Zwölf Thesen: Warum Masken super sind
Viele Coronabeschränkungen laufen weitgehend aus, darunter auch die Maskenpflicht. Dabei gibt es genug Gründe, warum wir weiter Maske tragen sollten.
P ünktlich zum „Freedom Day“ an diesem Sonntag brechen die täglichen Neuinfektionen sämtliche Rekorde. Trotzdem will die Bundesregierung die geltenden Coronabeschränkungen weitgehend lockern – inklusive Maskenpflicht. Dabei gibt es genügend Gründe, warum man sich die Maske nicht voreilig vom Gesicht reißen sollte.
Schau mir in die Augen
Vielleicht können Sie sich noch an den alltäglichen Sexismus in der vorpandemischen Zeit erinnern. Damals verfingen sich die Augen des Gegenübers mit Vorliebe dort, wo sie nichts zu suchen hatten. Mal saugten sie sich am Hintern fest, dann krochen sie einem tief in den Ausschnitt, um im Anschluss daran eine nähere Untersuchung des Rachenraums vorzunehmen. Und das, obwohl man selbst nichts anderes im Sinn hatte, als sich auf Augenhöhe zu unterhalten. Doch dann kam die Maske und mit ihr die Erleichterung. Seitdem der Mund hinter einem Stück Stoff verborgen ist, liegt der Fokus derart auf den Augen, dass sogar die hartnäckigsten Glotzer manchmal hineinschauen. Und das soll bitte auch so bleiben!
Urlaub vom Dauergrinsen
Schon Kindern wird vermittelt, dass sie ein fröhliches Gesicht machen müssen, damit sie keine Zumutung für ihre Umgebung sind. Doch seit der Maskenpflicht können wir unsere verkrampften Mundwinkel auch im öffentlichen Raum mal so richtig schön hängen lassen. Bleiben wir doch noch ein wenig dabei, vor allem, weil es momentan sowieso nicht viel zu lachen gibt.
Endlich Knoblauch en masse
Die Maske ist auch deshalb so super, weil man dank ihr endlich so viel Knoblauch essen kann, wie man möchte, ohne dass man zur Geruchsbelästigung für andere wird: Dank FFP2 atmet man seinen Odeur nunmehr vor allem selbst ein. Wer das nicht aushält: Immer auch eine Packung Kaugummi dabeihaben. Die hat schon so manchen Theaterabend gerettet.
Leise ist das neue Laut
Wie angenehm leise es seit der Pandemie in den Zugabteilen oft zugeht. Keine nervigen Telefonate mehr, bei denen man jedes Wort mithört, keine passiv-aggressive Familienkommunikation. Stattdessen Ruhe, Frieden, Durchatmen. Nicht, dass nun gar nicht mehr gesprochen würde. Vielmehr hat sich das Material der Masken wie eine dicke, fette Decke über das Gerede gelegt. Himmlisch.
Weniger schlaflose Nächte
Wenn ich schon als 37-Jährige ohne Vorerkrankungen Angst vor dem Virus hatte, wie ist es dann erst Menschen über 80 oder solchen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung in den vergangenen zwei Jahren ergangen? Erst die Angst vor Tröpfchen, dann der Horror vor Aerosolen. Und jetzt, da mehr als je zuvor herumschwirren, sollen wir die Maske wieder ablegen? Da sind durchwachte Nächte doch vorprogrammiert.
Maske als Schnelltest
Trägt jemand im Supermarkt keine Maske – oder nur einen zur Maske umfunktionierten Stringtanga –, kann man sich zu 99,9 Prozent sicher sein, dass es sich um ein ignorantes Arschloch handelt, dem andere Menschen egal sind. Baumelt die Maske hingegen unter der Nase, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich da jemand, egal welchen Alters, immer noch in der Pubertät befindet. Und dann gibt es noch all die Held*innen, die die Maske zwar tragen, sie aber zum Niesen kurz runterziehen. Wollen wir diesen schönsten aller Covidioten-Indikatoren allen Ernstes abschaffen?!
Grippe adé
Selbst hartgesottene Coronaleugner*innen würden wohl kaum abstreiten, dass Husten, Schnupfen und Heiserkeit existieren. Und unbeschadet durch die Grippesaison bringt uns, genau, die Maske. Durch den speziellen Filterstoff der FFP2-Masken (nein, OP- und Stoffmasken zählen nicht!) können uns auch die Bakterien und Viren anderer Hals-, Nasen- und Rachenerkrankungen kaum etwas anhaben. Es sei denn, man hat mal wieder Lust auf eine richtig schöne Influenza.
Heute mal inkognito
Vielleicht sollte man die Maske viel mehr feiern, bietet sie uns doch den besten Schutz vor ungewollten Blicken. Zieht man dazu noch eine Sonnenbrille und eine Kapuze auf, fühlt man sich ein bisschen wie ein Promi, der Selfies mit Fans aus dem Weg gehen möchte. Und muss den unangenehmen Nachbarn nicht grüßen.
So kuschelig
Bevor es die Maske gab, habe ich mich öfter gefragt, wie ich dieses einzigartige Gefühl, das ich immer nur dann habe, wenn ich gerade unter meiner fluffig weichen und super kuscheligen Bettdecke liege, in meinen harten, zackigen Alltag integrieren kann. Dann zog ich zum ersten Mal eine FFP2-Maske auf, und – Bäm! –, da war es, im handlichen Pocket-Format.
Segelohren für alle
Meine Schwester liebt Segelohren und befindet sich deshalb gerade auf Wolke 7. Denn dank der elastischen Schlaufen, mit denen die Maske an den Ohren befestigt wird und sie dabei etwas nach vorne zieht, sehen wir alle ein bisschen aus wie Teletubbies. Doch nicht nur meiner Schwester gefallen die Maskengesichter gut, auch eine Studie besagt, dass wir insgesamt attraktiver mit Maske erscheinen. Na dann: Behalten wir sie doch einfach für immer auf.
The Masked Singer
Lieblings-Karaokebar geschlossen? Keine Zeit für Party aufgrund von Alltagsverpflichtungen? Einfach in die U-Bahn setzen, Spotify einschalten und hinter der Maske lautlos mitsingen. Das macht mindestens so viel Spaß, wie den Mitfahrenden heimlich die Zunge rausstrecken. Ehrenwort!
Sorry, es ist noch nicht vorbei
Und, ähm, war da nicht was? Existiert nicht seit zwei Jahren dieses Virus? Mehr als 6 Millionen Tote und 462 Millionen Erkrankte gab es bisher weltweit – und ein Ende ist nicht in Sicht. Klar, es gibt seit Längerem die Impfung, die bei den meisten von uns das Schlimmste wohl verhindern wird. Ebenso klar ist, dass wir das Virus nicht mehr loswerden und deshalb mit ihm leben müssen. Das heißt aber nicht, dass nun alles wieder normal ist: Wer trotz der aktuellen Zahlen, die in Deutschland so hoch sind wie noch nie, die Maske in den Müll werfen will, hat den Verstand verloren.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott