr erster Punkt: Die Unternehmen bräuchten endlich Planungssicherheit in punkto Klimaschutz – und wollten dies auch. Ihr zweiter: Die Transformation der Industriegesellschaft habe eine zentrale soziale Dimension. „Das ist ein grünes Herzblutthema, auch mein eigenes.“

Arme Leute wohnten an dreckigen, viel befahrenen Straßen und wohnten in unsanierten Wohnungen, sie seien unmittelbar von der Klimakrise betroffen. Die Grünen möchten zum Beispiel die Einnahmen des Staates aus einem höheren CO2-Preis wieder an die BürgerInnen ausschütten. Davon würden schlecht verdienende Familien überproportional profitieren, weil sie weniger Energie verbrauchen als Gutverdiener-Haushalte.

Göring-Eckardt erneuert die Forderung nach einem Corona-Aufschlag auf die Grundsicherung. Daran würde die Bundesrepublik nicht zugrunde gehen, sagt sie, sondern signalisieren, dass niemand zurückgelassen werde. Als zentrale Projekte, die in einer neuen Regierung umgesetzt werden müssten, bezeichnet sie die Kindergrundsicherung und eine Garantiesicherung, mit der die Grünen Hartz IV ersetzen wollen. An diesem Satz werden sich die Grünen messen lassen müssen.

Da leuchten Unterschiede auf: Brinkhaus erwähnt eine Hartz IV-Reform mit keinem Wort – und hebt als zentrale soziale Frage die Bildungspolitik hervor. Das passt besser zur Leistungsorientierung der Union.

Streitgespräch über Ansprache

Beide gehen in der Diskussion freundlich miteinander um, aber ein paar Mal knallt es auch. Als Göring-Eckardt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) als Lobbyistin der alten Landwirtschaft bezeichnet, schüttelt Brinkhaus den Kopf. Jene versuche Brücken zu konventionellen Landwirten zu schlagen. Das, sagt Brinkhaus, dürfe man nicht diskreditieren.

Dann schießt der CDUler zurück. Es tauche immer wieder der alte Verdacht auf: „Wir Grünen haben die Wahrheit gefressen, und ihr müsst das jetzt mal kapieren, dass das so ist.“ Mit Blick auf eine schwarz-grüne Koalition sagt er: Es werde nicht funktionieren, wenn da einer von einer moralischen Höhe zum deutschen Volk und zum Koalitionspartner spreche. Sondern es gehe nur, wenn man wie in Hessen sage, wir sind anders, aber wir respektieren uns in unserer Andersheit.

Göring-Eckardt lässt diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen. Brinkhaus bemühe ein „altes Zerrbild“, sagt sie. Es gehe im Wahlkampf nicht darum, zu belehren, sondern die Auseinandersetzung um zentrale Fragen zu führen – was die Menschen erwarteten. Sie wirkt genervt, auch deshalb, weil sich die Grünen seit Jahren darum bemühen, das Image der Besserwisser-Partei abzustreifen. Die Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, aber auch Göring-Eckardt selbst, setzen auf eine zugewandte, versöhnliche Sprache. Der Oberlehrer-Duktus ist ihnen eher fremd.

Und was geht jetzt mit Schwarz-Grün? Für taz-Parlamentsbürochef Schulte ist klar: Eine solche Koalition ist die wahrscheinlichste Bündnisvariante nach der Wahl im September. Er verweist auf die Mehrheit in Umfragen, die SPD, die sich an der Groko wund gerieben habe, und auf die funktionierende Koalition in Hessen, die ein Vorbild liefere. Dort regieren Schwarze und Grüne seit 2014 miteinander, „geräuschlos und effizient“, wie Schulte sagt. Allerdings verbögen sich die Grünen dort manchmal bis zur Unkenntlichkeit.

Einen Moment gibt es dann doch noch, der die Wahrscheinlichkeit von Schwarz-Grün im Bund bestätigt. Göring-Eckardt ärgert sich darüber, dass Brinkhaus das von den Grünen seit Langem geforderte, von der Union aber ebenso lange blockierte Verbot, Küken zu schreddern, als eigenen Erfolg ausgibt. Sie plädiert für ein Umsteuern in der Landwirtschaft und sagt, dass sie da nicht viel Vertrauen habe, dass das mit der Union einfach werde. „Das wird ein totaler Stress werden, das ist völlig klar.“

Wird, sagt sie, nicht würde. Zumindest eine Sekunde lang ist die schwarz-grüne Koalitionsverhandlung dann doch schon Realität.

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